Plattenkritik

Dionaea - Still

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Release Date: 05.11.2011
Datum Review: 17.04.2012

Dionaea - Still

 

 

In der griechischen Mythologie gibt es die Geschichte der Sirenen. Wunderschöne Fabelwesen, die mit ihrem betörenden Gesang arglose Schifffahrer anlocken, um sie dann in feinster Femme Fatale-Tradition hinterlistig um die Ecke zu bringen. Gemeine Biester. DIONAEA nun sind zwar den Promofotos nach zu urteilen vielleicht nicht unbedingt mit engelsgleicher Schönheit gesegnet (gucken aber dennoch so erfrischend fröhlich aus der Wäsche, als könne sie kein Wässerchen trüben), dafür aber mindestens genauso ausgefuchste Jäger. Die Taktik ist dabei so einfach wie fies.

Schritt 1: Das Herz gewinnen. Mit leisen Schritten und freundlichem Antlitz nähern sie sich ihrem Opfer im viertelstündigen Opener und Herzstück des Albums „Same Story“. Erzählen dir ohne Worte etwas von Romantik, von Euphorie, von purer Freude. Kommen dir so nahe, dass du sie am liebsten mitsamt der ganzen Welt in den Arm nehmen und nie wieder loslassen würdest. Zwei Minuten pures Glück mit extra Zuckerguss oben drauf.

Schritt 2: Leichte Verunsicherung streuen. Nichts ist interessanter als das Ungewisse. Um dich bei der Stange zu halten verteilen DIONAEA deshalb vorsichtshalber schon einmal ein paar kleine Reißnägel über das flauschige Teppichfundament, auf dem ihre Musik bis hierhin stand. Double Bass-Sprenkler legen sich unter diese verdammten Gitarrenmelodien, die dir aller Verworrenheit zum Trotz nicht mehr aus dem Kopf wollen.

Schritt 3: Auf sie mit Gebrüll! Nicht einmal zwei Sekunden braucht „Same Story“, um jegliche Ambitionen auf baldige Hochzeit, Kinder und ein Haus am Strand nachhaltig zu verspielen. Stattdessen regiert plötzlich König Knochensäge und zermalmt alles bisher auf diesem Album gehörte in Sekundenbruchteilen zu Staub. Das pure Chaos, nahe dran an der Kakophonie. Die springen dir nicht nur an die Kehle, die reißen sie dir lieber gleich mal im ersten Anlauf mit raus.

Schritt 4: Ausbluten lassen und Spaß dabei. Dass Schmerz auch eine reinigende Wirkung haben, wissen DIONAEA sehr genau. Nur die Dosis muss eben stimmen. Deshalb versteift sich das Trio nach diesen irrwitzigen ersten drei (!) Minuten auch nicht darauf, nur noch wie ein Derwisch auf die Schädeldecke des ohnehin schon labilen Zuhörers einzudreschen, sondern fügt stattdessen laufend neue Elemente in ihren Sound ein, der die Farbpalette von sonnendurchflutet (häufiger) bis zappendüster (seltener, meist in Kombination mit markant eingesetztem, verzweifelten Schreigesang) in ihrer gesamten Bandbreite abzudecken vermag. Was am Ende bleibt ist gleichermaßen Euphorie und das Gefühl, völlig ausgelaugt und nach zwölf Runden im Ring taumelnd nach Luft zu schnappen.

Was also ist „Still“? Einerseits das famose Debütalbum einer nach wie vor sträflicherweise nahezu völlig unbekannten Band, die in etwa als eine Mischung aus dem progressiven Grindirrsinn, den Bands wie GENGHIS TRON oder PSYOPUS auf die Menschheit loslassen, den zuweilen anstrengenden und fingerbrecherischen Post-Hardcore-Epen der verblichenen THE FALL OF TROY und den merkwürdig gut gelaunten Post-Rock-Miniaturen der letzten MOGWAI daherkommt. Andererseits das Versprechen einer vielleicht lebenslangen Freundschaft, die nur dadurch getrübt sein könnte, dass einem DIONAEA in schöner Regelmäßigkeit ganze Messerblöcke in den Rücken jagen. Nichts also, was man nicht mit ein paar Aspirin beheben könnte. Und dann gleich auf ein Neues.

Tracklist:
1. „Same Story“
2. „Carrier“
3. „Meraquo“

Autor

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Manuel F.

Autoren Bio

Eher so der Kumpeltyp.