Plattenkritik

Guns N´Roses - Chinese Democracy

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 22.11.2008
Datum Review: 01.12.2008

Guns N´Roses - Chinese Democracy

 

 

Unter welchen Umständen und vor welchen Kriterien soll man ein Album, welches jahrelang ein Phantomdasein in der Musikindustrie fristete, bewerten? Soll man sich als „Kritiker“ dem Hype hingeben? Ich denke nein und belasse es anfangs einmal bei den Fakten. Sage und schreibe 14 Jahre sind von Ankündigung der Platte (1994), bis zu ihrer Veröffentlichung vergangen. In dieser Zeit stiegen mit Slash, Matt Sorum und Duff McKagan drei wichtige Mitglieder von Guns N‘ Roses aus, was ein Personalkarussel in Gang trat. Seit dem spielten bei der Band illustre Namen wie Robin Finck (Gitarre / NIN), Tommy Stinson (Bass / ex-Replacements), Josh Freese (Drums, NIN uva), Buckethead, Brian Manita aka Brain (Drums / ex-Primus), Richard Fortus (Gitarre) und Dizzy Reed (Keyboard). Im Rahmen des Aufnahmeprozesses legten laut Wikipedia mit Mike Clink, Andy Wallace, Roy Thomas Baker, Bob Ezrin und Sean Beaven sage und schreibe fünf Produzenten ihre Hände an die Regler. Über das Budget, das über die Jahre hinweg verschlugen wurde, will man lieber gar nicht sprechen.

Die erste Frage, die sich angesichts der stetigen Personalwechsel ganz von selbst stellt geht natürlich in die Richtung, ob es sich hierbei überhaupt um eine Guns N‘ Roses Platte handelt. Das Cover sagt ja, ich sage hingegen nein und sehe das Album vielmehr als eine Solo Scheibe von Axl, die er zusammen mit ein paar Session Musikern aufgenommen hat.

Die zweite Frage die es zu beantworten gilt geht in die Richtung, ob das Album zum einen dem betriebenen Aufwand und dem Hype überhaupt gerecht werden kann. Ich sage auch hier ganz klar „nein“. Mit dieser Manpower und dem hier verbratenen Budget hätte man locker eine hohe zweistellige Anzahl grandioser Alben schaffen können. Aber wir wären ja nicht beim Thema Guns N‘ Roses, wenn da nicht auch so etwas wie „Unvernunft“ im Spiel ist. So gross wie der Hype kann diese Scheibe eh nicht werden.

Musikalisch betrachtet fällt beim ersten Durchhören auf jeden Fall die bombasitsche und zugleich glasklare Produktion auf. Hier waren Leute an den Reglern, die ihr Handwerk verstehen. Egal wo man das Ding hört, sei es zuhause auf ner guten Anlage, am iPod oder im Auto.. der Sound gehört zu den Besten der letzten Zeit (hierbei einen schönen Gruss an Metallica). Gleichzeitig gibt es selbstverständlich an den technischen Skills der beteiligten Musiker absolut gar nichts auszusetzen. Hier zähle ich auch explizit Axl‘s Gesangsleistung hinzu. Axl klingt sehr fit und ist sofort zu erkennen. Leider ist es aber nicht gerade so, dass perfekte Technik auch eine perfekte Scheibe macht. Genau dieses Problem heftet meiner Meinung nach Chinese Democracy an. Der erste und Titel Track gehört zu den besten Songs des Albums.. klassischer GNR Sound mit tollen Riffs und Axls unverkennbarer Stimme. Schon beim zweiten Song (Shackler‘s Revenge) wird anfangs ein sehr extremer Stilwechsel in Richtung Industrial-Rock vollzogen. Im weiteren Verlauf der Scheibe stehen primär melodischere Rock Balladen mit streckenweise sehr guten Refrains im Vordergrund. Allerdings verlieren sich genau diese Songs in Ihrer Belanglosigkeit und Austauschbarkeit, hier würde man sich hier und da mal wieder ein fettes Riff wünschen. Allerdings sind auch ohne Zeifel grossartige Songs zu verzeichnen, hier wären das sehr poppige aber eingängie Better, der Titel Track Chinese Democracy und das rotzig gespielte Scrapped zu nennen.

Im Grunde genommen hat die Scheibe alle Vorzeichen um grossartig zu sein. Was aber fehlt ist ein roter Faden, der sich durch das ganze Album zieht. Am Ende des Tages klingt Chinese Democracy wie eine Flickschusterei, die sich über 10 Jahre hingezogen hat. Die Songs sind (grösstenteils) gut, die Produktion Top, die Musiker super aber die Songs klingen eben wie einzelne Songs für sich und nicht wie ein schlüssiges Album, das von einer Band eingespielt wurde. Des Weiteren ist auch festzustellen, dass wir eben nicht mehr 1990 haben, wo eine Band wie Guns N‘ Roses noch „gefährlich“ war. Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch lebhaft an überhandnehmende Parties zu „Paradise City“, „You Could Be Mine“ oder zu „Out Ta Get Me“. Diese Zeiten sind vorbei, Guns N‘ Roses (bzw. das was von Ihnen übrigblieb) sind zahm geworden und zu Chinese Democracy werden wohl keine Bars mehr von einem tobenden Mob zerstört. Bei der Bewertung der Scheibe habe ich lange zwischen 6 und 7 Punkten überlegt, gebe aber aufgrund der mangelnden Schlüssigkeit und der fehlenden Relevanz im Jahre 2008 nur 6 Punkte.

Autor

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Michael P.

Autoren Bio

Allschools Gründer und Programmierer