Plattenkritik

Nine Inch Nails - Ghosts I-IV

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 03.03.2008
Datum Review: 05.03.2008

Nine Inch Nails - Ghosts I-IV

 

 

Disclaimer: Ich, der Autor dieses Reviews, bin Nine Inch Nails fan durch und durch. Ich habe mich aber dennoch bemüht, dieses Review so objektiv wie möglich zu verfassen. Es lässt sich aber sicherlich nicht verbergen, dass ab und an der Fanboy in mir durchbricht ;-)

Turbulente Zeiten im NIN Lager. Zuerst lästert Trent Reznor zweimal in Australien über die Preispolitik seines dortigen Labels um nur kurze Zeit später zu verkünden, dass er das aktuell bestehende Vertriebsmodell der Musikindustrie für nicht mehr tragfähig hält. Ende des letzten Jahres kam dann der grosse Schnitt: Trent liefert mit Y34RZ3rOr3mix3d das letze NIN Album ab, das er Interscope schuldete und verliess das Label mit der Ankündigung seine Musik nur noch direkt, ohne Mittelsmann und Raffzahn in der Mitte, an seine Fans zu vertreiben. Interscope darf nur noch eine NIN Best Of CD vertreiben. Kurz danach veröffentlichte er zusammen mit Saul Williams die bahnbrechende und Genre Grenzen sprengende „Hip Hop“ Platte „The inevitable Rise and Liberation of Niggy Tardust“. Dieses Album wurde wie folgt vertrieben: die ersten 100.000 Interessenten konnten sich das Werk, wenn sie wollten, gratis in (im Gegensatz zu Radiohead) hoher MP3 Qualität herunterladen. Für 5 $ konnte man das Album auch in FLAC lossless Qualität herunterladen. Ein Vertriebsmodell für das kommende NIN Album? Fast, Trent zeigte sich in seinem Weblog, in dem er (im Gegensatz zu Radiohead) alle Zahlen auf den Tisch legte, enttäuscht darüber wie wenige Leute anfangs bereit waren 5 $ zu zahlen. Geld wurde mit der Saul Williams Platte nur wenig verdient.

Am 2. März erschient, nach einigen Blog Einträgen wie „2 Weeks….“, „Tick Tock Tick Tock“ plötzlich, ohne jegliche Vorankündigung der Eintrag „The new NIN record is available right now. Get it HERE“. Ghosts I-IV war geboren. Im Vergleich zur Saul Williams Platte ging Trent Reznor jedoch weiter. Ghosts I-IV ist komplett mit einer Creative Commons Attributes noncommercial share-alike Lizenz versehen. Die Platte darf also verändert, unkommerziell genutzt und kopiert werden. Die ersten 9 Tracks, also Ghosts I, erhält man gratis auf der NIN Homepage oder via Bittorrent. Ab dort kann man zwischen verschiedenen „Paketen“ angefangen vom Download für 5 $ bis hin zur limitierten (und inzwischen ausverkauften) Ultra deluxe Limited Edition für 300 $ wählen. Alle Optionen enthalten ein 40 Seiten Booklet im PDF Format. Das Booklet enthält atemberaubend schöne Fotos von Rob Sheridan.
Kommen wir zum musikalischen Teil. Ghosts I-IV ist ein instrumental Album welches innerhalb von 10 Wochen von Trent Reznor, Atticus Ross und Alan Moulder eingespielt wurde. Unterstützt wurde dieses Team vom NIN.live Multitalent (Keyboards, Synthies, Samples, Gittarre…) Allessandro Cortini, von Adrian Belew und vom Dresden Dolls Drummer Brian Viglione. Ghosts ist ein Experiment: der Zeitraum von 10 Wochen stand fest, es gab keine klare Agenda, was nach 10 Wochen da war wurde veröffentlicht. Entsprechend experimentell und abwechslungsreich fällt auch das Ergebnis aus: Neben sehr ruhigen, Gitarren und Piano lastigen Songs, die ohne Probleme auf der Still EP hätten erscheinen können, befinden sich auch einige elektronischere Songs auf dem Album. Bei diesen Liedern reicht die Spannweite von ruhig über pulsierend bis hin zu „krachig“. Grundsätzlich muss man jedoch festhalten, dass man beim Hören des Albums nie auch nur ein einziges mal die Vocals vermisst. Jedesmal, wenn man das Gefühl hat, es könnte langweilig werden, kommt wieder ein völlig unerwarteter Klangteppich und wenn man angesichts der ruhigeren Songs wegdöst kann man sicher sein, dass bald ein etwas lauteres Lied kommt. Atmosphäre wurde bei der Komposition dieser 36 Songs gross geschrieben. Nine Inch Nails ist eine Band (bzw. ein Projekt), die / das sich nie wiederholt, der Blick ist immer noch vorne gerichtet und Innovation steht an erster Stelle ohne jedoch als verkrampfter Programmpunkt dazustehen. Im Kontext des bereits veröffentlichten Materials sehe ich Ghosts irgendwo zwischen der graniosen Akustik EP Still, welche als Bonus zur limitierten Auflage von „And All That Could Have Been“ veröffentlich wurde, und den Remix CDs (hier denke ich insbes. an „Things Falling Apart“).

Fazit:
Musikalisch ist Ghosts in jedem Fall gewöhnungsbedürftig und mich Sicherheit alles andere als „massenkompatibel“. Auf dieser Veröffentlichung gibt es keine Mitsing Nummern, keine Hits sondern nur Atmosphäre, die man daheim auf der Couch aufsaugen kann. In wie weit diese Songs einen Platz in den Setlists der Live Shows finden wird, bleibt abzuwarten. Trotzdem schmälern diese Anmerkungen in keinem Fall die Qualität des dargebotenen Kunstwerks, welches eine Menge an Substanz zu bieten hat.
Nine Inch Nails steht für Innovation und ich bin überzeugt, dass Trent mit dem Vertriebsmodell dieser Platte in die einzig richtige Richtung marschiert. Wem die Veröffentlich auch nur halbwegs gefällt, dem sollte alleine die Unterstützung der Art und Weise wie Trent seine Musik veröffentlicht (ich sage nur „Creative Commons Lizenz“) mind. 5 $ wert sein. Ich habe die 300$ Variante gewählt ;-)

Autor

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Michael P.

Autoren Bio

Allschools Gründer und Programmierer