Plattenkritik

Hopeless - Human

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Release Date: 14.04.2010
Datum Review: 03.10.2010

Hopeless - Human

 

 

10 Euro für eine Carpathian 7 Inch mit 3 Liedern und einem Coversong? Das ist ganz schöner Wucher. Mit diesem Gedankengang bin ich sicher nicht ganz alleine, als ich Rahmen des „Break Out“ Festivals Ende Juli 2010 in Belgien den Merchstand besagter Band abchecke. Glücklicherweise jedoch treffe ich dort auf Carpathian-Drummer David Bichard - als ich dem meine Meinung über den Preis kund tue, scheint er keineswegs vor den Kopf gestoßen eröffnet er mir die Möglichkeit, eine Platte seiner anderen Band Hopeless mitzunehmen, die halb so teuer ist und sogar einen Song mehr beinhaltet.

Zwei Monate und einige Durchläufe dieser Platte später kann ich uneingeschränkt sagen, dass es sich gelohnt hat! Es ist leider inzwischen nicht mehr all zu schön um den melodischen Hardcore bestellt, die wahren Größen des Genres sind mit Life Long Tragedy, Modern Life is War, Go It Alone, Verse, Have Heart (die Liste könnte man noch sehr lang ausführen) und nicht zuletzt Ruiner aus Baltimore schon längst verblichen. Immer stärker manifestiert sich in meinem Kopf der Eindruck, dass Amerika in dieser Hinsicht eigentlich kaum noch etwas zu bieten hat, beziehungsweise seit dieser Auflösungswelle keinen Nachschub mehr bringt – eine Ausnahmestellung genießen hier sicherlich die Genies in Defeater. Der Schwerpunkt des melodischen Hardcores scheint sich nach Australien und England verlagert zu haben. Umso schöner zu sehen, oder besser gesagt zu hören, dass Hopeless 2010 mit ihrer EP „Human“ eine Platte auf den Markt werfen, die immense Qualitäten aufweist, ohne zu stark an andere Künstler zu erinnern. Der Sound ist in allen 5 Songs sehr variabel und strotzt nur so vor eigenen Ideen. So erfährt ein totgeglaubtes Genre also einen frischen Wind.

Erinnert der Opener „Decades“ mit seinem Palm-Muting-Intro etwas an „Relics“ von Go It Alone, so verfliegt dieser Eindruck mit dem einsetzenden Gesang. Schon nach weniger als einer Minute wird das Tempo herausgenommen, was sehr mutig ist und das Schlagzeug stark in den Vordergrund stellt - hier kann man ganz klar Parallelen zu Carpathian erkennen, die aber angesichts der Tatsache, dass derselbe Mensch hinter den Trommeln sitzt, nicht peinlich sein müssen - Akzentuierungen des Drummings werden bei Hopeless allerdings deutlich seltener eingestreut. Der Gesang erinnert mich gleich stark an die Reibeisen-Stimme von Shipwreck AD Frontmann JD, wobei sie einen Tick emotionaler klingt. Wahrscheinlich liest sich das zunächst wie ein Melodic Hardcore Namedropping, jedoch ist „Human“ in seiner Gesamtheit wesentlich mehr als die Summe dieser bereits bestehenden Einzelteile. Das beweist dann spätestens „Warehouse“, der längste und in meinen Augen auch beste Song auf diesem Release. „Without worry, without sound. Another vice, another ghost in the ground. You scream on the inside. I scream, I wish I were blind.” - nicht nur musikalisch geht das unter die Haut. Mit dem Titelsong der EP wird es dann wieder wesentlich schneller und gleich beim ersten Durchgang bemerkt man, wie Hopeless mit der Temposkala spielen. Wuchtige, tiefe Gitarrenwände (selten auch Moshparts) reichen sich durch die ganze EP hinweg die Hand mit hohen, solo-ähnlichen Lead-Riffs und teilweise auch unverzerrten Melodic-Parts, ohne dass man den Kopf wegen der Mischung schütteln müsste – denn die ist bestens. Mit „Feel“ gibt es dann am Schluss den zweiten ruhigeren Song, der gegen Ende der künstlerischen Darbietung hoffen lässt, dass sich auf dem nächsten Full-Length nur noch solche Lieder befinden, die Härte und Melodie fantastisch kombinieren. Auf dieser Veröffentlichung hat die Band aus mehreren Blickwinkeln sehr clever agiert: Die stärksten Songs wurden an 2. und 5. Stelle gesetzt, außerdem wurde sehr experimentell mit Tempowechseln gearbeitet: Dadurch bleibt es spannend.

Abgesehen von diesen musikalischen Aspekten bietet die Ästhetik von „Human“ auch einiges an Inspiration. Das Cover-Artwork (ein anatomisches Herz) ist zwar ungewohnt schlicht, hätte aber passender kaum sein können. Dieselbe Aussage lässt sich auf die Texte der Band anwenden. Es wird zwar nicht komplett auf Metaphern verzichtet, jedoch ist der Großteil der Zeilen sehr knackig und präzise: „This temporary flesh and bone, it keeps me safe but I don’t know, how i fit within it. Down the depths, I regret everything I fuck and love because it’s never enough.“
Das Gewand einer EP steht Hopeless deutlich besser, denn hier passt (fast) alles in das klar umrandete Konzept und im Vergleich zum Full-Length-Vorgänger „Dear World“ (das ja im Allschools-Review damals eher mittelmässig bewertet wurde) kommt man deutlich innovativer und reifer herüber. Deshalb kann ich allen, die die Band vielleicht damals schon abgeschrieben haben, nur den ernst gemeinten Rat geben, sich mit „Human“ zu beschäftigen. Dieses Release muss sich nicht vor Break Even, Miles Away (mit denen Hopeless übrigens auch im Land der Kängurus auf Tour sind), Carpathian oder der restlichen australischen Hardcore-Szene verstecken, sondern emanzipiert sich ganz klar an die nationale Speerspitze!

Erste Europa-Tour dringendst erwünscht!

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Marcel

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