Plattenkritik

Oasis - (What's The Story) Morning Glory?

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Info

Release Date: 29.09.1995
Datum Review: 15.01.2010

Oasis - (What's The Story) Morning Glory?

 

 

Jeder hat so eine. Eine Band, die ihn ganz unbewusst begleitet. Vom ersten bis zum letzten Song. Und irgendwann, da macht es klick und man bemerkt es endlich, so als würde der eigene Schatten anfangen zu leben. Eine kleine Geschichte.

1995: Der Pop hat OASIS längst wahrgenommen. Auf der Bravo Hits deiner Schwester entdeckst du „Wonderwall“. Was für ein Teil. Der Song ist es also schuld, dass du in 12 Jahren total auf Folk stehst? Möglich.

1997: Du bist gerade 10 und da läuft dieses Musikvideo mit dem Krankenwagen. Gerade jetzt dürfte dein Gespür für erstklassige Refrains geboren werden, aber weiß Gott, in dem Alter bist du einfach zu klein für eine Band wie diese.

2000: Du bist 13, hast bereits die SMASHING PUMPKINS für dich entdeckt und vergötterst jede Band auf den „Punk-O-Rama“ Samplern. Das ist dein Ding. Warum genau kannst du dann einfach nicht Viva Zwei wegschalten, wenn dieses blöde „Go Let It Out“ läuft? Zufall? Und warum bekommst du fünf Jahre später bei deiner Abschlussfeier Tränen in die Augen wenn „Sunday Morning Call“ läuft?

2002: Ok, gesteh es dir ein, irgendwie fandest du OASIS schon immer geil und dieser Song, dieses „Little By Little“, das ist einfach ein Hit! Im Hollandurlaub langst du dann auch für kleines Geld zu. „Heathen Chemistry“ ist dir. Der Sound ist dir zum kompromisslosen Punk natürlich an vielen Stellen trotzdem zu glatt, zu harmonisch, zu musikalisch. Aber „Songbird“, „She Is Love“, erwähntes „Little By Little“ und vor allem „Stop Crying Your Heart Out“ – das sind Songs für die Ewigkeit!

2005: Abschlussfahrt. Du erlebst den besten Vollrausch deines Lebens in irgendeiner Disco in Malta, bekommst Ärger von der Polizei weil du auf offener Straße Bier trinkst und bangst mit deinen Klassenkameraden um euren Kumpel, der gerade im Begriff ist mit Russen über Fussball zu streiten. Alles ist beigelegt, ihr trinkt gemeinsam noch mehr Bier und dann kommt es: „Don’t Look Back In Anger“. Du reißt deine Hände in die Luft, singst mit, obwohl du den Song noch nie wahrgenommen hast. Zumindest nicht bewusst. Dadurch machst du dich beliebt. Bei den Engländern am nächsten Tisch, die wesentlich mehr vertragen als du, was du schmerzlich am nächsten Morgen bemerkst. Aber sie mögen dich und deine Kumpels, denn ihr singt mit ihnen OASIS. Auch wenn du ein bisschen Schiss vor Schläge hast – du bist gerade echt happy!

2009: Du hast dich noch immer nicht mit OASIS beschäftigt. Nicht so, wie man es tun sollte. Du kennst zwar alle Alben, kennst die Hits, bist bei den ganz großen sogar textsicher. Aber dann werden sie plötzlich beim Melt! Festival bestätigt, wo du ja ohnehin sein wirst. Deine Vorfreude wächst und wächst. Du weißt nicht einmal warum. Das war doch bislang nur so eine Band? Erneut verdrängst du dieses Gefühl, dich endlich mit der Band auseinander zu setzen. Und dann, dann ist der Abend da. Es ist bitterkalt, du bist stockbesoffen aber euphorisch. In atemberaubender Kulisse betreten OASIS die Bühne. Liam und Noel konntest du noch nie unterscheiden, aber wie der eine sich rhetorisch mit dem Publikum anlegt, das ist geil! Und auf einmal da geht es los. Hit an Hit. Das letzte, furchtbare Album wird gänzlich ausgelassen, OASIS gehen auf Nummer sicher. Die Show: Langweilig. Das Publikum: Gelangweilt. Zumindest die Deutschen. Mitsingen tut trotzdem jeder. Ein Set, so unsterblich wie eine Best-Of Platte. Sogar vom Publikum lässt du dich tragen, einfach, weil du es OASIS schuldig bist. Und dann, dann ist es rum. Du gehst, feierst noch ein wenig, schläfst deinen Rausch aus und berichtest am nächsten Tag, wie gut und doch enttäuschend das war. Als du daheim bist – alles vergessen.

2010: Du denkst über Bands nach, die du dir unbedingt mal anhören müsstest. Sachen, die von vielen vergessen wurden, die kaum Erwähnung finden, dabei aber alles geprägt haben. Du hörst SNAPCASE, du lauschst PATTI SMITH. Du hörst nochmal JAWBREAKER und auch HOLE. Und dann, dann kommt es dir wieder in den Kopf. OASIS!!! Du legst das zweite Album ein. „(Whats The Story) Morning Glory?“. Ein Album wie eine Best-Of. Besser haben sie nie mehr geklungen. Mehr Hits auf einer Platte vereint waren selten. Wer hätte bei „Cast No Shadow“ je gedacht, dass die Gallaghers sich hassen? Wer hätte bei „Champagne Supernova“ je gedacht, dass diese Herrschaft jemals endet? Wer hätte gedacht, dass Menschen die einen Song wie „Wonderwall“ performen, gleichzeitig solche Arschlöcher sind? Genau: Niemand! Aber heute, da will es jeder gewusst haben.

OASIS sind eine komplett zu Unrecht gehasste Band, die mehr erreicht hat, mehr textliches Talent aufweist und mehr Musik im Blut hat als die Meisten, heute ansatzweise, ähnlichen Bands. Danke OASIS.

1. Hello – 3:21
2. Roll With It – 3:59
3. Wonderwall – 4:18
4. Don’t Look Back In Anger – 4:48
5. Hey Now – 5:41
6. (Ohne Titel) – 0:44
7. Some Might Say – 5:29
8. Cast No Shadow – 4:51
9. She’s Electric – 3:40
10. Morning Glory – 5:08
11. (Ohne Titel) – 0:39
12. Champagne Supernova – 7:27

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Raphael

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