06.08.2011: A Tale Of Amity, Soul Control, Ritual, CDC, Stick To Your Guns, Defeater - Köln, Underground

06.08.2011
 

 



Kann sich noch jemand an das Cold World-Wochenende im Juli 2009 erinnern? Essen, Rosswein und Hamburg. Drei Shows, drei lückenlos gefüllte Hallen. Ein gnadenlos guter Plan. So angesagt wie Cold World damals waren, so sind es heute zweifelsohne Defeater. Da die Geschichtenerzähler aus Boston nur 3 Stopps (Leisnig, Köln und London) einlegen, könnte man also am heutigen Samstagabend von einem prall gefüllten Kölner Underground ausgehen.
Umso größer ist da mein Erstaunen, als ich besagte Venue (in der schon die halbe Musikgeschichte gastiert hat) betrete. Denn der Laden ist nichtmal halb voll, und das obwohl der Opening-Act A Tale of Amity schon gespielt hat. Kann man um rund sieben Uhr sicher noch auf den frühen Abend schieben.



SOUL CONTROL, die das internationale Programm heute eröffnen, können einem jedenfalls leid tun. Gähnende Leere vor der Bühne, woran sich trotz des sehr sympathischen Bemühens von Frontmann Rory auch nicht mehr wirklich was rütteln sollte. Man merkt gleich, dass viele Zuschauer wohl eher für CDC und die Moshparts von Stick to Your Guns angereist sind. Diese kann man natürlich mit dem sehr rockigen, teils schleppenden und teils sphärischen Sound von SOUL CONTROL, der hier und da an Burn erinnert, weder bedienen noch beeindrucken. So kommt es, dass viele auch nach wenigen Minuten wieder den Weg nach draußen suchen, was für die Musiker auf der Bühne sicher nicht gerade aufbauend ist. Man lässt sich jedoch nicht beirren und spielt zwar überaus sauber aber (abgesehen vom Sänger, der durchgehend in Bewegung ist und zeigt, wie man auf die Musik abgehen kann) recht gelangweilt das Set runter. Die halbe Stunde Spielzeit stützt sich größtenteils auf das über Bridge9 veröffentlichte Album „Cycles“, es werden jedoch alte Songs wie „Involution“, „Dance of Shadows“ oder „Mindwalking“ (die meines Erachtens ein bisschen kurzatmig am Mikrophon performt werden) und brandneue Songs vom gerade erschienenen, 4 Song starken Release „Get Out Now“ präsentiert. Nachdem ich die aktuelle Tour mit Ritual 3 Mal besucht habe, kommt es mir stark so vor, als könnten die vier Jungs aus Providence in Europa nicht richtig Fuß fassen. Daher macht es nur Sinn, dass man SOUL CONTROL vor ihren Tourpartnern aus dem Inland spielen lässt.



Doch auch bei RITUAL sieht das Ganze nicht wesentlich rosiger aus. Auch die vier Jungs aus Münster bedienen heute nicht wirklich ihr „Stammklientel“ und ich komme mir dann doch ziemlich peinlich berührt vor, als goldkettentragende Muskelprotze im Tank Top krampfhaft nach ihrer Gelegenheit zum 2steppen suchen, immer wieder für wenige Sekunden ansetzen und dann wieder abrupt stoppen, weil sie die Lieder nicht kennen. Die Bewegung ist minimal und die Zuschauerbeteiligung gleich null. Eigentlich sehr schade, war „Beneath Aging Flesh and Bone“ doch mit Sicherheit eins der überragendsten nationalen Releases der letzten Jahre. Das aktuelle Release (aus dem Hause Reflections Records) heißt jedoch „Paper Skin“ und soll heute gleich vierfach live präsentiert werden: „Absolute Devotion“, „The Coldest Shoulder“, „White Caskets“ und „Reaping Loneliness“ (mit dem das Set beendet wird) stellen den musikalischen Wandel der Band weg von moshbaren Groovebomben hin zu rockig verspielten, bis ins Detail ausgeklügelten Arrangements überzeugend dar. Mit viel Bewegung an den Instrumenten beweist man ungeachtet der Situation vor der Bühne einmal mehr, wieso man zu den wenigen relevanten Hardcore-Bands Deutschlands gehört. Die Routine, die die Jungs über die Jahre hinweg gesammelt haben (z.B. auf Tour mit Have Heart, Carpathian, Anchor oder No Turning Back) lässt sich nicht abstreiten und so ist es dann doch schade, dass man aufgrund von Zeitdruck dann nach gefühlten 25 Minuten aufhören muss.



Nicht wenige (potenzielle) Konzertbesucher haben sich gefragt, wie CDC in eine Defeater-Show passen. Wie das jedoch abzusehen war, handelt es sich bei dieser Band um das erste wahre Highlight für eine Vielzahl der Angereisten. So sorgt die Beatdown-Band bereits mit dem ersten Song erstmals am Abend für ausgiebige Bewegung in den Fanreihen: 2-Step, Spinkicks, Side-to-Side und was alles dazu gehört. „Crowd War“ ist ein Songtitel, der das Geschehene mal wieder ganz gut beschreibt. Dass mal wieder der ein oder andere Unbeteiligte getroffen wird, muss ich wohl nicht erwähnen. CDC spielen sich durch ihre sehr überschauliche Schaffensphase und wirken dabei sehr agil und auch an keinem Zeitpunkt unsympathisch. Kann nur von Vorteil sein, da die Band schließlich im Anschluss an die Show in Köln noch das Show Your Lovalty Festival in Essen, das als Ersatz-Show für das Brotherhood-Festival organisiert wurde, headlinen soll. Auch wenn ich nicht mit ihr warm werde, ein muss man der Beatdown-Szene lassen: Sie unterstützt ihre Bands prinzipiell und läuft auf den Plan, selbst wenn alle anderen Bands am Abend nicht wirklich zu interessieren scheinen. Könnte manchen anderen Subgenres im Hardcore auch mal gut tun.



Wie auch CDC sind STICK TO YOUR GUNS im Spätsommer 2011 alleine in Europa unterwegs und haben damit keinerlei Probleme. Nach mehreren Europa-Touren in der Vergangenheit hat man längst eine ganz eigene Hausnummer und ruft stets seine Anhänger auf den Platz. So wundert es nicht, dass nicht nur die neuen Songs wie „Where the Sun Never Sleeps“, „What Goes Around“ oder „Amber“ gut angenommen werden, sondern auch ältere Kaliber wie „Enough is Enough“. Zwei Reihen textsichere Fans schreien Jesse Barnett seine eigenen Texte entgegen, und das von Anfang bis Ende. Dahinter toben sich mindestens genau so viele Menschen im Moshpit aus, was sich beim metalgeschwängerten und sehr variablen Sound der Jungs aus Orange County auch desöfteren anbietet. Als einzige Band am heutigen Abend schaffen es also STICK TO YOUR GUNS sowohl Fans von metallischem, moshbarem als auch von melodischem Hardcore zu überzeugen. Nachdem durch „We’re What Seperates the Heart from the Heartless“ das Set beendet wird, ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis man zurück in Europa ist. Nach Schwierigkeiten im Anlauf (ich denke da an die Hell on Earth Tour 2008 und die Tour mit Terror Mitte 2009) haben STICK TO YOUR GUNS es also inzwischen auf eine Stufe geschafft, auf der man keine Angst mehr davor haben sollte, dass man von leeren Halbkreisen vor der Bühne geplagt wird.



Nachdem ich meinen Blick durch den Underground schweifen lasse, stelle ich fest: Das Ding ist immer noch nicht voll. Nicht mal ansatzweise. Da Cold World 2009 das JZE Essen vollgemacht haben, (nochmal eine ganze Ecke größer) ist der eingangs genannte Vergleich also nicht mehr wirklich haltbar. Klingt die Hype-Welle um DEFEATER etwa wieder ab? Oder liegt es daran, dass heute Death is Not Glamorous, sowie die Wave-Kollegen von Touché Amoré und La Dispute im AZ Köln-Kalk gastieren? Der Blick auf die Bühne ist zunächst einmal auch nicht berauschend: Am Bass und an den Drums hat man sich für die 3 Dates einen Ersatz zugelegt, Bassist Mike ist mit seiner anderen Band Make do and Mend auf Tour und wo Mastermind und Songschreiber Andy geblieben ist, kann ich nicht sagen. Die Frage die ich mir zunächst stelle, ist natürlich: Ist das ein adäquater Ersatz oder wird man es merken? Schließlich sind die Songs technisch nicht gerade ohne. Und dann geht es los. „Dear Father“ ist durch die Vorab-Veröffentlichung per 7 Inch sicherlich sowas wie der Hit des neuen Albums „Empty Days & Sleepless Nights“ und geht dementsprechend natürlich sofort in die Vollen. „Warm Blood Rush“ legt als ebenfalls neuer Song nach. Und auch hier geht die Menge mit, sogar noch um einiges intensiver als bei Stick to Your Guns, für DEFEATER-Maßstäbe jedoch eher verhalten. Was auch auffällt, ist das geringe Alter der ersten Reihen. Erste Stagedives werden gemacht und Frontmann Derek erzählt von letzter Nacht, als er sich beim Sucks’n’Summer den Fußknöchel verletzt hat. So weit, so gut. Eigentlich läuft die Show wie immer: Band sehr sympathisch, viel Publikumsbeteiligung. Irgendwie gehen Hits wie „A Wound and a Scar“, „Blessed Burden“ und „Cowardice“ (bei dem gleich zu Beginn ohrenbetäubend gekreischt wird) trotzdem heute an mir vorbei. Habe ich die großartige Musik von DEFEATER etwa totgehört? Vielleicht liegt es auch eher daran, dass man live von der Band etwas übersättigt wurde. Oder daran, dass der Abend bisjetzt recht verhalten lief. Oder aber daran, dass die Akteure selbst nicht gerade den Eindruck machen, höchst motiviert zu sein. Ich kann es jedenfalls kaum fassen, als dann nach gefühlten 25 Minuten schon Schluss sein soll. Wenigstens packen DEFEATER dann mit „The Red, White and Blues“ nochmal eine erstklassige Zugabe drauf, aber irgendwie macht es den Anschein, als würde man noch weiter ins Kölner AZ ziehen wollen – wo man um diese Uhrzeit sogar noch die Auftritte von Touché Amoré und La Dispute mitkriegen würde.