Plattenkritik

NEW NATIVE - Soul Cult

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 13.12.2015
Datum Review: 27.12.2015
Format: Vinyl Digital

Tracklist

 

1. Different Light
2. Circles
3. But I Can't
4. Nothing More
5. Change

NEW NATIVE - Soul Cult

 

 

Lang, lang ist’s her: Vor fast einem Jahr haben die Wiener Ausnahmetalente von NEW NATIVE bereits die 5 Songs für ihre nun erscheinende EP „Soul Cult“ aufgenommen. Aber man kennt die Problemchen mit Presswerk und Co. ja. Abgesehen davon würde es der für ihr Alter äußerst professionell erscheinenden Band auch nicht besonders stehen, ein unvollendetes Produkt auf den Markt zu werfen.

Wie komme ich zu der Annahme? Nun ja, NEW NATIVE tauchen 2014 quasi aus dem Nichts auf (wobei das nicht ganz stimmt, schließlich waren die Mitglieder vorher in anderen Wiener Bands wie Grey Years und Blind of 69 aktiv), legten eine der besten, wenn nicht die beste Pop-Punk/Indie-für-Hardcore-Scenester-Scheibe des Jahres aus Europa hin und gingen Anfang dieses Jahr dann auch wohlverdient mit Pianos Become the Teeth und Silver Snakes auf Europa-Tour. Das ist alles andere als der Standard für Bands aus unseren Gefilden. Wer sich also für Basement, Title Fight und Konsorten erinnert und nach wie vor nichts von den Herren gehört hat, der lebt nicht nur unter einem Stein, sondern hat auch eine Menge verpasst. Wie knüpfen NEW NATIVE also an ihr Debüt „Twisting“ an?

Zunächst einmal mit Altbekanntem. Der Opener „Different Light“ macht mit seinen warmen Melodien und seiner Akkordprogression genau dort weiter, wo „Twisting“ aufgehört hatte. Das klingt, was viele Bands nicht schaffen, schon auf dem zweiten Release so, als haben NEW NATIVE ihren „eigenen“ Sound gefunden, anhand dem man sie wieder erkennen kann. Als Sänger Michael dann jedoch einsetzt, wird klar, dass er und seine Kollegen sich nicht auf dem ausruhen, was sie bereits bewiesen haben. Die liebevoll geschriebene Eröffnung im Vers/Chorus/Vers/Chorus-Stil sorgt für einen Eindruck, der sich die ganze EP über halten wird: Das Herzstück dieser Platte ist der Gesang, der einem quicklebendig und abwechslungsreich kleine Geschichten erzählt. Das klingt mal unbeschwert und fröhlich („Circles“), mal niedergeschlagen und pessimistisch („Nothing More“). Michael hat hier gesanglich nochmal eine ordentliche Schippe drauf gelegt, obwohl er auf „Twisting“ bereits beeindruckend war. Das instrumentelle Kostüm legt sich ohne Makel darüber, beide Elemente der Musik lassen das jeweils andere vollkommener erscheinen, anstatt dass sie sich im Weg stehen. Die perfekte Symbiose also. Das mag übertrieben klingen, sollte allerdings gerade aufgrund der Tatsache, dass man NEW NATIVE auf „Soul Cult“ zu keiner Zeit irgendein Rumgeklaue von den Vorreitern aus Übersee ankreiden könnte (Klauen ist sehr bequem und klingt manchmal sehr gut!), hervorgehoben werden. Ein dermaßen ausgereiftes Songwriting kommt nicht mal eben so von allein. NEW NATIVE wissen gekonnt ihre Einflüsse zu einem neuen und eigenständigen Ergebnis zu formen, doch ohne eine sehr starke musikalische Grundlage wäre das wohl so nicht möglich. Jeder Song klingt irgendwie anders und vermag schafft es gekonnt das Gesungene zu untermalen, die im Text beschriebene Stimmung zu beschreiben. „Different Light“ klingt nach Aufbruch und Veränderung, „Circles“ im Vers routiniert und im Chorus doch sehnsüchtig, „But I Can’t“ irgendwie selbstironisch und überdrüssig, „Nothing More“ besorgt und lethargisch, und „Change“ bricht die schlechte Stimmung dann wieder spielerisch mit Gesangsunterstützung von Michael’s Schwester Anna auf und schließt den Kreis zum ersten Song.

Im Gesamten betrachtet geht es bei der EP also um die Unzufriedenheit mit alltäglicher Routine und um Sehnsucht nach Neuem, nach Veränderung. Melodisch wird das genau so bunt und unterschiedlich verpackt, wie eben auch solche Ansichten und Wünsche im Kopf eines jungen Menschen sich tagtäglich abwechseln und für Unordnung sorgen können. Unzufrieden und wütend klingt die EP jedoch zu keiner Zeit, eher weise und reflektiert. Womit wir bei dem ersten, vielleicht einzigen Minuspunkt von „Soul Cult“ für mich wären: Irgendwie zu wenig Energie. Kaum eine Stelle reisst mich als Hörer so richtig mit, wie das „Twisting“ auf der Debüt-EP noch konnte. Natürlich summt und singt man den ein oder anderen Chorus mit, doch „Soul Cult“ mutet dabei eher wie Pop-Musik (es gibt ja schließlich auch gute) an, die leicht verdaulich ist und im Ohr bleibt, ohne dass sie jedoch innerlich aufrührt. Man könnte sich noch darüber beschweren, dass der EP ein richtiger Hit fehlt (siehe dazu erneut „Twisting“ von der ersten EP), der heraus sticht. Doch das ist wirklich meckern auf sehr hohem Niveau, denn es könnte auch der Tatsache geschult sein, dass NEW NATIVE einfach insgesamt auf einem überdurchschnittlich guten Level Musik schreiben.

 

Mein Fazit: NEW NATIVE ist erneut eine tolle EP gelungen und musikalisch sind sie meiner Meinung nach in ihrem Genre locker zu den besten Bands Europas zu zählen. Wenn ich der Band einen Tipp geben sollte, dann wäre es der, gezielter auf Hits und wirklich mitreissende Lieder hin zu arbeiten. Einen Durchbruch aus unserer kleinen, überschaubaren Szene hin zu größeren Publikumszahlen traue ich den Wienern allemal zu.

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Marcel

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