Plattenkritik

Interpol - Interpol

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Release Date: 03.09.2010
Datum Review: 10.09.2010

Interpol - Interpol

 

 

Im Volksmund heißt es ja desöfteren, dass alte Liebe nicht rostet. Die neue INTERPOL stellt dieses Sprichwort bei mir auf eine harte Probe. Direkt im Vorfeld möchte ich vorausschicken: diese Review wird knallhart subjektiv. Also noch subjektiver, als es eine Plattenkritik ohnehin zwangsläufig sein muss. Daher der Hinweis: wenn ihr diese Band vor allem aufgrund von „Antics“ oder dessen Nachfolgers mögt, dann steht einer Weiterführung dieser Tradition im Grunde nichts im Wege und ihr könnt euch auch das neue Album bedenkenlos zulegen.

Bei mir jedoch liegt der Fall etwas anders. Für eine Weile waren INTERPOL für mich nämlich so etwas wie die beste Band der Welt. Das war 2003. Damals war „Turn On The Bright Lights“ zwar schon einige Monate alt, aber manche Dinge brauchen eben etwas länger. Als dieses Album jedoch in mein Leben kam, war ich verliebt. Das war aber sowas von haargenau die Musik, die ich zu diesem Zeitpunkt brauchte. Düster, melancholisch und ungeheuer detailverliebt. Soundschicht um Soundschicht türmte sich hier aufeinander, dass ich gar nicht wusste, wohin mit meinen Ohren und meinen Gedanken. Diese schier unglaubliche Größe und emotionale Tiefe von Songs wie „Stella Was A Diver And She Was Always Down“ oder den beiden „Obstacle“-Teilen war so ungewohnt wie faszinierend für meine Ohren. Mir doch egal, ob irgendwelche Musiknerds die mir damals ohnehin nicht bekannten JOY DIVISION erwähnten, zu denen INTERPOL ja ohnehin bestenfalls gesanglich gewisse Parallelen aufweisen (na gut, der eine oder andere Basslauf und das eine oder andere Gitarrenriff vielleicht noch, aber das tut doch jetzt nichts zur Sache...). Das war neu und das war umwerfend. Bis heute zähle ich „Turn On The Bright Lights“ zu den fünf besten Alben, die ich in meinem Leben gehört habe. Alte Liebe rostet eben nicht. Jedenfalls nicht meine zu dieser Platte.

Was allerdings INTERPOL als Band angeht, kamen mir da schon ein Jahr später arge Zweifel. „Antics“ erschien und ließ mich ernüchtert zurück. Nein, das war mit Sicherheit kein schlechtes Album. Aber eben mal überhaupt nicht das, was ich von dieser Band nach einem Album, ach was, einem Meisterwerk wie dem Debüt hören wollte. Dabei war doch auf den ersten Blick gar nicht so viel anders. Immer noch war da dieser leidende Gesang, diese prägnanten Bassläufe und die melancholisch-düsteren Gitarrenmelodien. Doch da war etwas, was ich bis heute an allen nachfolgenden Alben dieser Band vermisse: diese Erhabenheit, die erst durch das Aufschichten all der wunderbaren Ideen dieser New Yorker entstehen konnte und ihr erstes Album so besonders und immer wieder neu und entdeckenswert machte. Stattdessen war da plötzlich eine Strenge in den Arrangements, die mir überhaupt nicht schmeckte und nach wie vor nicht richtig zu munden weiß. Vorbei die Zeiten des Überschwangs. Reduktion schien das Maß der Dinge. Da sprechen Musiker dann ja gerne von Weiterentwicklung und Stilfindung, aber mal ehrlich: Fuck It! Ich will meine alten INTERPOL zurück. Nicht diese neue, „erwachsene“ Abart einer einstmals großartigen Band.

Fast Forward to 2010 (jaja, davor kam noch ein Album, aber das Problem blieb ja das selbe): Mal wieder ein neues Album, mal wieder finden es ganz viele Leute ganz schön toll und mal wieder weine ich nostalgische Tränen in Anbetracht der Tatsache, dass „Turn On The Bright Lights“ wohl auf ewig allein bleiben wird in meinem Herzen, das doch insgeheim immer noch Gefühle für diese Band hegt. Im Grunde nämlich machen INTERPOL ziemlich viel so wie auf den letzten beiden Alben. Wieder wirken die Songs aufgeräumt, kontrolliert und dadurch leider oftmals weit weniger atmosphärisch und spannend, als ich es mir mal wieder naiverweise ersehnt hatte. Etwas mehr experimentiert man diesmal mit Synthieflächen und gitarrenfreien Passagen, ohne dabei jedoch auch nur ansatzweise Gefahr zu laufen, dass man noch einmal in diese wunderbare Überladenheit des Debüts zurückfällt. Stattdessen einmal mehr: INTERPOL fokussierter denn je und dadurch für mich leider auch immer weniger spannend. Ja, ich bin der lebende Alptraum eines jeden Musikers, der eine Weiterentwicklung anstrebt. Zumindest, wenn mir diese nicht passt. Ich weiß, das ist kindisch, dumm und auch in jeder Hinsicht gegen meine sonstigen Anforderungen an Kunst und die Menschen, die sie erschaffe aber im Falle dieser Band sind Gefühle eben stärker als Vernunft. Also INTERPOL: bitte auflösen und meine alte Liebe nicht noch länger auf die Probe stellen. Es wird von Mal zu Mal schwieriger. Danke.

Tracklist:

1. „Success“
2. „Memory Serves“
3. „Summer Well“
4. „Lights“
5. „Barricade“
6. „Always Malaise“
7. „Safe Without“
8. „Try It On“
9. „All Of The Ways“
10. „The Undoing“

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.