02.05.13: Idle Class, PJ Bond, KMPFSPRT, Apologies, I Have None, Nothington - Münster - Skaters Palace

02.05.0013
 

 

Donnerstagabend, der Frühling hat sich mittlerweile zurückgemeldet und der Onkel lädt ein zur familiären Punkrock-Sause. Wie kann man da widerstehen? Das Münsteraner Punkrock-Label UNCLE M hat es sich nicht nehmen lassen für seinen einjährigen Geburtstag ein hochkarätiges Lineup hervor zu zaubern und damit an diesem Abend die Menschen so zahlreich ins kuschelige Café des Skaters Palace zu locken, dass dieses fast aus allen Nähten platzt. Ausverkauft. Es ist noch früh als wir ankommen, aber es haben sich bereits einige Menschen zusammengefunden und treiben in gelöster Stimmung vor dem Eingang in der Abendsonne. Zwischen selbstgedrehten Zigaretten und Flaschenklimpern werden Hände geschüttelt, sich herzlich umarmt, Geschichten ausgetauscht, alte und neue Freunde finden zusammen. Viele vertraute Gesichter sind zugegen - Münster ist eigentlich auch nur ein Dorf. Die einen noch erschöpft vom gehetzten Arbeitstag, die anderen gerade aufgestanden. Die Stimmung ist entspannt und ich werde bis ich ins Bett falle vergessen, dass das Wochenende noch gar nicht angefangen hat.

Die Sonne genießt draußen noch ihren Feierabend und klaut den Scheinwerfern drinnen ihren Auftritt. Outdoor-Festival-Feeling mit Industrie-Charme.

Bühnenlicht an und die Lokalhelden des Abends machen sich bereit: Idle Class. Die Band gibt es erst seit rund eineinhalb Jahren, doch was sie in dieser Zeit alles erreichen konnte hat entsprechende Aufmerksamkeit auf sie gezogen. Im Juli 2012 veröffentlichten sie zunächst ihre EP „Stumbling Home“ in Eigenregie, vom Bassisten Josua Rieber liebevoll gestaltet und hand-gesiebdruckt, die CD gespickt mit 5 frischen Punkrock-Songs, die man laut vieler Pressestimmen eher aus US-Gefilden vermutet hätte. Das hat Eindruck gemacht, auch beim schwedischen Label Blackstar Foundation. So folgte wenige Monate später ein Release auf Vinyl, wieder mit tollem Design, Detailliebe, goldener Siebdruck auf der B-Seite – eben was für Sammler und Liebhaber. Da die Münsteraner aber keineswegs so faul sind, wie es ihr Name vermuten lässt, ließen die Jungs im April verlauten, dass sie bereits am 31. Mai ihr Debütalbum „The Drama's Done“ veröffentlichen werden, gepaart mit einer ausgedehnten Tour. Der heutige Abend: einer der Auftaktshows der Tour und der Anfang einer einfach guten Zeit.
18:30 Uhr: Stefan, Tobias, Josua, Daniel und Benny betreten die Bühne. Menschen drängeln sich nach vorne, Becher wechseln noch schnell den Besitzer gegen Bares. Die ersten Akkorde erklingen und der Abend beginnt. Die Jungs preschen gut nach vorne und hauen uns neben bereits bekannten Songs der EP wie „New Shores“, „Elephant & Giraffe“ oder „Johnny B.“ auch einige neue Songs des anstehenden Album um die Ohren. Dass bei letzterem Song ein Part auf der EP von Atlas Losing Grip Sänger Rodrigo Alfaro eingesungen wurde, weiß Sänger Tobi heute Abend gekonnt auszuloten. Fäuste gehen in die Luft, immer wieder werden einige Zeilen mitgesungen und die Band nimmt es dankend an. Idle Class machen alles richtig. Vielleicht etwas geschafft, durch die vorherigen Tage und Shows mit Polar Bear Club und The Flatliners, prügeln sie sich mit Leidenschaft, Schweiß und Spielfreude durch ihr Set und geben Momente zum Durchatmen. Auch wenn das Publikum zu diesen Zeitpunkt noch eher observierte, ankommen musste und Bewegung sich auf Kopfnicken beschränkte, sie dürften heute Abend zum einen einige neue Fans hinzugewonnen und zum anderen bewiesen haben, dass die Songs von „The Drama's Done“ live schonmal mehr als gut funktionieren. Wer noch nicht genug bekommen hat, kann das neue Album heute Abend bereits auf CD erwerben.

Apropos kaufen: direkt nebenan in der Skate-Halle stehen heute Abend neben den Bands mit ihrem Merch auch tolle Stände der Lebenshilfe e.V., Fairtrademerch, PETA2, SkateAid und UncleM selbst und bereichern damit den Abend. Man merkt direkt, dass heute Abend das Miteinander im Vordergrund steht. Eine Runde Sache eben. Und genau diese Stimmung nehmen die Menschen heute Abend dankend auf und vermischen sich zu einer großen familiären Geburtstagsmeute.


Der Abend steht ganz im Zeichen einer intimen Geburtstagsparty. Was könnte es da also besseres geben, als die entspannte Stimmung aufzugreifen und mit PJ Bond aus New Brunswick, New Jersey den Abend weiterzuführen? Der hierzulande scheinbar noch recht unbekannte Songwriter war bereits im vergangenen Jahr in Münster zu Gast und spielte bei The Menzingers in der Umbaupause ein wundervolles Set und bereicherte den Abend. Meiner Meinung nach schaffte er es live damals mehr zu überzeugen, als auf Platte. Umso mehr bin ich gespannt, ob sich dieser Eindruck heute wiederholen kann. Für die, die ihn nicht kennen, eines vorweg: Für die Whiskey-Stimme sind heute Abend andere zuständig. Momentan ist er auf ausgedehnter Tour, noch vor wenigen Tagen spielte er auf dem Groezrock-Festival in Belgien. Heute also in beschaulicher Club-Atmosphäre.
Während auf den Alben seine Songs teils mit Schlagzeug und Background-Vocals die nötige Energie bekommen, weiß PJ heute Abend genau das mit purer Sympathie auszugleichen und wird dezent von seinem Kollegen unterstützt. Songs wie „I'm in a bad way“ oder „Savannah“ seiner „22, April: Vienna, Austria“-Session, aber auch „Grow Your Smile Wide“, genau wie „Stop being bad“ der Split „Brother Bones/Baby Bones“ zusammen mit seinem Bruder überzeugen und PJ's Stimme holt die Abendsonne in den Club und berührt. Auch die Jungs von Apologies, I Have None stehen vorne und feiern ihn.


Eine Umbaupause und ein kurzer Schnack beim Merch später, geht es gnadenlos weiter im Programm mit KMPFSPRT.
Die Band findet ihre Wurzeln in damals großartigen Kölner Vorzeigebands und setzt sich zusammen aus den Meyer-Brüdern von Fire In The Attic, Schlagzeuger Max von Days In Grief und Gitarrist David (Buch: „The Tokyo Diaries“). Ohne Umschweife wird dem Publikum ein dickes Brett vor den Latz geballert. Der Sound ist fett, die Jungs haben Bock. Die ersten Songs reißen mit. Doch nach kurzer Zeit stellt sich bei mir so ein Gefühl ein. KMPFSPRT scheinen heute Abend nicht ganz so gut ins Line-up zu passen. Der Raum ist gut gefüllt. Trotzdem ist es nach wie vor noch recht früh und viele Leute werden es auch erst zu Apologies, I Have None schaffen anzukommen. Dennoch nutzen während des Sets von KMPFSPRT so einige der bereits anwesenden Leute die restlichen Sonnenstrahlen, um Kraft zu tanken für die noch anstehenden Bands. Auch ich sehe die Band heute das erste Mal und irgendwie will der Funke einfach nicht überspringen. Schade.

Im August 2012 hierzulande noch als recht unbekannte Band von UNCLE M gesignt können sich Apologies, I Have None mittlerweile vor Shows kaum noch retten. Nicht zuletzt wegen ihrem vielfach gelobten Debütalbum „London“, mit dem die vier Briten bewiesen, mit wie viel Herzblut und Hymne man Songs schreiben kann. Auch der heutige Abend wird nicht einen winzigen Zweifel daran aufkommen lassen...
Mittlerweile haben sich auch die letzten Gäste des Abends eingefunden und drängeln sich nun vor der Bühne. Die Band baut auf, checkt ihre Instrumente. Im Publikum werden Vorfreude und Anspannung wahrlich spürbar.
Die Jungs von der Lebenshilfe standen schon den ganzen Abend völlig begeistert vor der Bühne und feierten die Musik (für die, die die (!) Lebenshilfe nicht kennen: sie ist Institution, Selbsthilfe- und Eltern-Vereinigung, Einrichtungsträger und Vereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung, in der sie auch selbst ihre Interessen vertreten. So beispielsweise auch heute Abend.) Ich stehe neben der Bühne und plötzlich kommt einer von ihnen über die Bühne zu mir an die Seite gehuscht und wir kommen direkt ins Gespräch. Er heißt Pascal, spielt in einer Band, hat gerade sein erstes Album aufgenommen und macht gerne Beatbox. Er ist ziemlich begeistert, was den heutigen Abend und die Musik angeht und wir kommen zusammen auf die Idee, ob er nicht für Apologies, I Have None den Mic-Check machen könnte. Fragen kostet ja nix. Gesagt, getan und die Band zögert keine Sekunde. Bühne frei für Pascal!

Als er auf die Bühne geht und das Mikrofon in die Hand nimmt wird es recht still im Saal. Die Spannung steigt und jeder scheint sich zu fragen, was nun geschehen wird. So ganz wussten Apologies, I Have None und ich das ja auch nicht. Pascal setzt das Mikro an den Mund und legt los – mit Beatbox. Und was für eine. Das Publikum wechselt von nur interessiert, zu baff und überschlägt sich im Applaus. Die Bühne ist sein Element und er haut einen Track nach dem anderen raus. Dann kommen plötzlich PJ, Dan, Joe und Josh auf die Bühne und steigen mit dem Schlagzeug ein, dann Bass und Gitarre. Gänsehaut im Kollektiv. Ein besseres Intro hätte es nicht geben können. Pascal wird gefeiert und Apologies, I Have None legen los.

Die ersten Akkorde von „60 Miles“ erklingen und es gibt kein Halten mehr. Band und Publikum werden eins, singen zusammen und feiern den Abend. Sie spielen eine großartige Show und lassen keine Wünsche offen. „Sat in Vicky Park“ lässt Herzen höher schlagen, „Long Gone“, „Concrete Feet“ und „The 26“ pressen auch den letzten Schweißtropfen aus uns heraus. Zwischendurch legt Dan seine Gitarre zur Seite und springt mit Mikro bewaffnet beherzt von der Bühne ins Publikum, um sich kruze Zeit später auf dessen Händen wieder zu finden. Sie spielen „London“ gefühlt rauf und runter, um dann mit „Clapton Pond“ noch einmal Feuer zu fangen und die Bühne abzufackeln und uns mit gereizten Hälsen zurücklassen. Was für eine Show.


Aber da heute Abend ja schließlich Geburtstag gefeiert wird, treten noch Nothington auf! Die Band gibt alles, das Publikum auch. Ein Hit reiht sich an den anderen. Wir denken wir haben „A Mistake“ überstanden und es geht direkt weiter mit „If you say so“. Ich habe selten so viele weibliche Stage-Diver gesehen. Immer wieder entern Menschen die Bühne, einer singt teils ganze Strophen durchs Mikro. Aber es ist ok und voll sympathisch. Die Band feiert es. Aber auch Nothington spielen irgendwann ihren letzten Zugaben.
Der Skaters Palace leert sich, die Wärme bleibt.

Fazit:
Es war ein rundum wundervoller Abend in intimer Atmosphäre mit facettenreichen Menschen und großartigen Bands. Danke, Onkel! Im nächsten Jahr kommen wir gerne wieder, wenn du zwei wirst.