02.02.2019: FJØRT, WE NEVER LEARNED TO LIVE - DÜSSELDORF - ZAKK

07.02.2019
 

 

Fjørt. Tournee Südwärts. Letzter Tourabschnitt. Und zum grandiosen Finale begibt man sich in heimische Gefilde: Zwei restlos ausverkaufte Shows in Düsseldorf und in der Heimatstadt Aachen krönen das Geschehen.

 

Neben vier anderen (von Fjørt handverlesenen) Toursupports sind es WE NEVER LEARNED TO LIVE aus Brighton, die die Aachener auf den letzten fünf Tourtagen begleiten und vor diesen riesigen, mit Menschen gefüllten Hallen spielen dürfen. Einigen Konzertbesuchern ist die Band hoffentlich ein Begriff. Meine eher zufälligen Recherchen haben ergeben, dass sich die Wege von Fjørt und WNLTL bereits früher kreuzten, denn schon Anfang 2016 hatten die Briten Fjørt zumindest auf einer Show im Frankfurter Elfer supportet. Viel Zeit ist seitdem vergangen, in der der heutige Headliner zweifelsohne durch die Decke gegangen ist. Das beschert WE NEVER LEARNED TO LIVE heute deren Frontmann Sean Mahon zufolge “mit Abstand die größte Show“, die sie bisher je gespielt haben. Und auch WNLTL könnte ein kleiner Durchbruch bevorstehen, denn ihr zweites Album namens „The Sleepwalk Transmissions“ steht bereits in den Startlöchern und wird am 10. Mai über das englische Label Holy Roar Records und in Deutschland über Through Love Records erscheinen. Vorab wurde bereits ein Song mitsamt Video veröffentlicht, der den Namen „Luma/Non Luma“ trägt. Vielversprechend to say the least. Thematisch geht es sowohl bei diesem Song als auch beim kommenden Album um das Phänomen physischer Präsenz bei mentaler Abwesenheit in der modernen Welt. Ein guter Freund pries mir WE NEVER LEARNED TO LIVE mit “Die klingen wie Alexisonfire zu ihren besten Zeiten“ (wir reden hier von deren Album Crisis) an. Und tatsächlich ist sowohl auf Platte als auch live etwas dran an dem Vergleich, auch wenn das natürlich unfüllbar große Fußstapfen wären – und zudem auch just einen Tag vor dem heutigen Konzert von besagten Alexisonfire ein neues Profilbild auf Facebook hochgeladen wurde. Ein schwarzes Bild, welches bei sämtlichen Fans natürlich gleich die Gerüchteküche zum brodeln bringt. Zurück zu WE NEVER LEARNED TO LIVE: Lampenfieber oder Unsicherheit ist den Brightonern angesichts ihres bisher mit Abstand größten Konzerts jedoch nicht anzumerken. Mit einem sehr guten Sound (Props an das Zakk, in dem ich heute zum ersten Mal bin) kann die Band mit ihrem durch cleane Gesangspassagen garnierten melodischen Hardcore das Düsseldorfer Publikum sichtlich überzeugen. Ein wirklich gut passender Support und Anheizer für das, auf das alle bereits sehnsüchtig warten.

 

Beinahe majestätische Ausmaße hat der Live-Auftritt von FJØRT mittlerweile angenommen. Dafür, dass die Band sich in vielerlei Hinsicht gut in Szene setzen kann, ist sie mittlerweile bekannt. Spätestens seitdem sie vor der Veröffentlichung ihres aktuellen Albums „Couleur“ eine Hotelsession auf Youtube veröffentlichte und damit für einen Tag das Internet gewann. Mit Liebe zum Detail ziehen die drei Aachener seit Jahren ihr Baby auf – Artwork, Lyrics, Videos, und die Liveshow gehört definitiv auch in diese Auflistung. Ein ausgiebiges, kultiges Klavierstück (welches ich leider nicht genauer zuordnen kann) eröffnet das Set, bis FJØRT mit „In Balance“, dem Opener ihres zweiten Albums „Kontakt“ endlich selbst lospreschen. Dann geht’s Schlag auf Schlag: An den folgenden Songs erkennt man die enorme Hitdichte, die die drei Musiker inzwischen erzeugen können. Ob das tatsächlich zum Mitspringen animierende „Eden“, das alles andere als in Vergessenheit geratene „Anthrazit“, das balladesque „Magnifique“ oder das um ebenjenen flehende „Kontakt“, das Düsseldorfer Publikum kann hier gar nicht anders, als kompromisslos mitzugehen und abzufeiern. Wie man es von ihnen gewohnt ist, finden FJØRT deutliche Worte für die seit mehreren Jahren in diesem Land vorherrschenden politischen und sozialen Missstände, bevor sie ebenjenes Gedankengut durch „Paroli“ und später auch durch „Raison“ auch in Liedform zum Besten geben. Auch für FJØRT ist dies hier scheinbar die größte Menge, die sie bisher zumindest in Clubform beschallen dürfen – Gitarrist und Sänger Chris Hell spricht von 800 bis 900 Menschen im Düsseldorfer Zakk. Kommt mir wie eine etwas optimistische Schätzung vor, aber wer weiß, mit Empore könnte das vielleicht hinkommen. Jedenfalls musste man vor der Show ziemlich lange warten, bis man seine Jacke an der Garderobe abgeben konnte. Mit „Valhalla“ und „D’Accord“ gibt es in der zweiten Konzerthälfte noch ein paar Leckerli für die Fans der ersten Stunde, als die Produktion von FJØRT noch nicht so makellos war wie auf Album 2 und 3. Schließlich sagen Chris, David und Frank „Lebewohl“ zum Zakk. Aber wir kennen das Spiel: Natürlich lassen sie sich nicht lumpen und bieten Düsseldorf ein gebührendes Final. „Karat“, „Lichterloh“ und – wie sollte es auch anders und passender sein – „Südwärts“ beenden das Set. Wo es wohl für FJØRT noch hingehen wird? Ich finde das eine sehr spannende Frage. Denn aus der deutschen Musiklandschaft ist die Band trotz ihrer fehlenden Mainstreamigkeit inzwischen schon lange nicht mehr. Und kreativ, ambitioniert und vermutlich auch mutig genug, weiter nach den Sternen zu greifen.