20.10.2010: Drag The River, Cory Branan, Austin Lucas - Hannover - Faust/Mephisto

20.10.2010
 

 

Expostadt vs. Trinkertour, Version 2010: Nachdem beim letzten Besuch von Jon Snodgrass, Chad Price und Konsorten im letzten Jahrtausendwinter ca. minus 20 Grad Celcius herrschten, wurde von Hannoverseite dieses Mal ein trauriger Mix aus Dauergrau und Dauerregen geboten. Was letztes Mal der erheblich sichtbare Kater vom Vorabend in Amsterdam war, wurde den musikalischen Bestreitern der "Budget Helicopter Tour" heute von der gestrigen Hamburger Aftershowparty bereitet.
Verhaltend nimmt der übersichtliche hannoversche Mob an diesem Abend die ersten Klänge von Cory Branan entgegen, der als Einziger relativ frisch für einen Dienstag Abend wirkt. Mit grandiosem Stimmeinsatz zwischen verzweifeltem und versoffenem Truckerrumoren und softem, gefühlsgebündeltem Herzensbrecherorgan reicht er "The Prettiest Waitress In Memphis" oder "A Girl Named GO" ein, stets selbst schockiert vom eigenen virtuosen und mächtigen Blues-/Slidegitarrenspiel. Der schmächtige Kumpel aus Tennessee mit dem wohl geilstem Touristenshirt der Welt ("Memphis" in "Metallica"-Logobuchstaben) scheint wie auf 160 getrieben von fraglichen Substanzen (?) und glänzt vollends mit spitzenmässigen Songs, die Lucero oder Ryan Adams nicht ergreifender oder lebensnaher hätten komponieren können. Was für ein Start. Wie ja mittlerweile üblich unter Songwriterkollegen, lässt sich Mr. Snodgrass den Posten des Backgroundsängers von Mr. Branan nicht nehmen und erscheint kurzerhand gegen Setende mitsamt Mischgetränk auf der Bühne des Mephisto. Auftakt gelungen. Auch wenn es von US-Seite Klagen gibt: "40 days on tour straight - we only got one day off. I am glad I was able to see at least some cathedral in Cologne so far. Besides, there´s only been clubs and streets." Der Arme...

Das olympische Feuer wird direkt übernommen - vom zugehackten Wonneproppen Austin Lucas, der heute mitsamt Schwesterherz Chloe Manor einen Platz im Budget Helicopter ergattern konnte. Stimmlich mindestens so groß wie Branan, schlägt man im Hause Lucas bekantlich eher die klassischen Americana- bis Gospeltöne an, in denen sich Chloes Banjospiel und Zweitstimme mehr als eindeutig einfinden.
"Dead Factories" oder natürlich "Somebody Loves You" treiben die Zeugen direkt an den Bühnenrand, von dem die Geschwister aus Indiana vorerst hinab performen, bevor es zur Wahrheitsdusche inklusive "Shoulders" direkt in die Mitte des "Moshpits" geht. Früher auf dem Feld gab es eben auch keine verdammte PA! Mit Familienmitglied Chloe an seiner Seite ist der heute gut gerräderte stämmige Teddybär noch kompletter und trumpft mit einem glatten Einserset, gesanglich noch emotionaler und wändeeinreissender als beim letzten Besuch im Chez Heinz in Hannover. Mit Stern. Und Schwester. Und Kater. Bleibt ein kurzer Moment, um sich auf der Konsummeile mit allerlei Vinyl und CD-Schätzen einzudecken, einschliesslich grafisch-glänzendem Tourshirt!

Dann endlich - Zeit, um auch über den Alkohol zu singen, der einem die Abende verüsst und die Tage darauf durch die Bank weg versaut. "Hi. We´re Drag The River. This is song number one". Soweit klar. Mr. Price und Mr. Snodgrass, heute mit elektroverstärkter Gitarre (Pluspunkt!) öffnen die Trinkerbibel und packen ihre Weisheiten aus. "Life Of The Death Of The Party" oder "Medicine" sprechen für sich, der feiernde Pöbel wünscht "Me & Joe Drove Out To California" und "Embrace The Sound" (immer bloß die Klassiker...Minuspunkt?). Mit einem Chad Price, über den man sich rein äusserlich schon fast sorgen muss und der heute umso kürzer angebunden zu sein scheint, geht es durch ein überschaubares Set mit "All In All" (schon grenzwärtig, aber dennoch klar überzeugend von Price gesungen...haha!) sowie "Having A Party" Richtung Finale, zu dem der Tourhubschrauber erneut komplett auf der Bühne versammelt wird. Was juckt, darf losgeworden werden: Snodgrass röhrt wie erkältet einmalig durch den dreckigen Bart, Cory Branan wirft ein lupenreines Gitarrensolo in der Topf, Austin und Chloe überbieten sich gegenseitig mit Vocal-Volumen - und Chad "All" Price gönnt sich erstmal einen Drink im Backstage. Was lange währt...
Als sich Mitternacht nähert, packt man mit "Go West" und allen verfügbaren Gemütern die Koffer (Wein nicht vergessen!) und lässt Hannover zurück. Vorerst. Aber mit offenen Mündern. Und Gänsehaut, die für den Heimweg durch das Dauergrau, mittlerweile Dauerschwarz, reicht.