08.08.2017: THE DILLINGER ESCAPE PLAN, THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU, GOD MOTHER - Nürnberg - Hirsch

09.08.2017
 

 

Sommerlicher Dienstagabend in Nürnberg. Mit dem Regen habe ich mich bereits seit einiger Zeit abgefunden, los geht es zur persönlichen Premiere sowie der vorerst letzten Saison, in der man THE DILLINGER ESCAPE PLAN noch live erleben darf. Ob man es glaubt oder nicht, diese Band hatte ich bisher nur mehr oder minder auf dem Radar. Ein Grund mehr, um mir endlich einen Überblick von der Truppe zu verschaffen. Bevor ich sofort und ungefragt gesteinigt werde: Es hat mich selbst geschockt, dass die Band bereits seit 1997 existiert und ich sie erst kurz vor Schluss live gesehen habe. Am 29.12.2017 findet nun also die letzte Show in den USA zusammen mit CODE ORANGE und DAUGHTERS statt. So weit, so gut. Kommen wir zur heutigen Show im Nürnberger „Der Hirsch“. Um es kurz vorwegzunehmen: Die beiden Vorbands haben mich mehr umgehauen. Ich werde versuchen, mich im Folgenden in einigen Worten zu erklären, beginnen wir mit der ersten Band.

GOD MOTHER. Den Namen der Truppe erfuhr ich erst während des Sets – noch nie von gehört – allerdings erfreuen mich solche Überraschungen meist ungemein. Während der ersten zwei Songs bekam der gemeine Zuschauer hier genau zwei Optionen zur Auswahl: Entweder, man findet absolut verstörend, was man da sieht, holt sich ein neues Bier an der Bar und versucht das Spektakel wieder aus dem Kopf zu bekommen. Oder aber man lässt sich auf die durchgeknallten Schweden ein und betrachtet das 25-Minuten-Set mit einem guten Pfund Humor. Nachdem ich mich also für Zweiteres entschieden hatte (lag wohl vordergründig an meiner Liebe zu Stockholm) und mich außerdem an die Showeinlagen von Gummiball, Lianenschwinger (aka. Kabelzerrer), Klettermax und Frontmann Sebastian Campbell gewöhnen konnte, war die Show durchaus sehenswert. Bei vieler meiner Stehnachbarn konnte ich durchweg Ähnliches wahrnehmen, hier wurde auch über etwaige Schweißflecken, die man vom Sänger im Vorbeifliegen abbekam, abgesehen. Es sei außerdem kurz Basser Daniel Noring erwähnt: Wer so hart abgeht, dass eine der Basssaiten während der ersten Hälfte des Sets reißt, dem gebührt mein vollster Respekt – oder, um es auf Fränkisch auszudrücken: Gscheppert hats.

GOD MOTHER

Danke an SuziMue für die tollen Fotos!

Weiter geht es ab 20:48 Uhr mit THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU. Von der Website des Popkulturmagazins A.V. CLUB wird die Band unter anderem folgendermaßen beschrieben: „Die Nummer zwölf weiß genau, wann sie einen sich steigernden, melodischen Chorus oder einen bizarren und aufblühenden Flamencopart in ein sonst zermalmendes, knurrendes Progmetal-Gegrunze einbauen muss.“ Ungefähr so lässt sich die Band auch sympathisch und zusammenfassend beschreiben.

Seit 2010 existiert das Gespann, die heutige Besetzung bilden Frontmann Jesse Korman, Gitarrist Alexis Perja, Drummer Michael Kadnar sowie Bassist DJ Scully. Tight sind die Jungs allemal, Gitarre und Bass stammen aus der französischen Manufaktur VIGIER GUITARS, das musste ich auch erst einmal googlen. Die Security hatte während der Show jedenfalls ausreichend mit Gummiball Nr. 2 zu tun, Sänger Jesse erzählte zwischen zwei Songs außerdem, dass er seit vier Tagen dieselben Klamotten trage, da seine Tasche unterwegs verloren ging. Die Sache mit dem Schweiß wurde also auch hier nicht besser, dafür florierte die allgemeine Stimmung deutlich. Diese sehr charmante Band konnte mit ihrem vorzeigbaren Livesound absolut punkten. Einer der ungewollten Showhighlights war wohl der Soloscreampart, während dem Sänger Jesse mal eben das Kabel verlor und einige Sekunden unberührt weiter in den Mikrostummel schrie, bevor schallendes Gelächter in den Hirsch-Hallen ausbrach und die Instrumentalisten den nächsten Einsatz einfach selbst bestimmten.

Kommen wir zum Headliner des Tages: THE DILLINGER ESCAPE PLAN. Das Genre der Band wird als Math- oder Chaoscore beschrieben: Nicht nur wegen meines persönlichen Nachholbedarfs lag die eigene Messlatte nach den beiden Vorbands entsprechend weit oben.

Zugegeben: Die LED-Bars sowie die Lichteinspielung allgemein machen schon was her, auch die Liveshow sitzt gut – eigentlich fast zu gut. Was ich vor Ort noch nicht richtig in Worte fassen konnte, lässt sich nun wohl mit dem Ausdruck von fehlender Emotion beschreiben. Weder könnte ich Kritik an Tightness, Livesound oder Vocals üben, auch die Zuschauer hatte THE DILLINGER ESCAPE PLAN im Griff. Während des Sets erinnerte ich mich an den Auftritt von WHITECHAPEL bei der NEVER SAY DIE!-TOUR 2016 im Backstage in München: Riesige Fanbase, Massen an Menschen vor der Bühne und trotzdem wollte der Funke bei mir nicht recht überspringen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass so mancher Emotions- und Echtheitsgehalt durch zu viel Routine (verständlicherweise) verschwinden kann. Schade eigentlich, dass ich trotz ihres Könnens nicht ganz überzeugt werden konnte. Dank der Option, Bands wahnsinnig gut oder eben eher „meh“ zu finden, plädiere ich in diesem Fall auf jedermanns eigenen Geschmack. Nichtsdestoweniger eine solide Liveshow von Musikern mit absolutem Knowhow.

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