19.12.2009: Drag The River, Chris Wollard And The Ship Thieves - Hannover - Faust

19.12.2009
 

 

Wenn einem die pure Luft draußen einen Eiszapfen ans Kinn zaubert und das Bier auf dem Weg vom Kiosk bis nach Hause gefriert – dann sollte das ein Zeichen für akuten Wintereinbruch sein. Also allen Mut zusammen nehmen, Snowboard-Longsleeve und Fellschuhe rauskramen und ab in die Faust. Pünktlich erklimmen dort Jon Snodgrass (Armchair Martian) und sein Kollege Chad Price (All) sichtlich alkoholisiert (wie auch anders bei dem Wetter...) aber bestens gelaunt als Drag The River die Bühne. Spätestens mit den ersten zweistimmigen Gesängen scheint die Tortur des Hinweges vergessen. Auch wenn Drag The River hingegen der Erwartungen den Supportslot übernehmen, klinkt das (oder nur mein?) Gehirn direkt aus, als die Visagen der beiden ehrlichen Persönlichkeiten mit ihren Country-/Punk-/Songwriter/Alternativehymnen zum direkten Durchschuß ansetzen. Beinahe jeder Song will einen direkt an die Bar zwingen, wo Whisky und Bier fließen. Ein perfekter Grundschnitt durch die Discographie (z.B. „I Remember Now“, „Death Of The Life Of The Party“, „Medicine“ „Get Drunk“...) lässt trotz fehlender Backgroundband keine Wünsche offen. Schon beim THE FEST in Gainesville zog die Band einem das Herz aus dem Ärmel und warf es in ein Shotglas. Auch hier blank und ehrlich volle Punktzahl. Mit dem Maximum an Authentizität, Sympathie und musikalisch eine verdammte Santa Fé – Dampflok bringen Drag The River ihr Set inkl. „Barroom Bliss“ bis zum letzten Schluck Vodka-O-Saft in Jons Glas durch. Wow.

Die Umbaupause scheint fast surreal, da es erstmal das eben Erlebte zu verdauen gilt. Dabei hilft Jack von der Bar. Dann folgt der dritte Mann aus dem Hot Water Music Bund, der die Zeit des HWM-Splits (nach Chuck Ragan´s Soloprojekt und The Draft) für seine eigenen musikalischen Wege nutzt(e). Geboten werden wie erwartet rockige Nummern, teils mit Südstaaten- oder Tom Petty-Einschlag und natürlich der markanten Stimme des Gitarristen. Leider verliert das Set des Vierers schnell an Spannung und vor allem an Abwechslung. Bis auf Highlights wie „No Exception“ fließt nun Zeit ereignislos dahin, wo eben noch Whisky (in der Stimme) und Emotionen flossen. Während die Ship Thieves- Platte in aller Munde und das Lob dieser überall gegenwärtig ist, kann live schlicht nicht geboten werden, was bei dem Namen Chris Wollard erwartet wird. Nach kurzem Zugabenblock wird der Zuschauer letztlich wieder gen Bar oder Kälte entlassen. Schade um jene Kälte, die sicher Schuld am Ausbleiben vieler potentieller Zuschauer war. Bleibt zu hoffen, dass Hannover trotzdem weiter von so hochwertigen Künstlern beehrt wird – wie es momentan öfter der Fall ist. Fast wie früher, wo ja bekanntlich alles besser war. Auch Chris Wollard.

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