Plattenkritik

P.O.S. - Never Better

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Release Date: 24.04.2009
Datum Review: 16.10.2010

P.O.S. - Never Better

 

 

Da der werte Kollege Olivier wieder verstärkt anfängt, Alben zu besprechen, die grob gesagt in das Schema Hip Hop fallen nehme ich dies mal zum Anlass, eine eigentlich längst überfällige Review zu einem meiner liebsten Alben der letzten Jahre zu schreiben.

Hardcore und Hip Hop sind sich ja bei Licht betrachtet gar nicht so unähnlich. Beides erwuchs zu weiten Teilen aus einem Mix aus Unzufriedenheit und dem daraus resultierenden Mitteilungsbedürfnis, beides ist in seinen Grundfesten eher simple Musik und doch so viel mehr als nur diese. Für viele vielmehr ein Refugium und eine kleine, von Tatendrang gleichsam wie dem Mut zur bewussten Abgrenzung durchsetzte Szene mit ihren eigenen Ritualen, Helden und internen Problemen und Widersprüchen. So gering auch auf den ersten Blick die Berührungspunkte auf musikalischer Seite erscheinen mögen, so sehr ist insbesondere in den letzten Jahren ein kreativer Befruchtungsprozess und das Aufbrechen von Genregrenzen zu beobachten.

So ist innerhalb des letzten Jahrzehnts ein eigener kleiner Mikrokosmos entstanden, der sich um Genregrenzen wenig schert und bei dem die eine Seite ebenso wie die andere sowohl gibt als auch reichlich empfängt. Das wohl perfekte Beispiel für diese ausgesprochen spannende Entwicklung stellt P.O.S. aus Minneapolis dar. Der ist nämlich nicht nur Rapper, sondern zugleich auch immer wieder mit seiner herrlich schrammeligen Band BUILDING BETTER BOMBS in DIY-HC-Gefilden unterwegs und war beispielsweise auch neben den überaus hörenswerten Brüdern im Geiste ATLAS auf dem aktuellen COMADRE-Mixtape vertreten. Fast schon nebenbei hat der Herr übrigens im letzten Jahr mit „Never Better“ eines der spannendsten, aussagekräftigsten und schlichtweg intelligentesten Hip Hop-Alben der letzten Dekade veröffentlicht, das seinen Punk-Spirit gar nicht erst zu kaschieren versucht, sondern offensiv damit hausieren geht.

Der große Verdienst dieses Albums ist vor allem der, dass hier Anspruch auf Andersartigkeit nicht um jeden Preis erhoben wird, sondern stets songdienlich vermittelt wird. Und diese Songs, sie leben. Nicht nur von P.O.S. markanter Stimme und seinen überaus reflektierten Texten, sondern vor allem auch von ihrer Untermalung, die oftmals so sehr ins Zentrum rückt, dass es sich hierbei um eines der wenigen Hip Hop-Alben handelt, bei denen man auch beim zwanzigsten Hören noch etwas neues entdecken kann. Stilistisch decken die Kompositionen der ohnehin überaus talentierten DOOMTREE-Produzenten und P.O.S. selbst dabei nahezu alles ab, auf was es sich irgendwie rappen lässt. Das kann dann auch einmal bedeuten, dass sich jazzige Drumrythmen mit noisigen Industrial-Parts vermischen. Zu verkopft wirkt hier dennoch nichts. Dafür sorgen schon die gerade im richtigen Maße kryptischen und doch stets glasklar erscheinenden Texte, die weder mit politischer Wut noch mit Zitaten und Verweisen (unter anderem auch auf die altehrwürdigen FUGAZI) geizen. Die Vermittlung übernimmt P.O.S. dann auch weitestgehend alleine und das so technisch anspruchsvoll wie auch sauber, dass einem Angst und Bange werden kann. Der Kerl kann alles: von fast schon lässigen Flowabfahrten ausgehend überspringt er sowohl Doubletime-Stolpersteine wie auch hochemotionale Gesangsparts mit Leichtigkeit. Das hier ist auf seine Art und Weise definitiv Soulmusik, nur eben angepasst an die Irrungen und Wirrungen der 2000er-Jahre und dabei selten um einen bösen Kommentar verlegen, aber zugleich auch nie an Lehrer mit erhobenem Zeigefinger gemahnend. „Never Better“ ist wohl das unplakativste politische Rapalbum, das mir je zu Gehör gekommen ist.

Sollte dann doch einmal Hilfe von Nöten sein, wird diese dankenswerter Weise auch nicht von irgendjemandem übernommen, sondern beispielsweise von der wie immer famosen DESSA, die beweist, dass sie nicht nur eine ausgesprochen starke Sängerin, sondern zudem eine pointierte und gleichsam philosophische Rapperin ist. Ihr Part auf „Low Light Low Life“ zählt mithin zum besten, was jemals über Agnostizismus und die Verfehlungen der Religion in Musik verpackt wurde.

„Never Better“ ist insgesamt ein Album, das als Blaupause dafür dienen kann, wie man heutzutage eine Hip Hop-Platte herausbringen kann, die sich nahezu allen eventuellen Erwartungshaltungen entzieht, ohne dabei auch nur einmal den Verdacht aufkommen zu lassen, auf Teufel komm raus einfach nur „anders“ sein zu wollen. Das hier ist so „real“ wie Musik nur sein kann, bar jeglichem aufgesetzten „Kunst um der Kunst willen“-Ethos und damit ein mahnendes Beispiel an all die Rapper dieses Landes, die meinen, dass Reimfreiheit und Fremdwörter allein schon Avantgarde bedeuten. Technisches Können, Inhalt und der Mut zur unpratentiösen Andersartigkeit lassen sich durchaus verknüpfen, es müssen eben nur Könner am Werk sein. „Never Better“ ist der beste Beweis.

Tracklist:

1. “Let It Rattle”
2. “Drumroll (We’re All Thirsty)”
3. “Savion Glover”
4. “Purexed”
5. “Graves (We Wrote the Book)”
6. “Goodbye”
7. “Get Smokes”
8. “Been Afraid”
9. “Low Light Low Life”
10. “The Basics (Alright)”
11. ”Out of Category”
12. “Optimist (We Are Not For Them)”
13. “Terrorish”
14. “Never Better”
15. “The Brave and the Snake”

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.