Plattenkritik

Nesseria - Nesseria

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Release Date: 15.02.2010
Datum Review: 29.03.2010

Nesseria - Nesseria

 

 

Ein rohes Stück Fleisch werfen uns die Franzosen NESSERIA mit ihrem ersten selbstbetitelten Album (bisher veröffentlichte die Band drei Splits) zum Fraße vor. Und begierig sollten sich all jene darauf werfen, die keine Angst vor Sodbrennen und Magenschmerzen haben. Denn heruntergewürgt mundet dieses Konglomerat aus Hass, Intensität und schierer Verzweiflung wie eine intoniertes Magengeschwür, dass sich nach allen bisher konsumierten Lieblichkeiten voller Gier seinen Weg in die Freiheit bahnt. Natürlich sind hier die angesprochen, die suchen, die weg wollen von Standard Kost, die einfach von 0815 die Schnauze voll haben. NESSERIA wüten vordergründig sehr chaotisch, lassen ihren Gefühlen immer wieder mit Highspeed im Sinne von Death und Black freien Lauf, können aber auch einen Gang zurück schalten und spielen mit diesen Gegensätzen...und mit dem Hörer. Dieser kann sich nie in Sicherheit vor der Wucht und dem aufgebauten Druck bringen, wenn er sich erst einmal dem Treiben der Franzosen ausgesetzt hat, wird er von ihren Gitarrenwänden erschlagen. Warum hat er sich nicht abgewandt? Er konnte es nicht, wie ein Magnet ist er vom Notenhagel der eindringlichen Verse angezogen worden und bleibt ihnen blutüberströmt bis zum letzten Atemzug treu.

das erinnert mich an einen Hund, einen Spitz, mit dem ich als Knirps auf einem Bauernhof in meiner Heimat spielte. Sein Herrchen, ein Bauer, hat stark alkoholisiert mit dem Luftgewehr immer wieder auf das arme, langsam immer schwächer werdende Tier geschossen. Aber dieser ist nie weggelaufen, nach jedem Schuss lief er ein Stück weg, kam dann aber nach einer kurzen Zeit zum Peiniger zurück, winselnd, blutend, um sich den nächstenSchmerz abzuholen...bis er nicht mehr konnte und einfach liegenblieb. Der Bauer machte sich keine Mühe, das Tier zu versorgen und lief lachend davon

Die auf französisch vorgetragenen Texte beschäftigen sich mit interessanten, zum Nachdenken anregenden persönlichen wie weltlichen Dingen. Das verraten zumindest die englischen Linernotes der beigefügten Texte. NESSERIA wollen ihre Wut gegen die Leute ausdrücken, die sie benutzt, aufgegeben und sich abgewandt haben. Oder bringen ihren Unmut über wegen angeblichen Geldmangel fehlgeschlagenen Abrüstungsofferten zum Ausdruck. Thematisiert wird aber auch der Frauenhass in sakralen Schriften wie der Bibel, dem Koran oder hinduistischen sowie buddhistischen Texten. Das Gesamtkunstwerk ist alles andere als eine leichte Kost, aber wer sich die Zeit nimmt, mit „Nesseria“ in die Tiefen der extremen Musik abzutauchen, wird reichlich mit geballter Energie und ungezügelter Kraft belohnt.

immer und immer wieder muss ich bei NESSERIA an diesen Hund denken. Vor allem daran, warum er nicht einfach weggelaufen ist. Warum er trotz der Qualen immer wieder zum Bauern zurücklief und warum wir Kinder uns nicht später, als wir kräftemäßig in der Lage dazu waren, an dem Bauern Rache geübt haben

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Clement

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Ich fühle mich zu alt