Plattenkritik

The Kissaway Trail - Sleep Mountain

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Release Date: 12.03.2010
Datum Review: 10.03.2010

The Kissaway Trail - Sleep Mountain

 

 

Es gibt einen Moment auf DEATH CAB FOR CUTIEs Albumgroßtat „Transatlanticism“, genauer: dessen Titeltrack, an dem die Spannung bis ins Unermessliche gesteigert wird, die Stimmung immer kurz vor der großen Explosion zu stehen scheint, um dann in diesem unglaublichen Feuerwerk der Gefühle auf den Hörer niederzuprasseln. „I need you so much closer“ in Endlosschleife und dann: „So come on“, getragen von einem Chor, der in die Hunderte zu gehen scheint. Perfekter kann man die ganz großen Gefühle kaum inszenieren. THE KISSAWAY TRAIL versuchen es trotzdem. Und gewinnen dabei nicht nur, sondern liefern nebenbei noch das bislang beste Album des zugegebenermaßen noch recht jungen Musikjahres ab.

Jeder einzelne auf „Sleep Mountain“ vertretene Song ist eine kleine Oper mit dramaturgisch fulminantem Aufbau und mindestens einem großen bis bombastischen Ausbruch. Hierbei jedoch nie berechnet und erst recht nicht nach Schema F gestrickt, sondern stets eine eigene kleine Parallelwelt für sich, die zu erforschen sich nicht nur lohnt, sondern ein regelrechtes Muss darstellt.

Dabei erfinden die fünf Dänen die Musikwelt zu keinem Zeitpunkt neu, hinterlassen jedoch an jeder Ecke ihres Streifzugs durch die letzten dreißig Jahre Popgeschichte einen neuen Anstrich. THE KISSAWAY TRAIL sind eine Band der Details, dabei jedoch nie verkopft. Sie vertonen ihr Emotionskarussel immerzu mit der gebotenen Vorsicht, nehmen sich lieber mal zurück, anstatt frontal auf den Hörer zuzustürmen. Ausbrüche gibt es dennoch genug und die Instrumentierung ist mehr als reichhaltig. Kein Song gleicht dem anderen, jeder folgt seiner ganz eigenen Geschichte.

Man höre sich nur mal stellvertretend die aufeinander folgenden „Don't Wake Up“ und „Friendly Fire“ an. Während ersteres mit seinen Akkordeonklängen gleich zu Beginn gemessen am Rest des Albums mit der Tür ins Haus fällt, nur um sich dann ab Minute drei zurückzunehmen und völlig gesanglos ins Ziel zu marschieren, konzentiert sich die Band im folgenden Stück darauf, dem einen großen Höhepunkt entgegen zu steuern, nur um ihn dann völlig bewusst um ein paar Meter zu verfehlen.

Hier sind Könner am Werk, die ganz genau wissen, was sie dem Hörer zu welchem Zeitpunkt schulden, es sich aber auch mal erlauben, ihm nicht jeden Wunsch gleich mit Kniefall zu erfüllen. Das erhöht die Spannung im Albumkontext ungemein, zumal „Sleep Mountain“ nun wahrlich nicht arm ist an Hits und großen Momenten ist und damit meilenweit von intellektuellem Muckertum entfernt ist.

THE KISSAWAY TRAIL beweisen auf ihrem zweiten Album, was für großartige Musik herauskommen kann, wenn man einerseits als Band keine falsche Bescheidenheit walten lässt, andererseits aber auch immer darauf bedacht ist, nicht gleich immer dem ganz großen Pomp und Bombast zu verfallen, der beispielsweise den durchaus artverwandten ARCADE FIRE stellenweise die nötige Luft zum Atmen nimmt. Hier sitzt jeder Ton, jedes Instrument und jede Gesangslinie an der haargenau richtigen Stelle und es müsste schon verdammt ungerecht zugehen, wenn die Dänen nicht den gebührenden Respekt für diese Meisterleistung ernten. Ein früher Anwärter auf das Album des Jahres 2010.


Tracklist:

1. „SDP“
2. „Painter“
3. „New Year“
4. „Don't Wake Up“
5. „Friendly Fire“
6. „Prelude“
7. „Beat Your Heartbeat“
8. „Philadelphia“
9. „New Lipstick“
10. „Pharaohs and Kings“
11. „Enemy“
12. „Three Million Hours“

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Manuel F.

Autoren Bio

Eher so der Kumpeltyp.