04.08.2010: Eternal Tango, Bad Religion - Hannover, Capitol

04.08.2010
 

 


30 Jahre. Ein verdammt lange Zeit, möchte man meinen. Zeit, die man nutzen könnte, um Kinder groß zuziehen, 30 mal Silvester zu feiern oder eine erhebliche Straftat abzusitzen. Oder um das Punkrock-Rad mit zu erfinden und stetig weiter zu prägen, 15 Alben zu veröffentlichen und noch immer live präsent zu sein und zu touren – so wie heute - angesichts der Veröffentlichung von „The Dissent Of Man“ Ende September – im Capitol Hannover. Eine erhebliche Menschenmasse vor dem Club und der Gedanke an das pisswarme, überteuerte Bier aus Plastikbechern (ein Klassiker im Capitol) lassen jedoch früh erste Zweifel aufkommen. Im Inneren pflegt das Luxemburger Outfit „Eternal Tango“ weitere. Poppige, vorhersehbare Rocknummern – geboren für´s Radio. Hier ein „Hey“, da ein „Lalala – und jetzt alle!“ – puh. Hannover muß jeden Song im Takt mitklatschen. Bin ich wirklich schon im Club? Oder ist das die neue „Reamon“-Single in einer Radio-Scheinwelt? Puh. Sänger David wirkt wie an der Monitorbox festgefroren, Trommler Pit scheint einen Besen verschluckt zu haben. Die deutschen Ansagen wirken erzwungen und laden schlicht zum wegnicken ein. Kurzerhand erzwingen „Eternal Tango“ also doch den Weg an die Bar des ausverkauften Capitols. Hier sind 15-jährige Emomädchen genauso aufgeregt wie 45-jährige Familienväter. Bad Religion, die Institution.
Nach 30-minütiger Umbaupause (zum Glück mit bester musikalischer Untermalung) kündigt ein klassisch donnerndes „Star Wars“-like Intro sowie der übergroße BR-Cross-Banner die LA-Punk-Urväter an. Leider wird die Bühne ohne Gründungsvater Brett geentert – Herr Gurewitz muss ja lieber Weezer ins Epitaph-Boot holen. Da knattern „Before You Die“, „A Walk“ oder „Recipe For Hate“ aus den Boxen und lassen die mindestens 3 Generationen der Bandanhänger auch im Publikum sofort zusammenwachsen. „Los Angeles Is Burning“, „I Want To Conquer The World“ oder „No Control“ treten das Pedal durch – diese Band IST und bleibt eine Institution. Spielerisch erste Sahne, mit einer Ausstrahlung eines Erstklässlers an Weihnachten – und bei jedem zweiten Song werden die Gedanken an „früher“ wachgerüttelt. „Früher“ zählt hier natürlich anders, denn „Suffer“ habe ich sicher nicht am Tag der Veröffentlichung erstanden. Clean aber spannend dirigiert Greg Graffin zusammen Jay Bentley und Co. durch einen fast 80-minütigen Hitmarathon, der vorerst mit „American Jesus“ endet. Leider (oder wieder auch nicht leider) gibt es größtenteils alte Songs zu hören, kaum ein Vorgeschmack auf das kommende Album wird gewährt.
Die Kalifornier scheinen auch mit 30 Lenzen weder gelangweilt, noch überholt – auch wenn sich bei Bad Religion oft die Geister scheiden. „I quit the pit many years ago“ will man Doktor Greg fast gar nicht glauben. Über die folgende Setlist im Bereich „Zugaben“ muß hier wohl kein Wort verloren werden, so hätte man sein Jahresgehalt vorher auf eben alle Hit(single)s verwetten können. Nur die 15 Euro für ein hässliches „30 Years Of Fucking Punk Rock“ T-Shirt kann man sich sparen. Dann lieber eine Kiste kaltes Bier mit Frunden und mal wieder schön „Generator“, „Against The Grain“ oder „Stranger Than Fiction“ bis zum Anschlag aufgedreht. Auf die nächsten 30 Jahre!

(Leider keine Fotos – die Knipserfraktion hatte Besseres zu tun. Banausen!)