20.-21.06.2008: Summer Blast Festival 2008 - Trier - Exhaus

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Wird einem die gewohnte Umgebung zu eng, tut bekanntermaßen eine Standortverlagerung mehr als gut. Sicher bietet die schöne Domstadt Köln ebenfalls ein reichhaltiges Angebot an (Musik-)Veranstaltungen verschiedenster Couleur, dennoch sollte Allschools am vergangenen Wochenende dem Ruf aus Karl Marx’ Geburtsstadt folgen, um dem diesjährigen Summerblast Festival beizuwohnen. Über den Veranstaltungsort – das Ex(zellenzhaus) zu Trier – sickerte im Vorfeld eigentlich nur Positives durch. Bereits mehr als einmal blickte der Verfasser dieser Zeilen ein wenig neidisch auf die Liste der Bands, welche in der ehemaligen Kaserne von Napoléons Truppen bereits aufgetreten waren. Nach einer für den Magen recht unentspannten, weil serpentinenreichen, Fahrt war es nun also Zeit sich ein eigenes Bild zu machen. Was soll man sagen? Die Anreise hat sich definitiv gelohnt.

Bereits am Freitag haben sich einige Unerschrockene eingefunden, in der Hauptsache wohl, um den (ersten) Auftritt der selbsterklärten „Innovators of bong rip brutality“ WAKING THE CADAVER nicht zu verpassen. Ob hinter die Genrebezeichnung(?!) „Bree“ nun unbedingt der Zusatz „Sensation“ gehört, sei jetzt einfach mal dahingestellt. Fakt ist: Jemand sollte schleunigst Tipper Gore anrufen. Hier liegt moralisch doch einiges im argen. Nur gut, dass die Texte der Band dank ritueller stimmlicher Schweinschlachtung überhaupt nicht zu verstehen sind. Titel wie 'I Know the Insides of Women' oder 'Rapped, Pillaged and Gutted' lassen jedoch unweigerlich an die überzogenen Gore (sic!)-Fantasien alter CANNIBAL CORPSE denken. Musikalisch ist das Ganze (natürlich) erstaunlich harmlos. Blastbeats und Pigsqueals sind schließlich heutzutage in etwa so extrem, wie tattowierte Handrücken. Der Mob hat seinen Spaß.

Am Samstag geht es munter weiter. Getreu dem Motto: Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues, war exzessives Band-Hopping angesagt, ohne große Überraschungen, dafür in einem entspannten und wohl temperierten Ambiente. Es muss ja schließlich auch nicht immer alles neu sein. Den Großteil seines Lebens gefesselt und nackt in einem Schaukelstuhl zu verbringen wie Becketts verschrobener Murphy ist schließlich auch keine Alternative. WAKING THE CADAVER indes „beglücken“ die Zuschauer ein zweites Mal, da MAROON aufgrund der verfrühten Geburt von André Morawecks Tochter und dem damit einhergehenden Gesundheitszustand seiner Frau verständlicherweise nicht performen konnten.

Für konstantes Schmunzeln sorgt der Auftritts IMPALEDs. Gehüllt in Klufthemden (wir gehen jetzt einfach mal von dieser harmloseren Variante aus), staffiert mit furchterregenden Plastik-Totenschädeln und begleitet von einem umwerfenden Eröffnungs-Chant, lassen die vier grenzdebilen Kalifornier ihren Death Metal auf die Zuhörer los. Angsteinflössend und wesentlich physischer entwickeln sich auch die Temperaturen im Exil.

Die Auftritte von sowohl MISERY SPEAKS als auch AS WE FIGHT verdienen zwar beide das Prädikat grundsolide, so richtig möchte sich die Meute allerdings (noch) nicht verausgaben. Dass letztere mit zwei neuen Stimmen angerückt sind, fällt im Übrigen auch nicht weiter ins Gewicht.

Einen schönen Kontrastpunkt zu der eher metallischen Ausrichtung des Festivals könnten wiederum BARONESS aus Savannah setzen. Die Betonung muss jedoch leider auf dem Konjunktiv liegen, da die Band unter einem sehr unvorteilhaften Sound leidet. Gerade Songs wie das auf Platte übermächtige 'Rays on Pinion' leben dann doch eher von einem differenzierten Sound und (hier das zweite Manko) intensiv vorgetragenen Texten. Schade eigentlich.

THROWDOWN, die PANTERA-Liebhaber, die eigentlich einmal HATEBREED von ihrem Tough Guy-Thron stürzen wollten, können mit einem ungleich fetteren Sound aufwarten. Stolz präsentieren uns Dave Peters und Drummer Ben Dussault die körperlichen Folgen von zu viel Freizeit auf Tour, während BLEEDING THROUGH Szene-Beau Brendan Schiepettati das Treiben seiner Ex-Bandbuddies von einem gegenüberliegenden Fenster beobachtet und sich als textsicher erweist. Die Setlist stellt einen bunten Querschnitt durch die Discographie der Kalifornier dar, Songs wie 'Never Back Down' oder 'Step It Up' kommen augenscheinlich jedoch besser an als die musikalischen Verneigungen vor Phil Anselmo und Co.

Die erste richtige Überraschung des Summerblast glückt schließlich den nicht unumstrittenen CALLEJON. Die anwesenden Zuschauer in einer ohnehin mehr als heißen Location derart in Wallung zu bringen, dass die Temperaturen in Höllen-Regionen schnellen, kann an diesem Samstag jedenfalls keine weitere Band von sich behaupten. Die Anhänger der Band erweisen sich als völlig schmerzfrei, intonieren Songs wie 'In Dunklen Wassern Brennt Ein Licht', 'Snake Mountain' oder 'Loreley' voller Inbrunst und sorgen so für die wohl dehydrierenste Performance des Summerblast. Mit 'Zombiefied' sowie 'Das Ende von John Wayne' gibt es gar neues Material zu hören. George A. Romero und The Duke wären ein bisschen stolz gewesen.

Latent gelichtete Reihen gibt es darauf bei SHAI HULUD zu vermelden. Dennoch weiß die Band mit starkem neuen Material und den Klassikern zu begeistern. Obwohl Bandneuling Matt Mazzali des öfteren die Puste wegbleibt (könnte am Klima liegen…), gelingt der Band ein intensiver Auftritt ohne Berührungsängste. Vor allem Gitarrist und Fels im Bandgefüge Matt Fox hat mit seinen Bekenntnissen zu Milo Aukerman im Speziellen sowie Nerdtum im Allgemeinen die Sympathien auf seiner Seite. Dazu komplex-gute Songs wie 'Scornful of the Motives…' und 'Misanthropy Pure'. Gelungener Auftritt.

BRING ME THE HORIZON sprechen dann eher den jüngeren Teil des buntgemischten Publikums an. Bunt vor allem wohl deswegen, da besagte Band so hübsch farbenfrohes Merchandise unters gescheitelte Volk bringt. Trotz des jungen Alters wirken die Briten sehr routiniert. Vielleicht ein wenig zu routiniert. Dennoch ein druckvolles Set, der Band, die einige gängige Klischees mit Leidenschaft bedient.

Während des Auftritts BLEEDING THROUGHs verirrt sich BMTH-Shouter Oliver Sykes ein weiteres Mal auf die Outdoor-Bühne, um zu zeigen, was er von den Großen gelernt hat. Highlights sind ähnlich wie bei ihren Kollegen THROWDOWN eher die älteren Songs. 'Love Lost in a Hail of Gun Fire' jedenfalls sorgt für massig Bewegung, Blickfang Marta hat Backsteine auf diese eine Keyboardtaste gelegt und Brendan Schiepettati gibt wie eh und je die testosteronverstärkte Rampensau.

Die in die Tage gekommenen NEGATIVE APPROACH haben aufgrund ihrer Spielzeit zwischen BLEEDING THROUGH und MADBALL erwartungsgemäß einen schweren Stand. Euphorische Anhänger des simpel-nihilistischen Hardcore-Punks finden sich trotzdem im Exil ein, um dem Kontrastprogramm beizuwohnen. So hat sich Hardcore also damals angehört…

Testosteron gibt es natürlich auch während des MADBALL-Auftritts in Hülle und Fülle. Immer wieder interessant zu beobachten wie bestimmte Leute sich exakt bei Beginn eines Sets die T-Shirts vom Leib reissen und sich in völliger Grobmotorik ergehen. Dennoch geht es während des Auftritts der New Yorker Urgesteine relativ gesittet zu, der bellum omnium contra omnes bleibt dann wohl für den Pit des eine Woche später stattfindenden Pressure Fests reserviert. Auf der Bühne sorgt – wie bei MADBALL üblich – ausschließlich Freddy C. für Bewegung, die Setlist indes lässt eigentlich keine Wünsche offen. 'Adapt and Overcome', 'Heaven and Hell' sowie das knackig-kurze 'Get Out' mit Publikumsunterstützung sorgen für Kurzweil. 'Pride' als Rausschmeißer wiederum führt seine inhaltlich Aussage ad absurdum. Was genau soll sich verändert haben?! MADBALL jedenfalls sind immer noch die Alten…

Zu den definitiven Höhepunkten gehört das Set COMEBACK KIDs. 'Talk Is Cheap' fungiert als obligatorischer Opener, 'Broadcasting' wird in einer wunderbar energetischen Version dargeboten. Energiebomben sind selbstredend eher die Stücke des Debüts und der "Wake The Dead"-LP, der Titeltrack hat sich jedenfalls als einer DER Hardcore-Hits der letzten Jahre ins kollektive Gedächtnis gebrannt und wird zum Abschluss in der Dämmerung voller Inbrunst mitgegröhlt. Scott wer?!

Die Rauskehrer des Summerblast sind die derzeit omnipräsenten HEAVEN SHALL BURN. Mit verkehrtherum aufgehängtem Banner, sympathischen Ansagen und Energie aus sämtlichen Rohren entlassen die Saalfelder die Meute in die Nacht. Die Setlist ist zwar ein wenig zu vorhersehbar, dennoch untermauert die Band ihren Ausnahmestatus. Schlagzeuger Matthias sammelt übrigens fleißig Sympathiepunkte als er dem selbsterklärten Chefredakteur dieser Seite seinen Drumstick vor den Latz knallt. Natürlich unbeabsichtigt. Was muss dieser Typ sich auch immer auf irgendwelchen Bühnen herumtreiben? Das Fazit nach diesem sonnenverwöhnten Samstag kann nur lauten: Trier wir kommen wieder…



Galeries:
Waking The Cadaver - Trier - Summer Blast Warm Up (20.06.2008)

Heaven Shall Burn - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Comeback Kid - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Madball - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Bleeding Through - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Bring Me The Horizon - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Shai Hulud - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Callejon - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Throwdown - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Baroness - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
As We Fight - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Misery Speaks - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Impaled - Trier - Summer Blast (21.06.2008)
Waking The Cadaver - Trier - Summer Blast (21.06.2008)