Plattenkritik

Seila Chiara - Rive

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Release Date: 17.02.2012
Datum Review: 25.04.2012

Seila Chiara - Rive

 

 

Schubladen zu finden, ist nicht immer einfach. Dabei könnte es ein Leichtes sein, eine Band irgendwie musikalisch zu kategorisieren. Schublade auf. Schublade zu. Der Drops ist gelutscht. Bei SEILA CHIARA aus Lyon lässt sich das aber nicht so leicht regeln. Vielleicht will man auch gar nicht in eine Schublade passen. Wieso auch? Die Freiheit, das zu machen, wonach einem gerade ist, sollte sowieso das höchste Gut sein, welches Musik und jene, die sie spielen, für sich beanspruchen sollten.

Und doch, man kann sie irgendwie kategorisieren. Nur nicht mit einem Wort. „Rive“ ist klassisch, fast nostalgisch, dann wieder so modern und jazzig, knallhart (auf ganz eigene Art und Weise) und im gleichen Moment wieder samtweich. Herzzerreißend und dann wieder gefrierend – zumindest für das Blut in den Adern. SEILA CHIARA spielen altmodisch modernen Screamo oder zumindest eine Abart davon. Sie spielen Hardcore der Generation Post. Und dann doch einfach nur wieder Indie. Schräger Gesang, mal ein Flüstern, mal hohes Gekreische. Struktur? Keine Spur. Das ist Dynamik. Songs, die sich entwickeln. Von einem Nichts zu einem Opus.

„Katie, Bar At The Door“ klingt nach LACK (falls die überhaupt noch wer kennt), „Smitten Kitten“ hingegen verdächtig nach At The Drive-In (die kennt mittlerweile wieder jeder). Das sind Songs mit großen Momenten. Den Melodien am richtigen Platz und dem Bruch an der richtigen Stelle – nämlich da wo es niemand erwartet. Texte vorgetragen wie das absolute Leid, mit einer Träne im linken und einem schelmischen Grinsen im rechten Auge. Oder andersrum. Irgendwie so muss es sein. Das Herz wird dabei auf der Zunge getragen. Klar und deutlich. Die aber wirklich überlebensgroßen Momente warten auf „Rive“ in den Stücken die ganz eigen klingen. „Gaea“ ist eines davon. Schleppend und schwer in Jazz und Blues verliebt, schwingen die Gitarrenklänge durch die Boxen, während einem eine Geschichte erzählt wird. Der Sound wird eindringlicher, die Gitarren lauter, ohne dass der Song an Geschwindigkeit zunimmt. Die Instrumentierung härter, der Rhythmus bleibt der gleiche. Das bedrückende Gefühl im Brustkorb verstärkt sich, bis es heißt: „And while we stood there, struck by our sick absurdity, you struck yourself and killed us all“ und wieder Ruhe einkehrt.

„Rive“ ist eine dieser Perlen, die wahrscheinlich lange Zeit unentdeckt bleiben wird. Vielleicht auch niemals das Maß an Aufmerksamkeit erlangen wird, welches sie verdient hat. Warum das so ist? Hier wird nicht die Masse bedient. Das wäre zu einfach. Einfach geht immer, komplizierter aber auch. Und so mancher Text, so manche Idee möchte vielleicht nicht simpel verpackt werden. Das haben SEILA CHIARA erkannt und schicken einen hier auf die Reise durch sieben kleine, aber mehr als feine Glanzleistungen, wie man sie in der heutigen Musiklandschaft und Massenabfertigung schwer vermisst, weil sie einfach nur ehrlich sind. Sehr schön.


Tracklist:

1. Smitten Kitten
2. Fatuity Fair
3. The Mutiny Of All Your Gestures
4. Gaea
5. White Elephants
6. Katie, Bar The Door
7. Fine

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Alex G.

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