Plattenkritik

Milhaven - Milhaven

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 08.02.2010
Datum Review: 21.03.2010

Milhaven - Milhaven

 

 

Wir kennen sie mittlerweile, die alte Leier. Postrock ist eine Abart von Musik, eine zusammengewürfelte, sentimentale Dreckskacke für Pseudointelektuelle, die meinen etwas Besseres sein zu müssen. So zumindest der Ton der großen Allgemeinheit. Des weiteren gilt die Meinung und Auffassung: Das, was ich nicht verstehe, ist scheiße und damit muss ich mich nicht auseinandersetzen. Aber die Frage ist doch, ist es wirklich so schwer? Ist es wirklich so schwer, sich mit den eigenen Gedanken auseinander zu setzen oder einfach mal stundenlang auf der Couch zu sitzen und ins Nichts zu starren? Die Ordnerstruktur im Kopf mal wieder in Ordnung zu bringen, den Papierkorb zu leeren, um dann wieder bei Null anzufangen? Das kann doch wirklich nicht so schwer sein. Es sei denn man verschließt sich von vorne herein davor.

Wir kennen Sie mittlerweile, diese verkopften und in sich gekehrten Musiker, die stundenlang an einem Effekt basteln, am Rande des Nervenzusammenbruchs und im Wahn der Perfektion. Die Musiker, die versuchen, die Ruhe in sich zu finden und sie dann nach außen zu tragen, meist mit einem Understatement, das sich gewaschen hat und manchmal mit einem Bombast, der einen aus der Lethargie reißt. Wir kennen sie, sie sind uns nur allzu bekannt. Ist es nicht auch so, dass wir all die Größen in diesem Genre kennen, die uns vormachen, wie es geht? Wir kennen sie beim Namen, nennen sie JAKOB, MONO oder THIS WILL DESTROY YOU und nennen sie als Referenz. Und wir kennen auch die kleinen Fische, die immer wieder versuchen mit diesem Strom zu schwimmen, um den von der Masse erfundenen Hype immer weiter voranzutreiben und nach Meinung vieler das Genre in die Stagnation schmeißen. Die Stagnation, die für viele Arten von Musik den Tod bedeutet, aus der sie sich nicht mehr befreien können und in der sie sich immer weiter bewegen, ohne von der Stelle zu kommen. Auch MILHAVEN bewegen sich innerhalb dieser Stagnation.

Aber kennen wir auch wirklich alle das Gefühl, welches diese ruhigen Songs, diese sich immer wiederholenden und sich immer mehr aufbauenden Melodien in einem auslösen können? Kennen wir es, minutenlang aus dem Fenster zu starren, obwohl man eigentlich einen Text schreiben müsste, nur um plötzlich zu merken, dass noch kein einziges Wort verfasst wurde, nicht einmal mehr der Ansatz einer Idee zustande gekommen ist. Das Gefühl, verloren zu sein? Verloren in einer Welt, die man eigentlich nicht betreten wollte? Die Frage ist doch, warum wir nicht in der Lage sind, Dinge einfach mal als gesetzt zu betrachten. Es braucht nicht immer der neueste Scheiß zu sein, damit es gut ist und Gefühle auslöst. Es braucht nicht immer völlig neue Ideen, um ein tolles Album aufzunehmen. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Es reicht doch auch, wenn eine Band wie MILHAVEN das schon mit einer kleinen Anzahl an Ideen ("Miami Jesus") und einer erschlagenden und zugleich atemberaubenden Masse an schönen Melodien ("Count To Infinity, Twice") schafft. Es gibt hunderttausend verschiedene Möglichkeiten, unzählbare Variationen und alle wurden sie schon genutzt. Jetzt ist es an der Zeit, dass nicht nur die Musiker, sondern auch ihre Hörer genau das verstehen. Vielleicht gibt es dann endlich mal eine Form von Akzeptanz, mit der beide Seiten leben können.

Ja, wir kennen die alte Leier und die ganzen Sprüche und ja, ich kann es nicht mehr hören. Musik ist ein Ventil, für jegliche Art von Gefühl. Wir brauchen sie doch einfach, die Möglichkeit uns Fallen lassen zu können. Und wenn Postrock stagniert, dann ist es doch verdammt nochmal egal, denn die Stagnation befindet sich auf höchstem Niveau und genau das haben MILHAVEN erkannt. Das aktuelle Album hört sich genau so an, wie man es mit den oben genannten Vorurteilen beschreiben würde. Ein bisschen zwischen den Zeilen lesen zu können, sollte helfen, um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sich die acht Songs der Band aus Bochum anhören und was sie in einem auslösen können. Alleine das Ende von „Hunter“ könnte ich mir stundenlang anhören und dabei nichts denkend aus meinem Fenster starren. Ich bin gefangen und möchte mich eigentlich gar nicht mehr befreien. Und wenn mir jetzt immer noch einer erklären möchte, dass diese Art von Musik ihm nichts gibt, dass sie nichts in ihm auslöst, dann verstehe ich die Welt nicht mehr und muss mich tatsächlich fragen, wie weit unsere eigene Verrohung schon fortgeschritten ist, wenn wir nicht einmal mehr die Schönheit in etwas solch simplen und offensichtlichen erkennen.

Tracklist:
1. On And On
2. Supervulkan
3. Barnabas
4. Miami Jesus
5. Count To Infinity, Twice
6. Animal 3K
7. The Trees Are In Misery
8. Hunter

Autor

Bild Autor

Alex G.

Autoren Bio

rien.