07.08.2012: H2O, Death By Stereo, Cruel Hand, First Blood, Get It Done! - Zeche Carl, Essen

07.08.2012
 

 



Generationentreff in der Zeche Carl: Wo H2O aufschlägt, da lassen die Hardcorer nicht lange auf sich warten. Spätestens seit „Nothing to Prove“ wieder top aktuell lädt man heute zusammen mit Death by Stereo, Cruel Hand, First Blood und Get It Done! zum familiären Miteinander ein.

4 x Amiland, 1x Deutschland. GET IT DONE! aus dem Ruhrpott machen heute den Anfang, stehen den „Großen“ aber vom ersten Ton an in nichts nach. Sympathisch wie eh und je führt Sänger Björn Esser mit ganz natürlich wirkenden Ansagen durch das Set und macht dabei einige Kilometer auf und vor der Bühne. Dass sein neues Projekt, die 4-City-Straight-Edge-Band, einen hörbar anderen Ton anschlägt als seine alte Band Black Friday 29, dürfte bei den Zuhörern gemischte Gefühle hervorrufen. GET IT DONE! klingen sehr schnell und punkig, stark nach Youth Crew, vergleichbar etwa mit Vitamin X. Macht ja kaum noch jemand. Deshalb dürfte es diejenigen freuen, die drauf stehen. Denn die fünf Jungs verstehen ihr Handwerk. Manch anderer Konzertbesucher hingegen weiß damit sicher gar nichts anzufangen. Ich bin recht angetan, trauere dann aber irgendwie immer noch ein bisschen Black Friday 29 hinterher, die ja eines ihrer letzten Konzerte ebenfalls mit H2O in der Zeche Carl in Essen gaben. Nachdem GET IT DONE! mit ihrem selbstbetitelten Track starten, wird schon recht früh ein Dag Nasty Cover gespielt – die Wurzeln werden nicht verschwiegen. Leider ist Björn zwischen den größtenteils damit beschäftigt, die Leute nach vorne zu bitten. Auch bei dem Cover sind die Reaktionen der Leute eher verhalten. Nach weiteren eigenen Songs („The Only One“, „Are You There?“ (tolles Gitarrensolo!), “Control”, “24 hours”) lässt man den Zuschauern dann die Wahl zwischen einem Beastie Boys oder einem Black Flag Cover. Wie zu erwarten war beendet „Rise Above“ das Set. GET IT DONE! werden bald zwei Split 7 Inches veröffentlichen. Schaut man in den Konzertkalender der Band (z.B. Allschools Birthday Bash letzten Samstag) hat man durchaus den Eindruck, als ginge es langsam richtig los. Sollte man also im Auge behalten. Vor allem, wenn man von den etlichen gleichklingenden Stumpfcore-Bands, die zurzeit in sind, gelangweilt ist.

Fast wie aufs Stichwort: Der typische FIRST BLOOD Song ist schon recht einfach gestrickt. Und soviel kann man sicher auch als Laie sagen: Er wird von den palm-gemuteten, leer gespielten oberen 3 Saiten der Gitarren dominiert. Ab und zu wagt man aber auch mal was und geht in den ersten Bund. Multipliziert mit einer fragwürdigen Leistung am Mischpult ergibt das dann Soundmatsch der allerersten Sorte. Aber genug der harschen Kritik. Den Zwecken einer 2. Band am Abend genügen FIRST BLOOD definitiv. Für einige Leute ist es sogar schon der Höhepunkt des Tages, was sie dann auch unschwer im Moshpit mit primatenähnlichen Gestiken und Tanzritualen ausdrücken können. Da wird getwostept, da wird gespinkickt, da gibt’s ein Rad und noch eins hinter her und auch gerne mal in andere Zuschauer rein, die eigentlich gar nicht mit in den Moshpit herein gezogen werden wollten. Als einer der Hauptakteure dann von einer erbosten Dame, in die er reingekickt hatte, seinen neu erstandenes weißes FIRST BLOOD-Longsleeve am Arm zerrissen bekommt, guckt er aus der Wäsche als wäre die Welt untergegangen. Und dann ist erst mal Ruhe. Die Kalifornier auf der Bühne scheinen davon entweder nicht viel mitzubekommen, oder (was ich eher glaube) es gewohnt zu sein. Eine Band kann sich ihre Fans nun mal nicht aussuchen. Und das der Sound einen solchen Moshpit geradezu herauf beschwört, ist nachvollziehbar. Mich kann das musikalisch gar nicht packen, Frontmann Carl Schwartz finde ich aber immer wieder sympathisch. Wenn er Ansagen über Veganismus und Politik macht, kann man sich nur wünschen, dass manche seiner Fans auch mal die Texte durchlesen und verinnerlichen. Da ist die Hoffnung in mir aber eher gering. Schwartz fragt sich, wie man 2012 immer noch blind glauben kann, was die amerikanische Regierung über „Terrorismus“ und dessen Bekämpfung verzapft. Guter Punkt. Danach geht das Gemoshe weiter. Und ich frage mich: Wie kann man 2012 immer noch auf Hardcore-Shows gehen, um andere zu vermöbeln? Leute, die sich einfach nur die Bands ansehen und einen spaßigen Abend mit ihren Freunden erleben wollen? Sogar kleine Mädchen, die dann mit blutenden Nasen aus dem Raum laufen müssen? Wieso kann man nicht einfach in einen Kampfsportverein gehen oder in die Stadt gehen und dort Leute anpöbeln? Dort findet man garantiert genug, die darauf eingehen. Aber nein, stattdessen lieber in völlig passive, völlig unbeteiligte Dritte rein. Richtig mutig. Die Krone setzt sich dann selbst der volltätowierte Typ auf, der beim letzten Song von FIRST BLOOD auf die Zuschauer nahe des Mischpults zuläuft, hochspringt und einfach mit der Faust einmal rein schlägt. Gratulation. Doch sein größter Auftritt soll noch folgen. Songs des Sets waren unter anderem „Suffocate“, „Victims“ und „Silence is Betrayal“.

CRUEL HAND sind neben First Blood heute Abend die Band, auf die sich am besten moshen lässt. Doch das gestaltet sich jetzt ein bisschen ruhiger und friedlicher. Inzwischen gibt es auch etwas mehr Leute, die mitmachen und auch mitsingen können. Chris Linkovich weist darauf hin, dass heute ein kurzes Set gespielt wird (kurz ist relativ, eigentlich ist es ganz normale 30 Minuten lang, aber CRUEL HAND sind ja zurzeit alleine auf Tour und wahrscheinlich meistens Headliner), dann geht es mit „Day or Darkness“ los. Routiniert spielt sich die Band aus Portland, Maine durch ein Set voller Hits, das zum größten Teil aus den letzten beiden Alben „Lock & Key“ und „Prying Eyes“ besteht. „Under the Ice“ ist der einzige ältere Song. Die Kapelle um Linkovich hätte sich sicherlich etwas mehr Anklang erhofft, macht aber ein paar kleine Witzchen darüber und gibt trotzdem das Beste. Schnellere Songs wie „Dead Weight“ laden zum Side-to-Side ein, langsamere Songs wie „One Cold Face“ zum gediegenen Headbangen. Dass CRUEL HAND an jeder Ecke immer mal wieder an Metallica erinnern, dürfte vor allem die älteren Konzertbesucher erfreuen. Und wer es noch nicht wusste, geht vielleicht heute mit einem neuen Geheimtipp nach Hause. Live weiß das immer wieder zu überzeugen, vor allem durch die unglaubliche Präzision die die Musiker trotz des Anspruchs ihrer Songs an den Tag legen. Mit „Life in Shambles“ und „Begin Descension“ gibt es ganz zum Schluss nochmal zwei absolute Kracher. Getrübt wird das ganze leider dadurch, dass kurz vor Ende des Sets fast eine Schlägerei ausbricht. Wie das Ganze zustande gekommen ist, habe ich leider nicht mitbekommen. Ich weiß nur, wer wieder beteiligt ist. Der Mann mit der Mosh-Krone.

Mit einer Publikumsbeteiligung die unter der eigenen Erwartung liegt haben im Anschluss auch DEATH BY STEREO zu kämpfen. Die Art, wie Sänger Efrem Schultz mit diesem Manko umgeht, finde ich super: Er rennt einfach so lange durch die Leute hindurch, bis diese anfangen sich mehr zu bewegen. Und legt noch ein paar Zwischenstopps ein, um auf der Barriere vor dem Mischpult, weit hinter dem leeren Halbkreis vor der Bühne und mitten unter den Leuten, weiter zu singen. Nach First Blood und Cruel Hand kommt es mir so vor, als würden jetzt die etwas älteren Besucher bedient werden. Vor der Bühne ist der Altersdurchschnitt etwas gestiegen und es steht dort auch eine Hand voll headbangender Metalheads. Heterogenität wird heute groß geschrieben, denn DEATH BY STEREO bedienen sicherlich ein ganz anderes Klientel als die anderen Bands, wobei keine der anderen übermässig ähnelt (was den Sound angeht). „Looking out for #1“ kennen manche vielleicht sogar noch von ihren ganz alten Punk-O-Rama CD‘s, ein wahrer Klassiker. Unter etwas neueren Songs wie „Wasted Words“ oder „Beyond the Blinders“ ist das ja fast schon eine Antiquität. Und immer wieder glänzt der Lead-Gitarrist mit Glatze und Schnurrbart. Was der an seinem Griffbrett drauf hat ist einfach unglaublich. Ich glaube kaum, dass ein besserer Gitarrist im Raum war. Leider gehen manche Soli und Tappings im Sound ein bisschen unter, Efrem tut aber sein Bestes, immer wieder darauf hinzuweisen wenn sein Bandkollege etwas reisst. Mit ihrer Live-Darbietung beweisen DEATH BY STEREO, dass sie im Grunde genommen immer noch viel näher an dem sind, was Punk und Hardcore ursprünglich war, als viele der modernen Bands. Subjektiv wahrgenommen verbringt Schulz die Hälfte des Auftritts in den Fans, bei seinen Bandkollegen herrscht rege Bewegungsfreude. Die Band wird außerdem bald eine 7 Inch veröffentlichen. Auf der A-Seite befindet sich der neue Song „Growing Numb“, den es auch live auf die Ohren gibt. Auf der B-Seite das Bad Religion Cover „Modern Man“, das darauf folgt. Eine Hetzrede gegen die Emo-Szene läutet „Emo Holocaust“ ein, als darauf dann nahtlos „Raining Blood“ von Slayer folgt, dürften auch die letzten Skeptiker überzeugt sein.

Die lange Umbau- und Wartepause für H2O empfinde ich als pure Frechheit. Man kann es auch ein wenig übertreiben mit dem sich-selbst-feiern. Essen steht sich die Beine in den Bauch, viele setzen sich nach einiger Zeit auf den Boden. Nur um dann weitere 10-20 Minuten zu warten. Gleich mit „1995“ ist dann aber die schlechte Laune vergessen und der Stagedive-Reigen ist eröffnet. Toby Morse wirkt auch 2012 noch topfit und macht als Frontmann nach wie vor eine extrem gute Figur. Nicht nur die neuen Songs („Fairweather Friend“, „Nothing to Prove“, „Heart on My Sleeve“) sondern auch die alten werden gefeiert wie eh und je. Bei „Thicker than Water“ ist Morse dann aber so erstaunt darüber, dass nur 5 Leute seiner Aufforderung nach einem Circle Pit nachkommen, dass er einfach mit macht. Und dann funktioniert das Ganze auch. Zu vielen der punkigen Hardcore-Songs wird auch schlichtweg der gute alte Schweinepogo zelebriert. Von Gewalt und übermäßiger Brutalität ist hier nicht mal der Ansatz einer Spur. Vielmehr kommt es einem vor, als würden da Leute miteinander anstatt gegeneinander feiern. Und so soll das auch sein. „My friends look out for me like family.“ Bei „Guilty by Association“ lässt man Chris Linkovich von Cruel Hand nochmal für einen Gast-Part ans Mikrofon. Auch er hat kein Problem damit, im Publikum genügend mitsingende Leute zu finden. Mit dem Sick of It All Cover „Friends Like You“ unterstreichen H2O ihre tiefe Verbundenheit mit den anderen NYHC-Legenden. Dass nach knapp 40 Minuten schon Schluss sein soll, nimmt den New Yorkern natürlich keiner ab. Der vielleicht größte Hit „What Happened?“ wird als Zugabe vom Stapel gelassen. Textlich ist der Song auch am heutigen Abend wieder an Relevanz nicht zu überbieten.