Plattenkritik

The Ghost Inside - Get What You Give

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 15.06.2012
Datum Review: 20.06.2012

The Ghost Inside - Get What You Give

 

 

Aufgeben, fallen lassen, ignorieren – so etwas hat seine Heimatstadt Los Angeles Jonathan Vigil nicht gelehrt. Vielmehr hat sie ihm den bitteren Geschmack des wahren Lebens mit in seinen Frühstücksbeutel gepackt. Doch als einer von vielen, denen das Schicksal einen Streich zuviel spielt(e) und deren Alltag nicht auf Zuckerwatte gebettet ist, weiß Vigil zumindest seinen dunklen (inneren) Geist laut und deutlich zurechtzuweisen.

THE GHOST INSIDE – genau – das Ventil und die Band von Vigil, an der sich prüfende Blicke die Zähne ausbeißen. Deren Musik die Scrollbalken der Kommentarseiten auf eine Winzigkeit schrumpfen lässt. Und deren Alben „Fury And The Fallen Ones“ im Jahre 2008 und „Returners“ zwei Jahre später bereits für kochende Tanzkessel und glühende Lautsprechermembrane sorgten. Neben der schlichten Einsicht im Titel und dem schneebedeckten Cover-Koloss aus düsteren Tiefen spiegelt „Get What You Give“ vor allem die befreite Power und die nüchterne Dynamik wieder welche die kalifornische Hardcore-Band über die letzten zwei (Tour-)Jahre weltweit einheimste.
„This Is What I Know About About Sacrifice“ marschiert somit direkt ins Gesicht und macht die ersten neunzig Sekunden des Albums zur Caprisonne unter einem 40-Tonner. THE GHOST INSIDE werden auch unter Jeremy McKinnons (A DAY TO REMEMBER) Fittichen nicht zur Reinkarnation ihrer selbst – oder schlimmer noch: ihres Genres. Sie schauen bloß auf eine gute halbe Stunde vorbei und verteilen großzügig Erfrischungstücher, an die Nachrichten voller Hoffnung und Selbstbewusstsein, aber auch einige grelle Farbflecke geheftet sind. „Dark Horse“ heißt eines davon und bittet trotz blank radiertem Chorus um Einlass. „Slipping Away“ hingegen hat nicht soviel Anstand: Mit seinen sorgfältig ausgewählten Zutaten Aaron Brooks, Jim Riley, Zach Johnson und Schlagzeuger Andrew Tkaczyk prügelt, spannt, drückt und mosht Vigil zusammen, was er selbst im Jahre 2012 den „true sound“ seiner Band nennt.

Garstig knüppelt „Outlive“, bullig schnauft „The Great Unknown“ - und deutet in der Gesamtheit der elf Songs textlich in eine (neue) persönlichere Richtung (das Album ist dem verstorbenen Bruder Vigils gewidmet), obwohl sich in Songs wie „Engine 45“ aufklarende Melodiemomente ihrem Publikum stellen.
Ob jenes letztlich besserwisserisch schimpft, schweigend die Mundwinkel verzerrt oder sich vor lauter Ansporn gorilla-artig auf der Brust rumtrommelt interessiert THE GHOST INSIDE genauso wenig, wie der Gesundheitszustand des Bassdrum-Fells nach dem Intro zu „Face Value“ (auf dem sich auch COMEBACK KID-Sänger Andrew Neufeld die Ehre gibt).
Zeit zum Runterfahren, in sich gehen oder entspannen lassen die Kalifornier erst nach Ausfaden von „Test The Limits“ - dessen Titel unter Augenzwinkern das eben Gehörte zurechtrückt. Was „Fury And The Fallen Ones“ musikalisch und „Returners“ charakterlich in die Magenkuhle drückten, presst „Get What You Give“ bloß weiter und tiefer hinein.
Nur vermag es mittlerweile einer reiferen Hand, die THE GHOST INSIDE zu Album Nummer drei – und somit zum Handeln statt zum Stottern inspiriert hat.

Trackliste:

01. This Is What I Know About Sacrifice
02. Outlive
03. Engine 45
04. Slipping Away
05. The Great Unknown
06. Dark Horse
07. White Light
08. Thirty Three
09. Face Value
10. Deceiver
11. Test The Limits

Autor

Bild Autor

Moppi

Autoren Bio

Alt, langweilig, tierlieb.