07.12.2009: Maylene & The Sons Of Disaster, Killswitch Engage, Every Time I Die, In Flames, Heaven Shall Burn - Rhein-Main-Hallen Wiesbaden

07.12.2009
 

 

Dass mich eine so riesige Menschenansammlung vor den Rhein-Main-Hallen in Wiesbaden erwarten würde, hätte ich in diesem Ausmaß nicht erwartet: Um etwa halb sieben stehen in Reih und Glied einige hundert Leute an, um Teil der heutigen Taste Of Chaos Tour zu sein. Direkt habe ich den Eindruck, noch nie auf einem so großen Konzert gewesen zu sein. Ist das jetzt Vorteil oder Nachteil? Würde sich rausstellen.
Ich bin jedenfalls ziemlich froh, dass ich mich nicht anstellen muss.
Kurze Zeit später werde ich auf die Zettel aufmerksam, die überall an den Fenstern hängen: Maylene and the Sons of Disaster und Every Time I Die hatten einen Busunfall und fallen komplett flach. Krasse Sache, aber so kurzfristig kann natürlich niemand für einen adäquaten Ersatz sorgen. Der ein oder andere Fan wird sich bereits jetzt wohl innerlich schwarz ärgern, da zumindest Every Time I Die vielen ja schon ein Begriff sind. Dennoch lässt sich an den Bandklamotten, die getragen werden (und auch das habe ich in diesem Ausmaß noch nie erlebt) eindeutig ablesen, auf welchen Bands heute Abend das Hauptaugenmerk liegt. Das dürfte ja ein voller Erfolg für Heaven Shall Burn, Killswitch Engage und die In Flames (mindestens 30% des Publikums hat Merchandise dieser Band an) werden.

So kommt es also, dass die freundlichen Thüringer von Heaven Shall Burn schon vor acht Uhr auf der Bühne stehen. Wäre ich in meine letzte Vorlesung gegangen, wie ich es eigentlich vorhatte, hätte ich sie also vom feinsten verpasst. Und so wird es einigen Fans, die sich dachten: „Die Vorbands will doch kein Arsch sehen!“ sicherlich auch gehen. Ein Trostpflaster, dass die Metalcore-Speerspitze des Landes ja nicht gerade selten innerhalb auftritt. Der Raum kommt mir an sich nicht viel größer vor als der Schlachthof in Wiesbaden, der Sound ist zur Zeit noch eher matschig, (die Base-Drum übertönt einfach alles und macht mir etwas Angst, dass die Tribünen runterkrachen..) aber dennoch können sich Heaven Shall Burn, heute mal ganz in rot gekleidet, nicht über zu wenig Publikumsbeteiligung beschweren. Sänger Marcus Bischoff kann die Menge nach Belieben in Circle Pits, Wall of Deaths und weitere Moshpit-Kunststückchen dirigieren, während seine Bandkollegen an den Gitarren ihre Mähne kreisen lassen. Präsentiert wird eine breite Palette des Gesamtwerks dieser Band, sprich von ganz altem Kram wie „Behind a Wind of Silence“ bis zur neusten Platte Iconoclast, von der unter anderem „Forlorn Skies“, „The Disease“ und natürlich „Endzeit“ gespielt wird. Kein Song ist den Zuschauern unbekannt, sodass die Energie eigentlich während des ganzen Sets aufrecht erhalten bleibt. Die Saalfelder entschuldigen sich für den Ausfall der zwei ersten Bands und spielen aus Kompensationsgründen ein etwas längeres Set (wobei da jetzt kein Song dabei war, den man noch nicht live gehört hat). Bei „Counterweight“ und „The Weapon They Fear“ bebt die Bude, das Finale bildet wie immer die bandeigene Interpretation des Edge of Sanity Songs „Black Tears“. Heaven Shall Burn, wohl eine der größten deutschen Metal-Bands, räumt das Feld für international anerkannte Legenden.

Nach etwa einer halben Stunde Umbaupause verdunkelt sich der Raum erneut, aber was man hört, sind alles andere als harte Klänge für langhaarige Wacken-Geher. Los geht es also mit einem Intro, das einen eher an Karnevals-Musik erinnert. Als dieses jedoch dann in „My Curse“ übergeht, jubelt die ganze Halle. Mit einem Sound, der wie aus dem Ei gepellt ist, begeistern Killswitch Engage von der ersten Sekunde an die Massen. Richtig richtig geil. Howard Jones stürmt mit einem „Let's go!“ auf die Bühne und sofort kommt die Band in Fahrt. Direkt im ersten Lied gehen mir die Backing-Vocals von Adam D (auch wenn er ein musikalisches Genie ist) richtig auf die Nerven. Hört sich leider an wie ein Fremdkörper, der einzige Minuspunkt am Auftritt der Band. Eine Hammer Setlist, und trotzdem schaffen es die Bandmitglieder sich bei unmenschlichen Gitarren-Riffs zu bewegen als ob sie zwei Lungen hätten. Definitiv die beste Band des Abends in meinen Augen. Natürlich haben auch Killswitch Engage einige Outputs im Rücken, von denen sie ihre Lieder präsentieren. So liegt das Gewicht nicht nur auf dem neuesten Release, dem wahrscheinlich noch nicht all zu viele Fans (ich zumindest nicht) Aufmerksamkeit geschenkt haben. „A Bid Farewell“, die Hymne „My Last Serenade“, „Rose of Sharyn“ und viele weitere Kracher werden aus dem Sack gelassen. Daran, dass eigentlich zwei Bands im Lineup gefehlt haben, dürfte jetzt kaum noch einer denken. Dieser Auftritt hat bestens kompensiert. Ich bin inzwischen sogar recht froh, dass ich früh daheim sein werde, ist schließlich ein Montag. Nicht nur musikalisch entertainen Killswitch Engage, so fordert Adam D. zum Beispiel dass die ganzen Mädels, die auf irgendwelchen Schultern hocken (und das sind einige) ihre „Boobies flashen“. Schließlich versauen sie den Leuten, die hinter ihnen stehen und was sehen wollen die Show, also sollten sie doch wenigstens selbst eine Show bieten. Lüsterne Blicke fliegen durch den Raum, aber niemand kommt dem Aufruf nach. Tut aber auch nichts zur Sache, denn spätestens als es auf der Bühne weiter geht, haben Killswitch Engage wieder die volle Aufmerksamkeit. Nach geschätzten 40 Minuten ist dann mit einem Cover, „Holy Diver“, Schluss. Nicht nur Heaven Shall Burn beenden also heute mit einem nicht eigenen Song.

Dem potenziellen Support der in den Rhein-Main-Hallen für den Headliner vorhanden ist zufolge dürfte nach dem Auftritt der In Flames eigentlich kein Grashalm mehr in Wiesbaden wachsen. Die Band lässt die Menge lange schmoren und fängt erst um kurz nach zehn an. Aufgefahren hat die Band aber einige Geschütze, sowohl musikalisch als auch optisch. Bei jedem Song gibt es hinter der Band eine Hologram-Show zu sehen – eine weitere Premiere für mich heute. Finde ich persönlich ziemlich abgehoben, aber die Menge geht steil. Spätestens mit dem Anfangsriff des zweiten Songs, „Embody the Invisible“, taut die ganze Halle wieder aus der Pause auf. Die Vertreter der alten Göteborger Schule (über die neuen Outputs lässt sich ja bekanntermaßen streiten) zelebrieren sich selbst zu genüge. Gerechtfertigt das 20€ für ein Shirt und 40€ für einen Hoodie? Für eingefleischte Fans, zu denen ich mich nicht zähle, sicherlich. Auch showtechnisch will man seinen Vorgänger-Bands natürlich in nichts nachstehen, so holt man sich einen Fan mit seiner Handykamera aus dem Publikum und lässt ihn einen angekündigten Circlepit filmen. Ein Weihnachtsbaum in der Mitte, den sich Anders Friden und seine Bandkollegen wünschen, hätte ich auch mal als ziemlich lustig und innovativ empfunden - aber man kann ja nicht alles haben. Sowohl für Leute, die die Band erst seit 2 Jahren hören als auch für Leute, die seit 10 Jahren über die neuen Outputs herziehen, ist hier was dabei, so kommt es das selbst ich als In Flames-Noob manchmal ein Dejavue-Erlebnis habe.. beziehungsweise besser gesagt ein Deja-Ecouté-Erlebnis. Das Set zieht sich ziemlich, bis dann nach etwas weniger als anderthalb Stunden Schluss ist. Ausdauer beweisen sowohl der Moshpit als auch die Band an sich. Ich glaube zwar kaum, dass die Band sich über Geldprobleme beschweren kann, aber einige neue Merch-Verkäufe ließen sich heute sicherlich erzielen.

So verlassen um etwa halb zwölf die Heerscharen die Rhein-Main Hallen.
Ein Großteil dürfte bereits jetzt den Namen der beiden Bands, die leider heute nicht anwesend sein konnten, vergessen haben.