03.02.2019: VIAGRA BOYS, EUTERNASE - Köln - MTC

07.02.2019
 

 

Die VIAGRA BOYS kann man meiner Meinung nach getrost als Phänomen bezeichnen. Ende 2018 war ich mehrmals im Internet über den bereits skurrilen Namen gestolpert, dann mit dem ersten Ansehen des Videos zu „Sports“ war es Liebe auf den ersten Blick. Doch was zunächst aussah wie eine einfach nur verdammt witzige Truppe entpuppte sich kurz darauf als eine dazu noch verdammt gute Band.

 

Doch dazu später mehr. Pünktlich um 20 Uhr steht der Support auf den Brettern, die für manche die Welt bedeuten. Die Band hört auf den wunderschönen Namen EUTERNASE (ist das eine Anspielung auf Euthanasie? Vermute ja schon..) und passt allein deshalb scheinbar schonmal gut ins Programm. Auch soundmäßig geben die vier Mannheimer eher wenig Ficks und lassen sich vermutlich am einfachsten mit „Punk“ beschreiben. Und zwar eher der ursprüngliche. EUTERNASE muten authentisch anti an, lassen mich kurz einen Gedanken an die Sex Pistols denken, aber sonderlich mehr passiert da nicht. Mich holt weder der Sound noch die Liveshow der Band ab. Ein Blick auf ihre Facebook-Seite lässt meinen Eindruck verhärten, dass es sich gewollt um einer einfältiges Bandkonzept handelt. In der Gesamtheit hat es solche Acts seit den Siebzigern wahrscheinlich in fast exakt der gleichen Ausführung bereits im vierstelligen Bereich gegeben.

 

Im Gegensatz dazu schaffen es die VIAGRA BOYS jedoch – und das zeigt die enorm positive Resonanz, die die Stockholmer bisher hervorrufen – ihre Musikrichtung (hier passt wohl eher der Begriff Post-Punk) auch in der heutigen Zeit wieder interessant zu machen, ohne dabei auch nur eine Sekunde den Eindruck zu machen, dass da nur eine Antiquität aus dem Regal und mal ein bisschen abgestaubt wurde. Der Hauptgrund hierfür ist sicherlich der, wie soll man anders sagen, Ausnahmefrontmann Sebastian Murphy. Wer das Video zu „Sports“ auch nur annähernd so gefeiert hat wie ich, der kriegt bei der Liveshow mit: Der hatte da nicht nur seine fünf Minuten. Sondern er scheint wirklich so zu sein, oder es verdammt gut zu spielen. Die VIAGRA BOYS eröffnen mit dem ebenfalls durch ein Video bekannt gewordenen „Research Chemicals“ den Abend, nachdem zuvor „Best in Show“ als Intro vom Band gelaufen war. Danach raucht Murphy in einer Tour Zigaretten und Joints des Publikums, kriecht auf dem Boden, macht sich gleich zum ersten Song obenrum frei und lässt auch sonst vermuten, dass er seinen allerletzten Fick schon vor etlichen Jahren hergegeben hat. Das Kölner MTC bleibt sichtlich bei guter Laune, als die Schweden sich quer durch ihr Debütalbum „Street Worms“ spielen. Murphy hat trotz, oder vielleicht gerade wegen seiner Paradiesvogel-Aura wirklich die Gabe, einen Raum komplett für sich einzufangen. Also genau das, wonach sich jeder Frontmann sehnt. Wie man an der Reaktion des Publikums bemerkt sind „Slow Learner“ und „Down in the Basement“ Highlights – zu letzterem liegt Murphy kerzengerade auf dem Boden, das Mikro unter sich auf dem Boden liegend und liebkost dieses in gewohnt seltsamer Art und Weise, die sich für mich passender mit dem Begriff „Fremdstolz“ als mit „Fremdscham“ bezeichnen ließe. Was ein geiler Typ. Nicht umsonst gibt es inzwischen sogar eine Custom-Actionfigur von ihm. „Sports“ kommt dann wider Erwarten mitten im Set und ist natürlich witzigerweise der „Singalong-Hit“ des Abends. Doch auch das ruhige „Worms“ funktioniert im Live-Set der Schweden sehr gut, denn es hat auch ohne den fetzigen Groove der anderen Lieder mindestens genau so viel Stil. Mit welchem Song dann abgeschlossen wird, kann sich der geneigte Hörer eigentlich ausrechnen. Denn vom Debütalbum bleibt nur noch „Shrimp Shack“ übrig. Dann ist das komplette Ding runtergespielt. Zugaben gibt’s keine. Aber von einem Fan kriegen die VIAGRA BOYS als Dank noch ein wenig Weed zugesteckt. Eine etwas andere, aber in jeder Hinsicht zufriedenstellende Konzerterfahrung.