Plattenkritik

Killerpilze - Lautonom

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Release Date: 19.03.2010
Datum Review: 19.03.2010

Killerpilze - Lautonom

 

 

Okay, ich mach das jetzt mal. Es scheint Zeit zu sein, über seinen eigenen Schatten zu springen. Die Killerpilze sind jetzt nunmal nicht die Band, die man morgens vom Frühstücksradio als akustischen Brechreiz geliefert bekommt. Eigentlich sind sie bisher an mir so vorbeigezogen. Okay, mal ganz ehrlich: ich hatte sie unter „Tokio- Hotel- Kinderkacke“ abgelegt. In meinem Kopf Milchbubis, die gerade die Zahnspange rausbekommen haben, denen noch kein Schamhaar wächst und deren Stimmbruch noch einige Schuljahre Zeit hat. Ich muss nur leider nun eingestehen, dass das vielleicht ein wenig vorschnell war. Jetzt liegt hier die neue Platte als Promoexemplar vor mir. Ich denke: Kannste ja mal reinwerfen, so für nebenbei.

Haste gedacht. Ist aber nicht so. Was mir zuerst auffällt, ist eine fette Produktion, die auch soweit ab, von meiner potentiell kreierten Zielgruppe ist, dass ich fast Pudding in den Knien bekomme. Mein Bild von dieser Band schwankt bedenklich. Das ist nix für die kleinen Emopüppchen. Vielmehr rotzige Gitarren und ebensolche Stimmen, die den Stimmbruch doch schon hinter sich haben. Die Schreien sogar, also so richtig. Für meinen Geschmack zwar zu selten, aber immerhin. Scheint genug zu sein, um einem nicht so häufig um die Ohren geballert zu werden, wie beispielsweise Tokio Hotel. Musikalisch absolute Bodenhaftung. Es fällt auf, dass die drei Knaben ihre Instrumente wirklich beherrschen. Ehrlich gesagt fällt es auch schwer, das Bild vom Kinderzimmer mit den Bravomittelteilpostern aufrecht zu erhalten. Scheiße. Ich hab auch was von den Ärzten im Plattenschrank stehen. Die Killerpilze würden sich musikalisch daneben ziemlich gut machen. Irgendwie sind die Killerpilze auch noch einen Tacken „härter“ als die Ärzte. Vielleicht darf man beide auch nicht so furchtbar ernst nehmen, um sie akzeptieren zu können. Wirklich viel Tiefgang haben die Killerpilze zwar nicht vorzuweisen, aber trotzdem machen sie Spaß. Punkig triffts ganz gut. Wieviele „anständige“ Punkbands verfügen schon über Tiefgang? Bevor sie Tiefgang beweisen können, tappen die meisten Bands eh in das Töpfchen des triefenden, nervtötenden Pathos. Die Killerpilze lösen das Problem geschickter. Ein bisschen Konsum- und Kommerzkritik, mal kurz Köpfchen und Reflektiertheit demonstrieren, nur nicht zu viel und eben mit Witz. Adornos Kritik an der Kulturindustrie ein Schnippchen schlagen- haha. Aber bei Universal sein. Ich fühle mich immer noch verarscht. Das ist mir zu glatt, zu konstruiert.

Okay, der Baladenteil mit „Lieblingssong“ und „Grauer Vorhang“ ist mal tierisch in die Hose gegangen. Klingt so billig, schwach und Postpubertär, dass sich mir die Nackenhaare doch noch aufstellen. Aber eine Schwachstelle macht noch kein komplettes Album platt. Und vielleicht ist es auch einfach nur meine Einbildung, die ich mir aufgrund meines Alters aufrecht erhalte. Es wird Zeit den jungen ein Plätzchen auf dem Spielfeld einzuräumen. „Am Meer“ zeigt trotz großartiger Soundqualität dann doch für wen dieses Album und diese Band gedacht ist.

Die Zielgruppe ist klar und vermutlich ist das alles auch nur ein riesiger Kommerzcoup. Es fällt mir nach wie vor schwer einzugestehen, dass die Jungs von heute sowas können. Wer weiß, was da für eine Songschreiber- und Produzentenmaschinerie dahintersteht. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Erkenntnis tut weh und verunsichert. Abschließend bleibt aber definitiv zu sagen, dass ich mir wünsche, dass mehr Kids die Killerpilze hören, anstatt Tokio Hotel, Sido und Bushido voll geil zu finden.

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Jule

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wäre gern teil einer postfeministischen emopunkband/ verbalprimatin/ kuchenveganerin/ ich kann mir keine songtitel merken, selbst die meiner lieblingssongs vergesse ich.../ ich bin nicht betrunken, ich bin immer so/ fraujule.blogspot.de