07.02.2019: MASTODON, KVELERTAK, MUTOID MAN - Oberhausen - Turbinenhalle

19.02.2019
 

 

Mastodon sind neben Ghost eine von zwei Metal-Bands, die sich erst in diesem Jahrtausend gegründet, aber einen Grammy gewonnen hat. Dass „Sultan’s Curse“ der offensichtlich beste Track ihres letzten Albums ist, sah wohl auch die Academy im Jahr 2018 so, als es den Preis für „Best Metal Performance“ gab. Dass die Band das schwer zu einende Metal-Genre auf ihrer Seite hat, zeigt heute einmal mehr die üppig gefüllte Turbinenhalle in Oberhausen.

Sicherlich dürften auch die beiden Toursupports ein Mitgrund dafür sein, dass der kleinere Raum der Turbinenhalle restlos gefüllt ist. MUTOID MAN und Kvelertak sind schließlich auch keine Unbekannten, sondern Bands, die selbst Headliner-Tourneen in Europa spielen. MUTOID MAN eröffnen dennoch den heutigen Abend. An den Kesseln sitzt diesmal nicht Converge-Drummer (und meiner Meinung nach einer der besten überhaupt) Ben Koller, sondern Christopher Maggio von Wear Your Wounds, Sleigh Bells, Trap Them und Coliseum. Ich kannte den werten Herren vorher nicht, aber das ist natürlich Namedropping vom allerfeinsten. Koller, der sich gerade von einem gebrochenen Ellbogen erholt, hinterlässt riesige Fußstapfen, die Maggio recht passabel füllen kann. Dennoch merkt man den Unterschied etwas und MUTOID MAN sind bezüglich ihrer Setlist etwas eingeschränkter. Der Schwerpunkt des Sets liegt auf dem zuletzt erschienen Album „War Moans“, mit den ersten beiden Tracks wird auch die heutige Show eröffnet. Steven Brodsky ist als Frontmann eine ziemliche Rampensau, MUTOID MAN halten, was man über ihre Live-Shows gehört hat. Trotz der technischen Raffinesse streut das Trio eine Menge Trolling und Animation mit ein. Ich könnte durchaus verstehen, wenn das manchen Metalheads zuviel des Guten ist – Brodsky scheint sich in seiner Rolle pudelwohl zu fühlen und mit ihrer selbstironischen Art passen MUTOID MAN genau so gut in dieses Lineup wie mit ihrer lebhaften Mixtur aus Metal und Rock. Leider ist der Sound für meine Ohren sehr schlecht, da Bass, Gitarre und auch die Gesänge kaum mit dem viel zu laut gemixten Schlagzeug mithalten können. Mit „Bridgeburner“ und „Gnarcicisst“ kommen am Schluss nochmal die Fans der ersten Stunde auf ihre Kosten.

KVELERTAK sind in vielerlei Hinsicht eine besondere Band – drei Gitarren, norwegische Texte, beim ersten Album Artwork von Baroness-Frontmann Jon Baizley und Produktion von Converge’s Kurt Ballou. Vom Sound ganz zu schweigen – komplett unverkrampft vermischen die Norweger Hardcore Punk, klassischen und extreme Metal-Auswüchse aus verschiedenen Richtungen miteinander. Auch nordisch klingende, unverzerrte Gitarren finden teilweise ihren Weg in den Mix. Doch auch was Besetzungswechsel angeht, fallen KVELERTAK total aus dem Rahmen: Nachdem in ihrer bis dahin elfjährigen Bandgeschichte kein einziger Memberwechsel stattgefunden hatte war es 2018 Sänger Erlend Hjelvik, der ausstieg. Ersetzt wurde dieser durch den der Band bereits lange bekannten Ivar Nikolaisen, der auch bereits auf KVELERTAK’s Single „Blodtørst“ im Jahre 2011 einen Gastauftritt hatte. Auch hier waren sehr große Fußstapfen zu füllen – ich habe die Norweger zwar damals auch mit ihrem alten Sänger gesehen (ebenfalls 2011 mit Comeback Kid und The Ghost Inside), die Band jedoch dabei wenig beachtet und daher kaum noch in Erinnerung. Welch Torheit – KVELERTAK rocken die Turbinenhalle mit deutlich besserem Sound und einer Performance, die sich gewaschen hat und kein Auge trocken lässt. Nikolaisen, der sich selbst bei seinem Einstieg als „Ratte“ bezeichnet hat, die die Fußstapfen eines Löwen nicht füllen, aber dennoch der Band in neue Höhen verhelfen kann, hat nicht übertrieben – das Anführen einer Band hat er jedenfalls auch auf derart großen Bühnen aus dem FF drauf. Sofort bleiben mir als KVELERTAK-Neuling die Riffs und auch die hymnenartigen Gesänge von Songs wie „Mjød“, „1985“ und vor allem „Kvelertak“ in den Ohren. Was für ein RIffing! Genial. Klingt ein bisschen nach AC/DC, nur ohne nervigen Nölgesang und für meinen Geschmack perfekt angepasst. Zum letzten Song schwingt Nikolaisen, wie bereits zuvor von Stephen Brodsky angekündigt, seine riesige schwarze Flagge. Ich muss meine Hausaufgaben machen und zuhause definitiv mehr KVELERTAK hören.

Ein feines Supportprogramm haben sich MASTODON da also ausgesucht. Und die Band selbst wird, wie sich das für ernstzunehmende Künstler so gehört, ebenfalls nicht müde, ausgefeilte Ideen nicht nur in ihre Studioarbeit, sondern auch in ihre Liveshows einfließen zu lassen. Diesmal haben Troy Sanders, Brent Hinds, Bill Keliher und Brann Dailor ihr „quasi fünftes Mitglied“ mit dabei: Scott Kelly von Neurosis. Daher liegt der Fokus der heutigen Show heute eindeutig auf der frühen Schaffensphase von MASTODON (sprich: die erste Hälfte der mittlerweile sieben Alben. Abgerundet.). Sicherlich zur Freude einiger, aber schlecht für Leute wie mich, die MASTODON erst mit ihren letzten drei Alben kennen, durch die Band sich deutlich gegenüber Pop-Appeal und Zugänglichkeit geöffnet hat. Nach Meinung vieler hat die Band damit ihre technischen Ambitionen zurückgeschraubt – meiner Meinung nach hat sie damit nicht im Geringsten ihr Gesicht verloren. Es ist die ewig alte Diskussion: Soll sich ein Künstler weiterentwickeln oder sich lieber „treu bleiben“? Ich denke, jede Band sollte das tun, worauf sie Bock hat. Und das tun MASTODON ohne Zweifel. Für alles andere gibt es das Radio und die Charts. Der Anfang des Sets („Iron Tusk“, „March of the Fire Ants“, „Mother Puncher“) lässt bereits vermuten, was später noch so an alten Juwelen vom Stapel gelassen wird. Ganze sieben Songs wird Scott Kelly später mitsingen, doch vorher gibt es immerhin ein paar Lichtblicke für Fans der neueren Stunde. „Chimes at Midnight“, „Steambreather“ und „Toe to Toes“ zeigen, dass MASTODON trotz ihrer catchigen Hooks instrumentell nicht allzu weit von ihren Leisten weg gegangen sind. Danach regnet es aber fast nur noch älteres Material, stets begleitet von der riesigen psychedelischen Animation, die auf sieben vertikalen Säulen hinter dem Quartett präsentiert wird. Klar fragt man sich da, wie man auf „Black Tongue“, „Show Yourself“, „Curl of the Burl“, „High Road“, „Sultan’s Curse“ (den Grammy-Song) und so weiter live verzichten kann, wenn man solche Songs erstmal aus der Feder geschüttelt hat. Aber da haben wir es offensichtlich mit einem Luxusproblem zu tun. Wie immer sind MASTODON sehr sparsam mit großen Worten und Ansagen, dennoch witzig und nahbar. Bevor Scott Kelly auf die Bühne kommt, wird Troy Sanders sehr demütig. Kelly hat mit Ausnahme ihres Debütalbums bisher auf jedem Album der Band als Gastsänger fungiert und ist somit die naheliegende Wahl für einen Tourbegleiter und ein fünftes Mitglied auf der Bühne. Nun sollen also einige Klassiker mit seiner Unterstützung folgen, von denen ich leider nur den letzten kenne („Blood and Thunder“). Als der vermutlich erste große „Hit“ von MASTODON ein gut ausgewähltes Finale. Der von MASTODON geplante, neue Song mit Scott Kelly wurde bisher aufgrund einiger Komplikationen noch nicht aufgenommen, dementsprechend auch heute nicht in Oberhausen präsentiert. Doch auch ohne dieses Sahnehäubchen kriegen die Fans auf dieser Tour etwas Einmaliges geboten, das es so in dieser Form vermutlich nicht mehr zu sehen geben wird. Vor 2020 ist laut Schlagzeuger Brann Dailor nicht mit einem neuen Album zu rechnen, daher vergnügen wir uns vorerst mit diesem bald erscheinenden Song, der Dailor zufolge sehr hart sein soll. Bleibt abzuwarten, ob MASTODON vor einem neuen Release nochmal durch Europa touren und was sie sich dann einfallen lassen.