Plattenkritik

Kettcar - Sylt

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Release Date: 18.04.2008
Datum Review: 16.05.2008

Kettcar - Sylt

 

 

Segen oder Fluch ? Wer zwei Alben herausbringt die an Herz und Gefühl soviel enthalten wie wenig Vergleichbares, der hat es schwer bei dem Nachfolger. Vielleicht das verflixte dritte Album? Vielleicht aber auch einfach die nächste Platte. Wie auch immer Kettcar dies gesehen haben – sie haben es (mal wieder) richtig gemacht, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint.

Wo die Vorgänger es einem verhältnismäßig leicht machten einen Bezug zu finden und sich sofort zu verlieben, ist dies auf Sylt ein wenig anders geregelt. Die Anspannung bei der Grand Hotel Van Cleef Fanschar war förmlich zu spüren und als dann auch noch eine Tour angekündigt wurde, wovon alleine über 5 Konzerte in Hamburg sein sollten, der Heimat des Hotels für deutsche Top Musik, und diese ruckzuck ausverkauft waren, war klar dass hier was Großes seinen Lauf nimmt. Und dann kam die erste Single und gleichzeitig Opener von „Sylt“, „Graceland“. Ein paar Hördurchgänge und schon ist der Hit komplett und ähnlich verhält es sich mit dem Album.

Allerdings sind dort auch Songs zu finden, die ein ganzes Stück weiter gehen als ihre Vorgänger. Man nehme beispielsweise das rührende „Am Tisch“, selten haben Worte derart eingeschlagen wie „Glaubst du etwa dieses Leben macht Spaß ? Erhebt euer Glas“. Worte die treffen und fesseln. Genau 45 Minuten. „Kein Außen mehr“ gibt sich dann typisch Kettcar-mäßig. Eine optimale Hymne mit wunderbarem Refrain. Und wieder diese Worte. „Lieber Peinlich als authentisch – authentisch war schon Hitler“. Wie Recht sie haben und wie unglaublich Böse sie sind. „Geringfügig, befristet, raus“ kritisiert das, was uns alle ankotzt ohne leere Phrasen zu schwingen. „Agnostik für Anfänger“ schlägt in dieselbe Kerbe und zeigt Kettcar so wütend wie selten zuvor. Das tieftraurige „Verraten“ ist das ruhigste Stück auf dem Album und erzeugt allein mit der ersten Strophe schon Gänstehaut. Das düstere „Würde“ schlägt dann wieder so schrecklich ein, dass man es mit der Angst zu tun bekommt. „Mach dir keine Sorgen Mama. Papa, ja ich weiß bleib ruhig. Euer Junge kommt nach Hause heut Nacht – Gebrochen, Fertig, Durch“. Nach diesen Worten hört man Kettcar erneut so wütend, düster und hart wie nie zuvor und kann nur fassungslos mit offenem Mund da sitzen und staunen.

Das Schlusslicht bildet das herrlich melancholisch, wütende „Wir werden nie enttäuscht werden“ und lässt Kettcar zum erneuten Male aufglänzen. Auf „Sylt“ weht ein Sturm und Kettcar haben ihn entfacht. Eines der Alben 2008. Und das schon im Mai.

Tracklist:

1. Graceland
2. Nullsummenspiel
3. Am Tisch
4. Kein Außen mehr
5. Wir müssen das nicht tun
6. Fake for Real
7. Geringfügig, befristet raus
8. Agnostik für Anfänger
9. Verraten
10. dunkel
11. Würde
12. Wir werden nie enttäuscht werden

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Raphael

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