11.02.2011: Break Even, Letlive, Your Demise, Stick To Your Guns - Zürich - Dynamo

11.02.2011
 

 

Macht man ja heute so: von einem Konzert heimkommen und das Erlebte erstmal auf Facebook zusammenfassen. Also bitte sehr: "Zurück aus Zürich. Danke an die Schweizer Verkehrsführung, die verhindert hat, dass ich Letlive sehen konnte. Danke an Starkult Promotion, die es auch bei Versuch Nummer Zwei trotz nochmaliger Nachfrage nicht geschafft haben, ihre Gästeliste zu übermitteln und danke an die Leute vom Dynamo, die mich trotzdem reingelassen haben. Show war übrigens gut."

Könnte man so stehen lassen, aber wir sind hier ja bei Allschools. Also müssen Fakten, Fakten, Fakten her. Einer ist nun mal leider eben der, dass mir LETLIVE entgangen sind. Das ärgert mich immer noch, ist deren "Fake History" doch eines der besten Post-Hardcore-Alben der jüngeren Vergangenheit. Auf Nachfrage versichern einem dann die Einen, man habe nicht wirklich viel verpasst außer einem aufgedrehten Frontmann und einer Band, die unmännliche Musik spielt die einfach nicht auf die Tour gepasst hat. Die anderen erzählen einem dann wiederum von einem aufgedrehten Frontmann und einer Band, die die wohl beste und spannendste Musik des Abends gespielt hat, die einfach nicht auf die Tour gepasst hat. Muss dann wohl doch jeder selbst entscheiden, wem er glauben schenken möchte. Ich ärgere mich immer noch, erst recht als der Sänger der Amerikaner dann bei YOUR DEMISE später zeigen durfte, dass er tatsächlich die Rampensau ist, als die er ja stets bezeichnet wird.

Als wir jedenfalls ankommen, da liegt der Soundcheck der Australier von BREAK EVEN gerade in den letzten Zügen. Kann also losgehen. Wer den Vierer nur auf Platte kennt, der dürfte überrascht sein, dass die Band live irgendwie weitaus heftiger klingt. Allerdings nicht zu ungunsten der generellen Qualität der Musik. Die bleibt nämlich immens hoch, wenn man mit "gutem Songwriting" nicht nur den nahtlosen Übergang zwischen zwei Breakdowns verbindet. Empfinden allerdings wohl nicht alle so, jedenfalls ist der Bewegungsdrang des Publikums mit "verhalten" doch weitgehend noch recht milde umschrieben. Ein paar vereinzelte, textsichere Seelen vor der Bühne geben dennoch ihr Bestes, während hinter ihnen schonmal die ersten Spinkicks als Trockenübung hingelegt werden. Es werden nicht die Letzten des Abends bleiben. Jedenfalls: BREAK EVEN spielen in etwa 25 Minuten einen Großteil der livetauglicheren Songs von "The Bright Side". Inklusive "October 27th", versteht sich. Doch im Gegensatz zu den auf diversen Youtube-Videos zu beobachtenden euphorischen Publikumsreaktionen in anderen Städten bleibt es in Zürich bei vereinzelten Singalongs und (Stichwort "Fakten") genau drei Stagediveversuchen. Einer einzelnen Person wohlgemerkt. Die Band scheint es aber nicht zu stören, die zieht ihr Programm durch. Was soviel heißt wie: auf der Bühne herrscht Bewegung, der Schweiß fließt in Strömen und der Sänger beendet den letzten Song ("November 18th") mit hochrotem Kopf. Also im Grunde das Selbe wie auf der Tour mit DEEZ NUTS und THE GHOST INSIDE, was ja nun wahrlich nicht das Schlechteste ist. Trotzdem: der einhelligen Forderung nach einer Headlinertour in kleineren Läden kann ich mich nur anschließen.

Schon bedeutend öfter in Europa unterwegs waren STICK TO YOUR GUNS, deren "The Hope Division" letztes Jahr wohl zu den wenigen einigermaßen konsenstauglichen Metalcore-Alben zählen dürfte. Zuletzt hatte ich die Band auf irgendeiner Never Say Die-Tour der letzten Jahre gesehen und als ziemlich belanglos abgetan, weshalb auch ich ziemlich überrascht von der aktuellen Platte der Jungs war. Und live legen die ja doch ziemlich heftig los und das Publikum gleich mit. Der vordere Teil des ausgesprochen gut gefüllten Dynamos ist in Dauerbewegung, Lyrics und Gangshouts sitzen und diverse Karatemoves wurden ja schon eine Band vorher auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Dabei kann man der Band nun so direkt keinen Vorwurf machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern ihres Genres sind die Ansagen nämlich weniger geprägt von "I want to see blood"-Aufrufen, stattdessen wird das lyrische Konzept des letztjährigen Albums auch auf die Bühne transportiert. Heißt: Positive Attitüde, Aufruf zur Veränderung der eigenen Verhaltensmuster und die eine oder andere Spitze gen Staat (in diesem Fall USA), Kirche und was sonst noch so nervt. Wie viel davon letztlich beim Publikum ankommt sei mal dahingestellt, doch es ist angenehm zu sehen, dass auch größere Bands, die für ein Publikum spielen, das wohl nahezu ausschließlich jünger ist als sie selbst, noch etwas zu sagen haben. Ansonsten gibt es eben musikalisch, was man so erwartet. Also vor allem Songs der letzten beiden Alben, eingespielte und gleichermaßen bewegungsfreudige Musiker und sich auftürmende Menschenmassen vor der Bühne. Guter Auftritt, sympathische Band.

Nun, da nach einer kurzen Umbaupause der Schweiß auf den Gesichtern der vorderen Reihen wieder getrocknet ist darf zu guter Letzt England ran. Bei YOUR DEMISE stellt sich bei mir ja stets die Frage, wo diese Band eigentlich plötzlich herkam. Auf einmal waren sie eben da und beanspruchten nach und nach immer höhere Plätze auf den Line-Ups der einschlägigen Touren. Geschadet hat es aber sicher auch nicht, dass die Band dabei live stets mehr als nur einen soliden Eindruck hinterlassen konnte. Ob mit altem Sänger oder neuem ist dabei recht egal, wie sich auch an diesem Abend zeigen sollte. Erstaunlich ist: die starke Fokussierung auf Material des aktuellen Albums wirkt sich weit weniger negativ auf die Publikumsresonanz aus wie erwartet. Im Gegenteil: ob da nun gerade ein Song von "Ignorance Never Dies" oder "The Kids We Used To Be" intoniert wird fällt kaum ins Gewicht. Einzig die Sache mit dem Cleangesang ist so eine Nummer für sich. Was sich im Studio wohl noch retten ließ, das ist live eine mittelschwere Katastrophe. Eher zufällig wirkt es, wenn mal ein Ton getroffen wird. Aber nun gut, kommt ja nicht allzu häufig vor. Und außerdem: scheint sonst niemanden wirklich zu stören, denn weite Teile des Publikums befinden sich im Ausnahmezustand, springen, boxen und schreien als gäbe es kein Morgen mehr. Dass sich YOUR DEMISE jegliche ideologische Positionierung abseits von "we're having so much fun right now" sparen: geschenkt. Manchmal ist eben eine knappe Dreiviertelstunde Hardcore-Fastfood genau das richtige für die aufgestachelte Masse. So dürfen dann am Ende alle bei "Burnt Tongues" nochmal zeigen, wer Arme und Beine am schönsten zum Kreisen bringt und dann mit einem Grinsen im Gesicht den Weg in Richtung Merchstand antreten. Gab schon Bands, bei denen mich das weitaus mehr gestört hätte!