Interview mit Fall Out Boy

14.02.2007
 

 

Anlässlich ihres Berlin Gigs am 22.01.2007 in Berlin hatten wir die Gelegenheit ein Gespräch mit FALL OUT BOY Sänger und Songwriter Patrick Stump zu führen. Ursprünglich war der extrovertierte und medienpräsente Peter Wentz angekündigt. Patrick zeigte sich zwar anfangs ein wenig zurückhaltend aber taute im Laufe des Gesprächs über die Hardcore Szene oder auch JAY-Z und EARTH CRISIS zunehmend auf.

Mit "From Under the Cork Tree" habt ihr ein Mehrfach-Platin-Album abgeliefert und werdet förmlich als Popstars gehandelt. Wie fühlt sich das an?

Patrick Stump: Es ist schon verrückt und einfach irreal. Du kommst nach Hause und deine Mutter schreit dich für irgendetwas an oder sagt dir noch immer, dass du grade stehen sollst. Du weißt immer noch wer du vorher warst, es hat sich eigentlich nur die Sichtweise anderer Menschen über Dich geändert. Du gehst abends ganz normal weg und die Leute verhalten sich als wärst du irgendein Popstar. Ich sag dann nur "don’t worry about it, I am just some guy. "

Mittlerweile gibt’s ja sogar FALL OUT BOY Actionfiguren. Welche Einflüsse hattet ihr auf das Produkt und bist Du mit dem Endergebnis zufrieden?

Ja natürlich [lacht]. Als Kind träumt man doch von so was, es ist einfach nur cool…

Ein Teil der Einnahmen geht an das Projekt "African Children's Education". Habt Ihr Euch den Zweck ausgesucht?

Pete, unser Bassist, engagiert sich für das Charity Projekt “Invisible Children”. Dahin fließt das Geld.

Stimmt es eigentlich, dass ihr ernsthaft über Eure eigenen Flugzeuge nachdenkt? Ich habe irgendwo etwas darüber munkeln gehört?

Ach quatsch [lacht]. Das war doch nur ein Witz..

Ok, lass uns über "Infinity on High" sprechen, am 19. Januar ist das Album im Internet gelandet. Wie fühlt man sich dabei?

Ich war natürlich ein wenig enttäuscht, nicht zuletzt, da die Leute die das Album nun durch das Internet hören, nicht sehen in welchem Kontext die Songs stehen. Einige werden die Songs nicht in der richtigen Reihenfolge haben und Ähnliches. Ich freue mich aber auch, dass so viele Leute unsere Platte hören wollen, das fühlt sich gut an. Die Leute da draußen wollen eben einfach wissen, wie sich das neue Album anhört…

Ihr habt mit Babyface als Produzent zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Ich respektiere ihn einfach unglaublich als RNB Produzent. Gleichzeitig mag ich es, wie er die Vocals seiner Künstler aufnimmt. Die Art und Weise wie sie singen, und deshalb wollte ich, als Sänger, dass er mich so stark wie möglich fordert und pusht. Außerdem kennt er sich auch mit Rockmusik aus. Er weiß mehr über Rockmusik als viele andere. Ich fand es cool, es sollte einfach etwas Anderes sein als das, was normalerweise passiert. Und ja, ich bin wirklich stolz drauf!

Eure erste Single "This Ain’t A Scene, It's An Arms Race" thematisiert die wuchernde “Emo Szene” und eure damit verbundene Frustration. Was genau ist deine Meinung zur Szene wenn du eine Zeile wie “bandwagon’s gone, please find another” singst?

Ich denke einfach nur, dass sich die Leute zu sehr mit dummen externen Dingen befassen. Wir sind eine Band und wir machen Musik, wenn du verstehst was ich meine und nur darum geht es. Es gibt andere Bands da draußen, die machen sich mehr Gedanken darüber wie ihr Haar sitzt und welche Hosen sie tragen oder was sie vor anderen Leuten sagen, als dass sie Songs schreiben. Ich finde dies jedoch ausgesprochen wichtig, es bestimmt ständig mein Denken und auch jetzt, während dieses Interviews, denke ich an die Musik. Ich finde es eine Schande, dass jedermann die Möglichkeit hat sich vor ein paar Leute zu stellen und Musik zu machen und dies als selbstverständlich betrachtet.


Das stimmt, aber es verhält sich doch genauso bei den Fans. Seid ihr denn noch glücklich ein Mitglied der Szene zu sein?

Ich kann dir nicht sagen wovon wir Teil sind, aber ich kann dir sagen wer unsere Freunde sind, wie die Jungs von MY CHEMICAL ROMANCE oder PANIC!AT THE DISCO. Aber letztendlich weiß ich gar nicht ob man das als Szene bezeichnen kann. Ein weiterer Punkt ist, dass eine “Szene” immer von anderer Seite definiert wird. Wenn du mit deinen Freunden rumhängst, dann hängst du auch nur mit deinen Freunden rum und machst dir keine Sorgen darüber, wie du aussiehst und so. Ich denke nicht, dass wir überhaupt mitbekommen haben, Teil einer Szene zu sein.

Das Video zu "This Ain’t A Scene, It's An Arms Race" enthält eine Parodie zu den Nacktbildern von Pete, die ja ebenfalls wilde Verbreitung im Internet fanden. Warum greift ihr das Thema noch mal auf?

Wir wollten mit einigen Dingen aufräumen. Zwischen dem letzten Album und diesem ist eine Menge im vergangenen Jahr passiert. Wir wollen damit auch einigen dieser Witze die Komik nehmen. Egal, es ist halt passiert und “it is not a big deal”. Darum haben wir einige Parodien in dem Video.

Im Video sind ja auch einige Gastauftritte zu sehen. Man sieht wohl auch Tom DeLonge. Habt ihr ebenfalls Marc und Travis gefragt…?

Oh, das ist gar nicht Tom DeLonge. Das ist Butch Walker. Viele Leute dachten es sei Tom DeLonge aber es ist Butch Walker, unser Produzent und guter Freund, er ist ein Songwriter.

[Screw Wikipedia!!! Aber der dort recherchierte Beitrag wurde mittlerweile auch entfernt!!]

Die Single hat ja dieses RNB Flair, besinnt sich im Chorus jedoch wieder auf Pop Punk. Ist das eure Art sich von der Szene zu verabschieden?

Nein, auf gar keinen Fall. Wir bringen eher neue Sachen in den Punk Rock. Was mich manchmal an Punk Musik frustriert ist, die Leute vergessen, dass in den 70ern die RAMONES Shows mit TELEVISION, den TALKING HEADS, BLONDIE oder RICHARD HELL & THE VOIDOIDS spielten. Sie haben mit diesen Bands gespielt, die sich kein Stück ähnelten, es war komplett unterschiedliche Musik. Heutzutage haben die Leute dieses ganz genau definierte Bild von Punkrock, wie er sich anhören und wie er aussehen sollte. Das ist Mist! Meiner Meinung nach kann man nur etwas mit Musik im Allgemeinen verändern, wenn man etwas anders macht, wenn man Dinge unterschiedlich kombiniert. Die Leute scheinen dieses Bild von einem zu haben, dass wenn man in einer Punk- oder in einer Rockband ist, nicht RNB, Jazz, Metal oder Klassik hären darf. Man darf dann nur Rock hören. Das ist so was von engstirnig und es ist schade, da man hierdurch weitaus weniger interessante Musik macht.

"Infinity on High" ist ein wirklich poppiges Album geworden. Andererseits hat der Opener "Thriller" die wohl härtesten Riffs, die ich jemals von FALL OUT BOY gehört habe. Arbeitet ihr bewusst mit diesen Gegensätzen?

Absolut! Es kann als Aussage verstanden werden, wer wir sind, denn wir wollen den Leuten zu verstehen geben, dass wir uns immer noch der Welt des Hardcores zugehörig fühlen, ich denke noch immer, dass wir eine Hardcore Band sind. Dort kommen wir her und dies bestimmt wer wir sind. Wir sind halt nur eine andere Art von Hardcore Band. Ich schreie nicht, ich singe. So war es schon immer und so machen wir Musik. Wir sind aber auch immer noch die Gleichen und wir werden auch weiterhin verschiedene Elemente in unserer Musik haben. Es wäre sehr schade, wenn die Leute im Laufe unserer Kariere von uns nicht auch mal etwas Härteres oder etwas Ruhigeres erwartet hätten, denn so sind wir. Wir sind vieles, aber bestimmt keine Band die man auf einen Song oder einen Style reduzieren kann.

In besagtem Song hört man ebenfalls JAY-Z. Wie kamt ihr auf die Idee mit JAY-Z zu kollaborieren und wie kam es letztendlich dazu?

Zunächst muss ich festhalten, dass wir JAY-Z lieben. Er ist ein Held für uns. Er hat vor allem auch Persönlichkeit und hat auch als Hip Hopper was zu sagen. Er beschränkt sich auch nicht nur auf Hip Hop und hat mit R. KELLY eine RNB Scheibe gemacht oder auch die Sache mit LINKIN PARK. Das hat uns inspiriert. Abgesehen davon, dass wir sein Album mögen, hat er sehr viel Integrität als Künstler. Wir sind einfach große Fans. Außerdem hat er ja bei Def Jam angefangen zu arbeiten, was ja so eine Art Schwesterlabel von unserem ist. Und so sahen wir ihn ab und zu im Büro und waren immer voll ehrfürchtiger Bewunderung. Wir haben ihn dann einfach gefragt ob er es machen würde und er sagte „ja“. Er war aber zu dem Zeitpunkt dann in Australien auf Tour und so hat er es uns per Email geschickt.

Dann gab es ja diesen Zwischenfall bei eurer Show in Albuquerque am 07. Januar als Pete einen Security Guard von der Bühne aus angegriffen hat. Was ist genau vorgefallen?

Uns liegt das Wohlergehen von den Besuchern unserer Shows sehr am Herzen. Wir wollen, dass die Leute Spaß haben und dass sie sicher sind. Immer wenn jemand keinen Spaß hat und sich nicht wohl fühlt sind wir nicht glücklich mit der Situation. Besagter Security Mensch hat einige Leute in Gefahr gebracht und sich nicht um die Kids gekümmert, wie es sein Job wäre. Er hat einen Streit mit unserer Security angefangen und Pete hat eingegriffen, denke ich…

Kann es sein das eure Songtitel wieder kürzer werden? Wieso habt ihr überhaupt mit diesen langen Titeln angefangen?

Ha ha, stimmt. Aber wir kommen halt aus der Hardcore Szene und da ist es normal, dass man die Song auf diese Art und Weise benennt. Pete als Lyriker ist sehr literarisch. Er hat nämlich einen literarischen anstatt eines musikalischen Backgrounds. Er ist Schriftsteller. Daher bekommt er seine Inspiration und nicht durch Songtitel. Auch ich bin der Meinung, dass wir alle keine Lust auf diese Ein-Wort-Songtitel haben. Wieviele Songs heißen einfach nur “Down”. Ich kann Dir bestimmt 20 nennen. Es kann manchmal einfach nett sein, wenn du sagst “I Slept With Someone In Fall Out Boy And All I Got Was This Stupid Song Written About Me” und jeder weiß über welchen Song du redest.

Wir haben uns ja bereits kurz über eure Hardcore Roots unterhalten. Eurer Drummer Andrew Hurley ist ja bekanntlich auch straight edge und lebt vegan. Wie steht ihr denn dazu, dass ein Großteil der Hardcore Szene nicht zuletzt aufgrund eures kommerziellen Erfolgs befremdlich auf euch reagiert?

Findest du? Ich denke, dass uns gleichzeitig ein Menge Leute der Hardcore Szene positiv begegnen. Wenn wir Shows spielen sind immer viele Hardcore Kids dort. Die Leute haben sich auch aufgeregt als EARTH CRISIS auf einmal richtig groß wurden. In Wirklichkeit darfst du dir über so was keine Gedanken machen, denn es ist ja nicht so, dass wir uns großartig verändert haben. Die Zeiten haben sich dahingehend verändert, dass unsere Musik einfach erfolgreicher ist. Unsere Musik ist die gleiche geblieben und wir machen sie immer noch auf die gleiche Art und Weise. Und ja, ich bin auch stolz darauf. Ich bin stolz, dass es funktioniert. Im Grunde genommen sind wir immer noch die gleiche Band wie vor vier Jahren.

Vielen Dank. Wie geht es nun weiter mit FALL OUT BOY?

Wir sind ja gerade in Berlin, morgen geht es nach London. Wir arbeiten sehr hart, spielen Shows und werden vermutlich für den Rest des Jahres auf der Straße sein.


Rebecca und Torben