08.03.2017: THE GARDEN, PLATTENBAU - Berlin - Kantine am Berghain

09.03.2017
 

 

THE GARDEN gehören für mich zu den aufregendsten Bands, die ich letztes Jahr ausfindig machen durfte. Umso größer die Vorfreude auf diesen, recht kurzfristig angekündigten, Auftritt. Ein für Märzverhältnisse milder Abend lockt mich in die Kantine am Berghain. Kurz vor 20 Uhr trudel ich ein, mache mich mit den Räumlichkeiten vertraut, gebe meine Jacke an der Garderobe ab, denn der überschaubare Saal ist bereits muckelig aufgewärmt.

Nach etwa einer Viertelstunde besteigen drei in Wüstencamouflage beziehungsweise Werkshemden gekleidete Männer die Bühne. Die Kantine dürfte nun zur Hälfte gefüllt sein. Erfreulicherweise platzieren sich die Anwesenden im Publikum bühnennah. Dies scheint die Truppe mit dem Namen PLATTENBAU dazu zu motivieren ein extrem kompaktes und druckvolles Vorprogramm darzubieten.

Über 25 Minuten ertönen minimalistische Krautbeats mit Surfrock-Gitarren, Lo-Fi-Bass sowie einer unbeeindruckt, allerdings stets präsenten Stimme. Tighter Postpunk mit Synthesizer lässt die Köpfe des Publikums auf- und abwippen. Southern-Californian-Punk der 80er markiert den Höhepunkt des Auftritts, bevor der sechste und letzte Song mit einer Klangwand eingeläutet wird. Mein Fazit zu PLATTENBAU: Ein sehr gut eingespieltes Trio mit direkten und abwechslungsreichen Songs. Ein paar Rückkopplungen weniger hätten auch gereicht.

Es ist nun merklich voll im Laden, also positioniere ich mich im vorderen Mittelfeld. Über die Anlage läuft irgendeine Sorte von Hardcore. Währenddessen betritt THE-GARDEN-Sänger Wyatt Shears höchstpersönlich die Bühne, um einen kurzen Soundcheck zu machen. Viertel nach Neun steigen die Zwillinge in Leder- sowie Winterjacke auf die Bretter der Kantine, die Saalbeleuchtung von der Umbaupause ist weiterhin an. Fletcher Shears tippt etwas auf seine Konsole und auf geht´s mit „U Want The Scoop?“ von der neuen, gleichnamigen EP. Die Menge tobt, pogt und singt unverzüglich und feiert den fließenden Übergang zu „All Access“.

Ein Drumsolo überbrückt die kurze Pause und weiter geht es mit „Surprise“, gefolgt von der Ende letzten Jahres veröffentlichen Video-Single “Call This # Now”. Fletcher und Wyatt Shears spielen nun ohne Jacken weiter und geben ihren leicht grenzdebilen Punk-Hip-Hop-Drum´n-Bass energetisch in den tobenden Saal. Mit „Haha“ wird nun ein etwas ruhigerer Song angestimmt. Nach einem Kabeltausch am Bass geht es direkt weiter – ohne große Ansagen: „Red Green Yellow“ vom Album „haha“ wird von einem Purzelbaum des Herrn Fletcher Shears abgelöst, es erklingt der Opener der aktuellen EP „U Want The Scoop?“ und Sänger Wyatt stürzt sich in das pogende Publikum, um eine Runde mitzumoshen.

Weitere Kracher des Albums „haha“ folgen, unter anderem “I Guess We´ll Never Know”, „Vexation“, “Cloak” sowie ein Handstand des im Turnen sichtlich geübten Drummer Fletcher. Beim Neuling “Have A Good Day Sir” vermisse ich die im Studio hinzugefügten Stimm- und Klangeffekte am meisten. Dies trifft vor allem auf Songs zu, die zweistimmig eingespielt wurden. Fletcher hält sich – sofern er am Schlagzeug sitzt – mit dem Singen zurück. „This Could Build Us A Home“ spült den bitteren Beigeschmack mit seinem eingängigen Synthie und Drum´n-Bass-Beat jedoch umgehend weg.

Es ertönt nun der etwas balladige, an THE STROKES erinnernde Song “Egg”. Nun wird fleißig mit dem Publikum eingeklatscht, unter wiederholtem “thanks for sticking around”. Mit “Crystal Clear” und “All Smiles Over Here :)” sind THE GARDEN nach 45 von der Bühne. Die Dosenmusik bleibt aus, ebenso das Licht über dem Publikum. Die nach einer Zugabe verlangenden Rufe werden erhört und die Geschwister Shears spielen 2 weitere Songs. „Thanks for sticking around“ und wieder runter. Nach 50 Minuten ist der Auftritt beendet. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich Enttäuschung breitmacht. Im Gegenteil: Es überwiegen Schweiß, Rauch und komplizenhafte Blicke werden ausgetauscht. Angepisst ist nur der an der Garderobe wartende Besucher, der sich aufregt, dass er nach dem Verlust seiner Marke warten muss. Die Pöbelei hätte er sich sparen können.