Plattenkritik

The Strange Death Of Liberal England - Drown Your Heart Again

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Release Date: 22.10.2010
Datum Review: 12.11.2010

The Strange Death Of Liberal England - Drown Your Heart Again

 

 

Das Meer ist dem Menschen wohl noch auf lange Sicht der zugleich unbekannteste und sagenumwobenste Teil der Erde. Und was der Mensch nicht kennt und was er noch nicht vollends in seine Gewalt gebracht hat, davor hat er zumeist Angst. So auch die Briten von THE STRANGE DEATH OF LIBERAL ENGLAND. Könnte man jedenfalls meinen und es wird wohl kaum eine Review zu diesem Album auskommen, ohne dass das nasse Element und seine negativen Schattenseiten in einer oder anderer Form Erwähnung findet. Sie machen es einem aber auch einfach. Schon allein die Songtitel: ein „Lighthouse“, das einem den Weg weisen muss, die „Rising Sea“, die sich zwischen zwei Menschen metaphorisch auftürmt und dergleichen mehr. Dazu muss man aber sagen: die Herren und die Dame dürften wissen, wovon sie da singen und was sie in orchestraler Breite auch musikalisch vertonen. Schließlich stammen sie aus Portsmouth und das liegt, wie der Name schon andeutet, am Meer. Soll ja vorkommen auf einer Insel.

Was man aber über all diese scheinbare Vorhersehbarkeit und simples Zusammenzählen von Eins und Eins nicht vergessen sollte: „Drown Your Heart Again“ ist ein ganz und gar großartiges Album. Jedenfalls dann, wenn man eine gewisse Affinität zu großen Gesten und einem gerüttelt Maß Pathos hat. „I leave with my heart but get lost in my head“ intoniert ein mächtig leidender Sänger da und man kommt nicht umhin, auch seiner Band zumindest einen gewissen Perfektionismus zuzustehen. THE STRANGE DEATH OF LIBERAL ENGLAND geben sich ganz sicher nicht mit Kleinigkeiten zufrieden. Da muss schon ein ganzes Orchester her und zwar in fast jedem Song. Wer jetzt schon beim Gedanken daran Schüttelkrämpfe bekommt, der braucht gar nicht mehr weiter zu lesen. Für alle anderen: diese Band hat das Zeug, schon sehr bald ARCADE FIRE als Lieblingsband in diesem Bereich abzulösen. Die mögen einen Sound zwischen Folk, Pop und Rock mit Orchesterpomp vielleicht kultiviert haben, dafür haben die Briten ihnen aber vor allem einen weitaus größeren Hang zu ganz großen Refrains und unmittelbarerer Gefühlsvermittlung voraus. Ja, „Drown Your Heart Again“ springt einen regelrecht an und brüllt gar mächtig laut „ich will gehört werden“. Und womit? Mit Recht. Wenn es dieses Jahr eine Band geschafft hat, sich im Pathos regelrecht zu suhlen und dabei trotzdem unvermittelt auf die Emotionen des Zuhörers einzuwirken, dann wohl diese.

Ja, die Briten sind eine Band mit mächtig großer Angriffsfläche. Viele werden ihnen ankreiden, durch bloßen Bombast auf die Tränendrüse zu drücken und sich nicht mit Kleinigkeiten zufrieden zu geben. Kann man auch wenig dagegen sagen, stimmt wohl. Nur funktioniert es eben so verflucht gut. So gut, dass ich mal prophezeie, dass diese Band in den nächsten Jahren wohl trotz latent sperrigem Namen mehr als nur ein Wörtchen mitzureden haben wird, wenn es darum geht, wer denn hier das Sagen hat im Orchesterpop der Gegenwart. Die Songs dafür haben sie jetzt schon und die Hooks sowieso. Wunderbares Album für diejenigen, die so etwas eben vertragen und dazu noch ausgesprochen süchtigmachend. Da hatten THE KISSAWAY TRAIL wohl doch nicht das definitive Album des Jahres in diesem Bereich veröffentlicht. So darf es gerne weitergehen.

Tracklist:

01. „Flickering Light“
02. „Flagships“
03. „Rising Sea“
04. „Curtain Falling“
05. „Lighthouse“
06. „Autumn“
07. „Shadows“
08. „Come On You Young Philosphers“
09. „Yellow Flowers“
10. „Dog Barking At The Moon“

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Manuel F.

Autoren Bio

Eher so der Kumpeltyp.