Plattenkritik

Paint It Black - Invisible

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Info

Release Date: 31.03.2013
Datum Review: 30.03.2013

Paint It Black - Invisible

 

 

Wie geht das mit dem Älterwerden und der Verantwortung? Wie bleibe (werde) ich ein guter Vater ohne Zeigefinger, ein Punk mit kritischem Blick, der nicht ins Ewiggestrige kippt? Wie vermeide ich diesen Muff, diese Kuttenhaftigkeit, die Punk einzig über Zeichen definiert und nicht über Haltung? Wie bleibe ich wütend aber schlau? Die Antwort liegt in der Dialektik des Titels der neuen PAINT IT BLACK-EP. Sichtbar bleiben. Dann kommt der Rest von selbst.

Das Gute während des Hörens einer neuen 7-Inch von PAINT IT BLACK? Die haben sich die ganzen wichtigen Gedanken schon vorher gemacht. Das, was David Foster Wallace einmal über den Ironiewahn der Postmoderne schrieb (und auf den sich die Band in 'D.F.W.' ganz explizit bezieht), ist hier quasi Leitmotiv: die Ironie ist das Lied des Gefangenen, der gelernt hat seinen Käfig zu lieben. Der Ironiker, der Zyniker, der Spieler mit Zeichen, Codes und Lächerlichkeiten schaufelt all jenen ihr Grab, die tatsächlich etwas verändern wollen. „Our chains rendered obsolete. Post-everything. Feel nothing.“ PAINT IT BLACK bleiben die ernsthafte Band, die sich damit nicht zufrieden geben will. Das kann rein von der Grundhaltung her fürchterlich anstrengend finden, wer möchte. Josh Agran, Andy Nelson, Jared Shavelson und Dan Yemin zimmern aus den Trümmern ihrer Wut einfach weiterhin den drahtigsten, wütendsten und dringlichsten Hardcorepunk (ein Wort), der ohne moderne Klischees zu haben ist.

PAINT IT BLACK bleiben also das gute schlechte Gewissen des Hardcorepunk. Das ist gut. Etwas anderes war auch nicht zu erwarten. Ihrer „wir-machen-jetzt-nur-noch-in-7-Inch“ Maxime folgend, gibt es sechs neue Songs, für die die Band tatsächlich fast fünf Jahre gebraucht hat, weil das Leben halt immer genau dann reingrätscht, wenn man sich gerade irgendwie eingegroovt hat. Den Songs und der Aussage tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: im direkten Vergleich mit der Vorgänger-EP "Surrender" wirkt "Invisible" ausgereifter in sämtliche Richtungen. Verhandelt das bereits erwähnte 'D.F.W.' große Thesen auf äußerst begrenztem Raum, kippt gar von einer Powerviolence-Haftigkeit in einen Reagan-Ära-Moment, lässt sich die Band in anderen Momenten deutlich mehr Zeit für das Aufschürfen der Knie anderer. 'Headfirst' ist mit Shavelsons Hammer(das Werkzeug)-Schlagzeug, ultraübersichtlichen Chören, Sturm-und-Drang-Gitarren und seinem LIFETIME-auf-Anabolika-Finale (Dan Yemin bleibt stimmlich halt doch oft Grobmotoriker) ziemlich nah dran am perfekten PAINT IT BLACK-Song.

Das für diese Band obligate Politische macht jedoch beizeiten gerne Platz für Privates. 'Little Fists' entgeht der Kitschfalle, gerade weil es Vaterschaft, Weltängste und gesunde Hilflosigkeit zum Thema hat und Dan Yemin den Song unmittelbar an seine Tochter adressiert. Weil Yemin weiß, dass bestimmt nicht immer alles glatt läuft und das gut so ist. Die Stärke, das Beste aus einem Song vor allem in den letzten Sekunden herauszuholen, zeigt sich auch hier. 'Invisible' schließlich wirft sich in seinen personalisierten Yemin-rant („And if I don’t make any sense to you, well, I never really wanted to. Through fictions fed & feelings misconstrued, at least I know my aim is true.”), schrägt seine Gitarren ordentlich an und weiß gegen Ende trotzdem, dass zumindest im Subtext ein wenig Hoffnung stecken muss. Folgte hierauf in diesem Jahr ein neues Album von LIFETIME, wir ließen zumindest ein bisschen Sonne in unsere verbrämten Herzen.

Trackliste:

01. Greetings, Fellow Insomniacs
02. Headfirst
03. Props for Ventriloquism
04. Little Fists
05. D.F.W.
06. Invisible

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René

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