Plattenkritik

The Love Dictators - Discoballs

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Release Date: 24.12.2009
Datum Review: 28.01.2010

The Love Dictators - Discoballs

 

 

Ich mache das hier ja nicht erst seit gestern. Ich habe ELLI besprochen. Und KNUCKLEDUST. Und HOLLYWOOD UNDEAD. Ich bin ein alter Hase des geschriebenen Wortes bezogen auf höchstrelevante Veröffentlichungen. Ich mache das hier alles nicht zum Spaß. Ich bin Kritiker. Ab und zu jedoch gewinnt die Band. So halbwegs zumindest.

Steckt euch eure Pseudo-SPEX-Rezensionen doch in den Arsch. Es gibt Alben, an denen perlt poptheoretisches Geschwurbel ab, wie Gefühl an den Produktionen von Adam D. Und nein, was könnte man jetzt schreiben von wegen aufladen, umkreisen, zusammendenken sich abarbeiten und ähm Subtext. Hier Adorno (für den Kulturpessimismus) zitieren, dort Butler (für den Genderkram), das Ganze mit ein bisschen Freud garnieren (für den Sexquatsch) und alles wieder mit Žižek geraderücken. Aber nein, lieber Freund der gepflegt subtilen Tanzmusik. So läuft das hier nicht.

THE LOVE DICTATORS nämlich sind cleverer. So wie John Doe in Se7en. Oder halt verflucht dämlicher. So wie Mario Barth in noch schlechter. „Discoballs“ in all seiner raumgreifenden Subtilität ist das vertonte Unbehagen einer Dauererektion. Der Endzeitsoundtrack für das Feministinnenbootcamp. Zitierwürdiger als jede HATEBREED Platte. Die drei Protagonisten DJ Vibeseeker, Sergeant Sergei und Mary O.D. kokettieren einerseits mit einem partiellen Fake-Homo-Image sind nach vorne raus jedoch die Pussy-Disziplinierer vor dem Herrn. „Virgin hunting soviet prime corps“ eben. Der General mit massig Pflaum unterm Kinn, der Euroboy-Lookalike und der schmierige Bosporusstecher inklusive Kajal (sozusagen als postrassistisches Klischee im Klischee) machen aus der Disco jedenfalls ein Schlachtfeld der bewusst emotionsfreien Liebe. Die gewählten Waffen: Kirmestechno, Eurodance 2.0, Russendisko, Liebeskasperlyrik, Propagandaplakatoptik und faschistoide Irgendwasästhetik. Musik für Menschen, die beim Bund lässig booty shakend unter der Dusche die Seife aufheben. „She will bring me beer, and milk me, too (!!!). She is to obey. Else I beat her blue.“ Oder: „Sneaking through black darkness, silence is around, daddy not at home tonight, your scream the only sound.” Letzteres könnte mit Krümmelmonsterstimme vorgetragen glatt als CANNIBAL CORPSE Elaborat durchgehen. Hey, der Song heißt schließlich „De-Virginator“. Untermalt werden diese hyperpotenten Fick- und Zähmungsphantasien immer wieder von Ballermannbeats (DIY, Baby…), Synthieflächen (dicker als die letzte EDITORS) und massig klangmanipuliertem Gesangsschmalz. Das ist im Kern natürlich subtiler Genderhumor, eigentlich apolitisch wie Schlumpftechno, der beim Plattentitel anfängt, sich in der phänotypischen Verkörperung russischer wie Teutonenimages fortsetzt und mit der gut durchdachten Befindlichkeitsprosa noch lange kein Ende findet. Oder ist das jetzt zu hochgegriffen? Ein bisschen spießig und schade ist das dann ja schon irgendwie, wenn die LOVE DICTATORS die Auflösung im Booklet gleich mitliefern: „Please understand that the lyrics are intended to be funny, satirical and entertaining. We love women. Really.“ Nun, etwas anders hätten wir nach diesem Meisterwerk des Post-Trash auch nicht erwartet. Der Vocal Coach nämlich war: eine Frau. Das ist so eine Platte, die entweder zehn oder gar keine Punkte verdient. Ich bin da jetzt mal brutalwillkürlich, teile zehn durch zwei, ziehe davon drei ab und rechne einen Bonuspunkt dazu. Macht dann unterm Strich drei Punkte oder so. Ich habe gehört die Typen von der SPEX schreiben gar keine richtigen Rezensionen mehr. „Oh, baby, touch my discoballs.“

Tracklist:

01: From The Cradle To The Dancefloor
02: The Love Dictators
03: De-Virginator
04: Disco Balls
05: Soviet Power
06: This Is Love!
07: Show Me Your Sister
08: Dear Diary
09: Groove Of Love

Autor

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René

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There is plenty to criticize.