Plattenkritik

Stattmatratzen - Egoshooter

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Release Date: 28.01.2011
Datum Review: 17.12.2010

Stattmatratzen - Egoshooter

 

 

Lady Gaga, Judith Holoferes, Christina Aguilera, was die Musikwelt aus Frauen macht, ist eindeutig. Was Frauen aus sich machen lassen auch. Oder sie haben was im Kopf, aber dann machen sie seltener Musik. STATTMATRATZEN tragen zwar keine Latzhosen, haben aber trotzdem was in der Birne UND können Musik machen. Sowas trifft man im Bereich der Musik doch eher selten. Schauen wir der Realität ins Gesicht. Die starken Frauenplatten in meinem Regal kann ich an einer Hand abzählen. (Wem es anders gehen sollte, der kann sich gerne zum konspirativen Austausch bei mir melden.) Vielleicht sind die STATTMATRATZEN aber auch schon die Töchter der Riot- Grrrls, die jetzt auch länger raus dürfen. Die Doppeldeutigkeit des Bandnamens muss ich mich an dieser Stelle hoffentlich nicht näher erläutern.

STATTMATRATZEN legen jedenfalls hier mal wieder den Glanzbeweis hin, dass Frauen immer noch verflucht wütend sein können. Kritik mit Köpfchen und breitgefächert äußern können. Das reicht von allgemeiner Gesellschaftskritik, Konsumgeilheit bis hin zu dem Kerl der gerade in die Bettdecke furzt. Sie gehen aber auch mit dem eigenen Geschlechtsgenossen nicht gerade sanft ins Gericht. STATTMATRATZEN verbalisieren ihren Hass gegen die Tussis dieser Welt im feinsten rheinischen Breitendialekt: “Mänschmänsch, Mädsche, du könntest alles sein.” Aber dann darf frau sich eben auch nichts mehr sagen lassen. Außer oben genannten Satz. Auch wenn das dann temporär etwas ungemütlich werden könnte. Die hier vorgestellte Band kommt übrigens aus Berlin.

Alle mit einbeziehen, alle angehen. Hier bekommt jeder sein Fett weg. Auf gute alte Punktradition. Und dabei kann man sie durchaus ernst nehmen. Was anderes lassen sie auch gar nicht zu. Denn was auf Egoshooter produziert wird, verfügt definitiv über Nachdruck und Ernsthaftigkeit. Hier sind die neuen BIKINI KILL mit noch mehr oder neuer Kraft. Feinste Punkrocktradition aufrecht erhalten. Köpfchen, Anti, Chöre, Triebkraft, Argumentationen, Reime, die auf keinen Fall ins Lächerliche abdriften.

Musikalisch Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang. Tempo, Offbeat, keine einzige Schnulze, Pittauglichkeit attestiert. Die TERRORGRUPPE hatte in Person von Archi Alert in der Produktion die Finger mit im Spiel. BIKINI KILL wurden bereits erwähnt. Braucht es mehr Michelinsterne in der musikalischen VoKü?

Mädchen in der Musikszene geben sich ja gerne mal niedlich, gelten vielleicht als schmückendes Beiwerk, aber eine richtige Ernsthaftigkeit kommt ihnen selten zuteil. STATTMATRATZEN entgehen dem ganz offensiv, in dem sie ihren Standpunkt klar, laut und keineswegs quietschig benennen und vertreten. Vorhang auf für eine weitere Hoffnung am Horizont auf dem Weg zum Durchbruch von Homosozialiät und Heteronormativität! Schade irgendwie auch, dass es das immer noch braucht. Aber solange diese Hoffnung so gut klingt, brauchen wir vielleicht auch noch die Ungerechtigkeiten als anständige Hassobjekte und zum Fortbestand dieser Kultur.

Tracklist:
1.Klartext
2.Schocken
3.Geschmack
4.Sensationelle Neuigkeiten
5.Hey, was ist mit den Leuten
6.Kopfsalat
7.Fütter dein Ego
8.Illusion vs. Realität
9.Kein Risiko
10.Konsumgeil
11.Alles sein
12.Overdressed
13.Blumen für Mutti
14.Mach das Fenster auf

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Jule

Autoren Bio

wäre gern teil einer postfeministischen emopunkband/ verbalprimatin/ kuchenveganerin/ ich kann mir keine songtitel merken, selbst die meiner lieblingssongs vergesse ich.../ ich bin nicht betrunken, ich bin immer so/ fraujule.blogspot.de