Plattenkritik

Opeth - Live In Convert At The Royal Albert Hall

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Release Date: 17.09.2010
Datum Review: 18.09.2010

Opeth - Live In Convert At The Royal Albert Hall

 

 

OPETH. Dieses Logo - ich erinnere mich - war es, welches als aller erstes meine Aufmerksamkeit für diese Band erweckte. Danach das übliche: Ein paar Plattenkritiken auf metal.de gelesen, nen paar Sachen auf YouTube gehört, Interesse geweckt bekommen und dann am nächsten Tag in den Saturn und „Blackwater Park“ eingetütet. Ihr schmunzelnt sicher jetzt schon, der Olivier erzählt wieder aus seiner ach so lange zurück liegenden Vergangenheit, ist dabei aber selber noch ein kleines Kind. Doch alles muss irgendwann mal anfangen, jeder – sei er noch so jung – hat seine Erinnerungen, und Momente der absoluten Überwältigung und Faszination bleiben Momente der absoluten Überwältigung und Faszination, sei die Person die sie erlebt 13 oder 87.

Mein Moment dieser Art, oder sagen wir einer dieser Momente war, ich glaube als ich so 14 oder 15 war, also vor etwa 4-5 Jahren: „Blackwater Park“ lief zum ersten Mal, war in gewisser Weise ein Blindkauf und ließ mich entsprechend nicht viel erwarten, oder zumindest erahnen. Und wie das bei Käufen dieser Art ist kann das ne Menge bewirken – zum Beispiel, dass man nach dem Hören sämtliche Idealvorstellungen davon, wie Musik am besten zu klingen hat, über Bord wirft. Was war das, was mich da erdrückte, und gleichzeitig an mich kuschelte, mich umarmte, mich irgendwo zwischen zerreißender Melancholie und himmlischer Intensität zurückließ? Songs, die im Durchschnitt 6-10 Minuten lang sind, virtuose, völlig von Grenzen „normaler“ Musik befreite Arrangements, ein noch nie in der Form zuvor gehörtes, einfach nur schönes Spiel zwischen den Kontrasten Dunkel (Growls + verzerrte Gitarren) und Hell (akustische Gitarren, klargesungene Vocals) und generell so eine ganz spezielle Atmosphäre, die sich durch das gesamte Album zieht und wo alles erst als Ganzes so richtig atmosphärisch wirkt, obwohl doch jeder einzelne Song für sich schon mit seiner Länge eine faszinierende Geschichte erzählt.

Mittlerweile weiß ich natürlich: OPETH sind nicht die einzigen die Grenzen überschreiten, andere Bands schreiben sogar noch viel längere Songs und generell sind noch andere Bands gekommen und haben ein wenig an meinem Weltbild gerüttelt. Doch so viele Bands ich auch gesehen habe, so viele Alben ich gehört habe: „Blackwater Park“ blieb für mich immer etwas besonderes – und das nicht nur, weil es meinen Musikgeschmack entscheidend in eine neue Richtung gelenkt hat. Die Art, wie OPETH Songs schreiben, die Art, wie Atmosphäre erzeugt wird, wie sich akustische Spielereien mit gewaltigen, absolut düsteren Klangwalzen abwechseln, und generell diese ganze Ästhetik hinter und in der Musik: OPETH bleiben etwas besonderes, etwas einzigartiges.

Das passt zu der Aussage eines Fans, welcher Sänger, Gitarrist, Gründungsmitglied und Songwriter von OPETH Mikael Akerfeldt auf der DVD „In Live Concert at the Royal Albert Hall“ als die Reinkarnation von Wolfang Amadeus Mozart bezeichnet. Laut ihm sei die Musik – wie die Mozarts – etwas völlig neues, noch nie zuvor dagewesenes, bei all dem aber immer noch eingängig und „hörbar“. Ach und die DVD…da war doch was?! Stimmt: OPETH veröffentlichten gestern wieder eine – ihre mittlerweile dritte sogar. Schnell kann da die Frage aufkommen ob man das Ganze braucht, ist doch „The Roundhouse Tapes“ gerade mal 3 Jahre und ein Album her. Akerfeldt bezeichnet den Auftritt in der Royal Albert Hall als ihren bisher größten, was als Begründung herhalten könnte, doch war nicht schon auch das Roundhouse groß? Aber OPETH haben Geburtstag – und immerhin ihren 20. -, da will man mal nicht so sein. Aber weil wir alle auch nur Opfer des Kapitalismus sind und jeder Euro gut angelegt sein muss, hier noch ein paar weitere Gründe, warum „In Live Conert at the Royal Albert Hall“ beim OPETH-Fan im Regal neben „Lamentations“ und „The Roundhouse Tapes“ stehen darf: Zum einem wäre da die „Opeth Evolution“, in der die Band je einen Song von jedem ihrer mittlerweile respektablen (und stilistisch mit jedem Mal aufs neue aufregenden) 9 Alben spielt. Desweiteren noch eine 40 minütige Tourdoku mit lustigen Menschen (OPETH-Keyboarder, Schnäuzer-Träger und verrückter Zwerg Per Wiberg, der Typ für den Sound und der deutsche Döner-Verkäufer stechen vor allem hervor), interessanten Einblicken ins Tourleben sowie sehenswerten Szenen von der Show in Essen in der Lichtburg, wo ja das komplette „Blackwater Park“-Album am Stück zu Besten gegeben wurde. Wer das verpasst hat kann auf dieser DVD zumindest den Auftritt in London davon sehen, welcher schließlich auch Kernstück der DVD ist, und wegen welchen ich auch vorhin so ausschweifend in Erinnerungen geschwelgt habe.

Und wem das alles noch nicht genug ist, bekommt obendrauf noch ein 40 minütiges Interview mit Mikael Akerfeldt. Oder – wer noch etwas draufzahlen will - ein 5-Disc-Set (statt 2) mit drei extra Live-Audio-CDs aller Auftritte. Im wiedermal üppiger, ausgefallener Aufmachung natürlich. Und wem DAS noch nicht reicht, kriegt die Audio-Geschichten statt auf CD auf Vinyl, inklusive eines 20-seitigen Booklets mit Fotos des Auftritts und der Band sowie anderen Artwork. Für noch mehr Draufzahlen, natürlich. Aber bleiben wir mal beim Interview, welches auch bei der Standardversion dabei ist: Hier beantwortet Mikael zwar Fragen, die mehr Standard eigentlich nicht sein könnten, tut dies aber in einer Ausführlichkeit und Entspanntheit, dass sich darüber wieder hinweg sehen lässt.

Viel Value fürs Money also, aber auch viel Money fürs Ausgeben wieder. So will Amazon für die normale Edition etwa 20, für das 5-Disc-Set 30 Euro, und wer das absolute Komplettpaket will, der zahlt bei EMP satte 80 Euro. Für manche wäre es aber nicht das erste Mal, für eine ganz spezielle Edition Unsummen zu zahlen, und viele werden es auch diesmal tun, denn: OPETH sind eine gute, nein einzigartige, und dazu noch unheimlich sympathische Band. Die Artworks sind jedes Mal schön, und: das alles ist Fanware, und viele Leute stehen eben auf all den Schnickschnack. Was die Standardversion betrifft: Selbst wer die beiden vorigen DVDs sein Eigen nennen darf kann zugreifen, wobei man dafür schon – gerade was die „Opeth Evolution“ betrifft – Fan sein sollte, um das Ganze im vollen Maß zu genießen. Oder sich nicht bei der wirklich pompösen Länge (welche ja auch bei der Standardedition so pompös ist) irgendwann langweilt. Für die gilt aber: Auch wenn die Auftritte und die Doku in Punkto Schnitt und Präsentation nichts besonderes, nicht spezielles sind, und auch wenn es generell nicht die erste OPETH-DVD (und dazu noch in dem Stile) ist: „Live In Convert At The Royal Albert Hall“ bietet Qualität wie Quantität und ist jeden seiner 20 Euros (oder mehr) auf alle Fälle wert.

P.S.: Wer die Hommage des Covers versteht, ist echt toll!

Tracklist, Set 1:

1. "The Leper Affinity"
2. "Bleak"
3. "Harvest"
4. "The Drapery Falls"
5. "Dirge for November"
6. "The Funeral Portrait"
7. "Patterns in the Ivy"
8. "Blackwater Park"

Set 2:

1. "Forest of October" (Orchid)
2. "Advent" (Morningrise)
3. "April Ethereal" (My Arms, Your Hearse)
4. "The Moor" (Still Life)
5. "Wreath" (Deliverance)
6. "Hope Leaves" (Damnation)
7. "Harlequin Forest" (Ghost Reveries)
8. "The Lotus Eater" (Watershed)

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Olivier H.

Autoren Bio

"They said, Do you believe in life after death? I said I believe in life after birth" - Cursed