08.12.2010: Dead Swans, Brutality Will Prevail, Mother Of Mercy - Feierwerk München

08.12.2010
 

 

Wir leben in schnellen Zeiten. Trends kommen und gehen, Menschen verabschieden sich schneller aus der Freundesliste, als man den „Like“-Button drücken kann und auch die meisten Konzerte sind heutzutage ja eher mit einem Kinobesuch (in der Hoffnung natürlich, einen wirklich guten Film zu sehen) und weniger mit einem wirklichen Happening zu vergleichen. Da passt ein Abend wie dieser doch wie die Faust aufs Auge. Anderthalb Stunden. Länger benötigen die immerhin drei Bands nicht (Umbaupausen sind hierbei schon eingerechnet), um das Publikum wahlweise auf ihre Seite zu ziehen oder kalt zu lassen. Wenn man in der Analogie des Kinos bleiben möchte, so könnte man von einer Kurzfilmreihe sprechen, bei der die einzelnen Beiträge zwar qualitative Unterschiede aufweisen, letztlich aber doch in sich geschlossen zusammen wirken. Da es aber natürlich bei einer Livereview immer auch um die einzelnen Bands gehen soll und muss hier nun die aktuelle DEAD SWANS-Headlinertour im Detail.

Den Beginn machen BRUTALITY WILL PREVAIL. Die haben zunächst einmal vor allem einen ausgesprochen skeptisch machenden Bandnamen für sich zu verbuchen. Umso erfreulicher und erstaunlicher dann das, was die Briten im gut gefüllten Sunny Red zum Besten geben. Keine Spur von Tough Guy-Attitüde oder gar Beatdown-Ambitionen, stattdessen legt der Fünfer einen absolut überzeugenden Zwitter aus straightem Hardcore und zähen Sludge-Passagen aufs Parkett, der umso mehr verblüfft, da die Band auch noch blutjung daher kommt. Davon merkt man allerdings im Laufe des (natürlich) sehr kurzen Sets herzlich wenig, denn in Punkto Bewegungsfreude, Leidenschaft und Abgeklärtheit macht den Herren an diesem Abend keine andere Band etwas vor. Der Sänger sprintet die gesamten zwanzig Minuten über von einem Ende des Publikumskreises zum anderen und die Saiteninstrumentalisten springen und treten auf die wie eh und je eher provisorische Bühne ein, dass man es fast mit der Angst zu tun bekommt, diese könnte bald der Wucht und Livepräsenz der Band stattgeben. Auch musikalisch hat das Alles definitiv Hand und Fuß. Zwar legt die Band live den Schwerpunkt eher auf die schnelleren Songs, doch die fiesen und zähflüssigen Passagen werden ebenfalls zu Genüge auf das insgesamt sehr wohlwollende Publikum losgelassen. Mit diesen Jungspunden ist definitiv zu rechnen.

Nach einem solch famosen Start sollten doch die an jeder zweiten JuZe-Ecke als nächstes großes Hardcore-Ding gehandelten MOTHER OF MERCY auf ihrer ersten Europatour leichtes Spiel haben. Denkt man sich jedenfalls. Doch leider gerät ausgerechnet deren Auftritt, auf den auch ich mich im Vorfeld am meisten gefreut hatte zu einer leicht enttäuschenden Angelegenheit. Es fehlt irgendwie von allem das letzte, ausschlaggebende Etwas. Sei es, dass der Sänger, der ja auf Platte über das wohl asozialste Organ der derzeitigen Hardcore-Landschaft verfügt, live ganz plötzlich gar nicht mehr so markant und charismatisch wirkt oder dass auch die Song selbst live etwas schwerfälliger daher kommen und gar nicht so sehr zum Mitgehen einladen, wie sich das wohl so einige erhofft hatten. Fakt ist: im Vergleich zu BRUTALITY WILL PREVAIL findet Bewegung seitens des Publikums nahezu gar nicht statt und auch die Band bemüht sich zwar redlich, wirkt aber im Vergleich dann doch eher zahm und zu routiniert. Ob es nur am höheren Durchschnittsalter der Musiker liegt wage ich zu bezweifeln. Vielmehr fehlt einfach der Biss. MOTHER OF MERCY wirken nicht hungrig, sondern eher schon längst gesättigt. Da reißen dann auch nach wie vor großartige Songs wie „Suffer“ das Ruder nicht mehr rum. Nach 20 Minuten ist der Spuk dann vorbei und auch der Applaus nimmt ein recht schnelles Ende. Wirklich erstaunlich: ausgerechnet die im Vorfeld ausgemachten Matchwinner entpuppen sich als einzige Enttäuschung des Abends.

Bei DEAD SWANS dagegen ist die Erwartungshaltung schon von Vornherein fesgelegt. Die sind ja schließlich nicht das erste Mal auf dem europäischen Festland unterwegs und es steht zu vermuten, dass auch dieses Gastspiel nicht das Letzte sein wird. Ist aber auch gar nicht weiter schlimm, denn die Engländer geben dem Publikum genau das, was es erwartet. Schnellen, reichlich verzweifelten und hasserfüllten Hardcore, der im Gegensatz zu den Landsmännern von MORE THAN LIFE auch dieses Mal live zu überzeugen weiß. Dass dabei nicht der Eindruck von Business as Usual aufkommt ist vor allem dem nach wie vor sehr engagierten Auftreten der Band zu verdanken, die sich ähnlich agil zeigt wie BRUTALITY WILL PREVAIL zu Beginn. Zu den altbekannten Stärken kommen allerdings auch wieder einmal die subjektiven Schwächen hinzu: insgesamt fehlt es ein wenig an musikalischer Abwechslung. Böse Zungen würden möglicherweise behaupten, dass sich nahezu jeder Song gleich anhört. So weit würde ich zwar nicht gehen, aber insgesamt bleibt festzuhalten, dass es auch im modernen Hardcore definitiv Bands gibt, die über ein variableres Songwriting verfügen. Da allerdings auch DEAD SWANS nicht den Fehler begehen, ihr Set unnötig in die Länge zu ziehen, kommt Langeweile dann glücklicherweise trotzdem nicht auf. Bemerkenswert ist vielleicht noch der Umstand, dass sich die Band am heutigen Abend dem Publikum gegenüber weniger distanziert zeigt als noch bei den Touren davor und auch generell nahbarer wirkt. Die Zuschauer danken es den Jungs und zumindest ein Teil von ihnen gibt im Zuge der knappen halben Stunde ordentlich Gas. Doch, so macht das allemal Spaß.

So neigt sich dann ein kurzer, aber insgesamt definitiv vergnüglicher Abend seinem Ende zu und wieder einmal bewahrheitet sich, dass man mitnichten den Fehler machen sollte, Musiker als bloße Dienstleister zu betrachten, die gefälligst einfach nur zu liefern haben. Im Zweifel sind solche kurzen Shows die weitaus unterhaltsameren, was sich gerade beim Headliner bemerkbar macht. Denn allen Livequalitäten zum Trotz: auch nur ein oder zwei Songs mehr und die Schwelle zur Langeweile wäre schneller überschritten gewesen, als es den Herren lieb sein kann.