22.04.2011: Groezrock Festival - Groezrock Festival in Meerhout (Belgien)

22.04.2011
 

 



Ganze 20 Jahre gibt es das Groezrock im belgischen Meerhout jetzt schon. Was die Existenzspanne betrifft spielt man hier also etwa in derselben Liga mit Rock am Ring, Wacken und so weiter. Dennoch bestand der Charme dieses Festivals natürlich immer darin, dass es irgendwo auf der Schwelle steht – es handelt sich nämlich weder um ein kleines Dorffest noch um eine riesige Mainstream-Veranstaltung, die im Fernsehen ausgestrahlt wird. So zumindest bis zuletzt. Dass der Preis dieses Jahr jedoch von 90 auf stramme 125 Euro ansteigt, war für viele im Vorfeld schon ein Grund „Nein“ zum Groezrock zu sagen. Eine leichte Entscheidung war das jedoch sicherlich für niemanden. Denn auch 2011 treffen brandheiße Newcomer (relativ gesehen) wie The Ghost Inside oder Asking Alexandria (man mag von den Bands halten, was man will) auf Urgesteine vor allem des Punkrocks und des Hardcores, so zum Beispiel die Dropkick Murphys, NOFX oder Sick of It All. Besondere Leckerbissen dieses Jahr: Die erste Europatour von Craig’s Brother, 2 Tage Thursday (ein Tag das komplette Album „Full Collapse“), ein „Pennybridge Pioneers“-Set von Millencolin, eine exklusive Show von Further Seems Forever und CIV, wiedervereinigte Bands wie Morning Again, boysetsfire und Blood For Blood – die Liste könnte man sicher noch weiter führen. Einige Gründe also. Dazu addiert sich ein bombastisches Wetter am Osterwochenende, welches sicher noch manche Zweifler bekehrt.
Dass man für dieses Festival eigentlich nicht früh genug los fahren kann, ist längst kein Geheimnis mehr: So füllt sich der Campingplatz meistens schon donnerstag nachts beträchtlich und die Leute nehmen den 10€ Aufpreis fürs früher kommen gerne in Kauf. Leider besitzt nicht jeder die Freiheit, schon so früh anzureisen und so muss man sich an diesem Freitag natürlich auf Stau, Wartezeiten und einen stressigen Zeltaufbau einstellen. Der Regen um die Mittagszeit kommt sehr überraschend, drückt die Stimmung aber kaum.


FREITAG

Die erste Band, die ich mir dieses Jahr ansehen kann, ist die neue Band von Jim Lindberg (ehemals Pennywise). Obwohl es THE BLACK PACIFIC nicht mal ein Jahr gibt, ist der Anklang riesig. Etliche Menschen hat es vor die Mainstage gezogen, Lindberg’s Name allein hat da sicherlich auch eine Rolle gespielt. Denn natürlich ist man neugierig. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich der einzige bin, der mit Zoli Teglas am Mikrofon von Pennywise eher semizufrieden ist. Live entpuppte sich Pennywise auf dem Groezrock 2010 als die größte Enttäuschung des Festivals. Und auch auf Platte wird sich mein Eindruck da wohl nicht mehr ändern. So ist es umso schöner zu sehen, dass Jim Lindberg mit seiner neuen Gruppe quasi perfekt funktioniert. Nicht mehr nur am Gesang, sondern zusätzlich auch mit einer Gitarre bewaffnet brilliert die Punkrock-Legende am frühen Abend. Das Klangbild gestaltet sich wesentlich differenzierter als man das noch von den typischen Pennywise-Songstrukturen kannte. Klar lässt sich die Ähnlichkeit nicht leugnen, Lindberg’s Stimme gepaart mit elektrischen Gitarren in Richtung Punkrock werden wohl zwangsläufig immer dazu führen. Jedoch scheinen THE BLACK PACIFIC mehr zu experimentieren und wirken daher um einiges frischer. Was viele Leute nicht wissen, ist das Lindberg auch schon bei Pennywise viel an den Songs mitgewirkt hat. In seiner neuen Band hat er das selbstbetitelte Debutalbum sogar im Alleingang geschrieben. Die Menge findet ihren Spaß vor allem an einem Ramones Cover („Blitzkrieg Bop“), aber definitiv auch an den eigenen Songs der Band wie etwa „Living With Ghosts“ oder dem einprägsamen „Ruinator“.

Eine Sache die das Groezrock jedes Jahr auf’s Neue auszeichnet ist, dass auch die älteren Herrschaften mit deren ehemaligen Lieblingsbands versorgt und somit begeistert werden. GREY AREA fallen potenziell in diese Kategorie. Obwohl die Band aus New York kommt, hat sie mit NYHC nicht viel am Hut. Vor allem was den Sound angeht. Die unter anderem aus Warzone entstandene Band erinnert mich auf Anhieb zum Beispiel an H2O, die ja auch dieses Wochenende noch ihren ersehnten Auftritt als Headliner der 3. Stage abliefern werden. Zu den punkigen Riffs gesellen sich sehr mitsingbare Textzeilen (übrigens hat für das Chor-Feeling auch jeder der 4 Musiker ein Mikro vor der Nase) und eine sehr klare, hohe Leadgitarre, die die Lieder aufpeppt. GREY AREA beweisen, dass sie noch lange keine alten Herren sind und stehen so auf der nicht abgesperrten etnies-Stage besser da als so manche Youngster, die noch folgen sollten. Auch im Publikum ist der Altersdurchschnitt vergleichsweise angehoben, jedoch ist die Menge äußerst vital und stagedivefreudig.

SICK OF IT ALL sind wirklich Stammgäste auf dem Groezrock. Zwar konnte der 2-Jahres-Rhythmus (den man ja auch bestens von der Persistence Tour kennt) nicht eingehalten werden, aber nach 2002, 2004, 2006 und 2008 verzeichnet die Band um die Gebrüder Koller bereits ihren 5. Auftritt in Meerhout. Ich kann mir zwar nicht vorstellen dass es irgendwo auf der Welt noch Probleme gibt die Crowd für sich zu gewinnen, aber in Belgien haben die Herren heute besonders leichtes Spiel. Ein äußerst imposanter Circlepit um die Soundbox und eine meterlange Wall of Death gehören genau so zum Standard-Repertoire wie Songs à la „Scratch the Surface“, „Step Down“ oder „Built to Last“. Besondere Schmankerl sind heute „Us vs them“ im Konfettiregen und ein anscheinend geplantes Feature mit Matt Fox von Shai Hulud, aus dem aber nichts wird, weil dieser nicht aufkreuzt. „Death or Jail“ und weitere Lieder vom neuen Album sorgen ebenfalls für ein wenig Spannung. Ansonsten kommen SICK OF IT ALL aber gewohnt selbstbewusst rüber. Die Band feiert im Gegensatz zum Groezrock inzwischen sogar schon ihr 25jähriges Bestehen und stellt neben ihrer Vorliebe für boobies auch klar: „This ain’t a fucking reunion, it’s our fucking life!“. Klare Sache, dass für viele also bereits vor acht Uhr schon eine der wichtigsten Bands gespielt hat.

Wieviel Prozent der MILLENCOLIN-Fans stimmen mir zu, wenn ich sage dass „Pennybridge Pioneers“ das beste Album der Schweden ist? Wahrscheinlich der größte Teil. Das wissen die Örebroer auch selbst und machen so heute sicherlich alles richtig. Ein Blick vor die Bühne verrät, dass die Vorabankündigung (man spiele ein „Pennybridge Pioneers“-Set) ein äußerst cleverer Schachzug war. Auch diese Band war bereits 3-mal zuvor auf den belgischen Äckern vertreten, das erste Mal 1998 – hat den Aufstieg des Groezrock-Festivals also hautnah miterlebt und daran teilgehabt. 50 Minuten lang scheint es jetzt so, als ob das ganze Zelt mitsingt und ein Dauergrinsen aufgelegt hat. Daran, dass MILLENCOLIN nun mal eine recht öde und unbewegliche Live-Band sind, ändert sich natürlich nichts. Dafür machen die Fans ihren Job angemessen und halten die Party am laufen. Der Auftritt entpuppt sich also als etwas Nettes für zwischendurch und als guter Anheizer für Flogging Molly, den Headliner des heutigen Tages. Ob „No Cigar“, „The Ballad“, „Penguins and Polarbears“ oder „Fox“, man kennt sie doch alle noch von früher und kann sich daran erfreuen. Auch Nikola Sarcevic’s akustisches Zwischenspiel wird mit ohrenbetäubendem Applaus und Mitsingen belohnt.

Im Zusammenhang mit SHAI HULUD hört und liest man ja öfter mal, sie wären so etwas wie die Erfinder oder Wegweiser des Metalcore. Darüber kann man sich sicher streiten, fest steht dass sie nach wie vor eine Bank in der Hardcore-Szene sind und daher für Anhänger eben jener eigentlich kein Weg vorbei führt an diesem Auftritt. Augenscheinlich hat man schon wieder einen neuen Sänger (dürfte dann jetzt der Vierte sein?) an Bord und so ist es schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass Matt Fox wohl das Gesicht der Band ist. Schließlich ist der auch verantwortlich für das unglaublich technische Riffing, dass die Band so sehr auszeichnet und abhebt. Für die ursprünglich aus Florida stammende Kapelle ist es heute das Groezrock-Debut und es ist ein sehr gut besuchtes. Das kleine Etnies-Zelt ist randvoll gefüllt und die Menschenmassen vor der Bühne dicht genug für etliche Stagedives. Leider ist der Sound auf dem Tages-Tiefpunkt und die Musik kommt daher sehr undifferenziert beim Hörer an. Das Set ist gespickt aus Klassikern wie „Hardly“, „Set Your Body Ablaze“, und dem grandiosen „This Wake I Myself Have Stirred“ (ein Opening-Riff das im Gehörgang bleibt). Sehr gut kommt aber auch der Titeltrack des letzten Albums „Misanthropy Pure“ an und es werden auch ganz frische Songs gespielt. Der neue Mann am Mikro macht sich zwar ganz gut, wirkt jedoch trotzdem irgendwie ersetzbar und noch leicht verunsichert. Man sieht ihm Spielfreude an, aber das ist ja nun mal nicht alles. Man darf also gespannt sein, wie das neue Album, das wohl noch dieses Jahr auf Metal Blade erscheint, wohl klingen wird.

Wenn eine Hardcore-Band ein solches Spektakel wie das Groezrock auf der Hauptbühne co-headlinet, dann kann es sich eigentlich nur um eine handeln: HATEBREED! Nach 18 Jahren des Bandbestehens und der Veröffentlichung von 7 Studioalben lautet mein Kommentar da logischerweise: Verdient. Der typische Festivalgänger dürfte schon mal in den Genuss gekommen sein, aber man kann dieser Band einfach nicht unterstellen, dass sie live nicht total genial wäre. So haut einen der kompromisslose Knüppelsound live sogar noch mehr aus den Socken und 55 Minuten verfliegen einfach nur. Jasta und co. nehmen einen mit auf eine Reise quer durch die Bandgeschichte und trotzdem wirkt alles wie aus einem Guss. Ein Kracher folgt auf den nächsten. „Perserverance“, „Driven by Suffering“, „To the Treshold“, „This is Now“, „Tear it Down“, „Doomsayer“, „As Diehard as they come“ – um einige zu nennen. Dass man immer wieder T-Shirts mit Jasta-Aufdruck sieht, ist in der Welt des Metal und Hardcore wohl auch ziemlich einzigartig und so verwundert es nicht, dass Jamey bei seinen Ansagen sympathisch, aber doch irgendwie abgeklärt wirkt. Er betont unter anderem, dass die Band nicht von irgendwo hier auf dieser Bühne steht, sondern dass es das Ergebnis aus 15 Jahren harter, harter Arbeit ist. Und ich nehme es ihm ab. Ich werde jedoch etwas stutzig, als HATEBREED dann gegen Ende des Sets ein Lied mit Clean-Vocal-mäßiger Richtung spielen. Kenne ich nämlich gar nicht. Meine Recherche ergibt: Der Song heißt „Every Lasting Scar“ und stammt vom neuen Album, welches ich mir dann wohl mal zu Gemüte führen sollte. Beendet wird das Set mit den Hymnen „Defeatist“, „Live for this“ und dem durch Triple X bekannt gewordenen „I Will be Heard“.

FLOGGING MOLLY schaffen es dann im Anschluss auf der Hauptbühne tatsächlich, noch einen drauf zu setzen. Der irisch-amerikanischen Folk-Punk-Band gelingt das, was Hatebreed zuvor gefordert hatten: Der Boden bebt in Meerhout! Kein Wunder, wenn ein paar tausend Menschen zu den maximal tanzbaren Songs im Takt mit springen. Nächsten Monat soll mit „Speed of Darkness“ ein neues Album erscheinen und so wird unter anderem „Don’t Shut Em Down“ gespielt, welches man sich bereits kostenlos herunterladen kann. Größtenteils füllt die 7 Leute starke Kombo die Stunde aber natürlich mit Klassikern wie „The Likes of You Again“, „If I Ever Leave this Worl Alive“ oder dem auf Tony Hawk’s Pro Skater vertretenen „Drunken Lullabies“. Dreh- und Angelpunkt der Bande ist dabei sicherlich das Ehepaar King. Dave King agiert am Mikrofon sehr souverän, humorvoll und unterhaltsam, während seine Frau Bridget an mehreren Instrumenten (Violine und wie z.B. bei „Devil’s Dance Floor“ an der so genannten Tin Whistle Flöte) brilliert. FLOGGING MOLLY sind die unbestrittenen Meister auf ihrem Gebiet, das beweist sich auch live auf der Groezrock-Geburtstagsfeier. Gefährlich werden können ihnen da höchstens die Dropkick Murphys, die die Sache jedoch wesentlich rauer, schneller und punkiger angehen. Um sich von deren Live-Fertigkeiten zu überzeugen, muss man allerdings noch einmal schlafen. Und so wird man von FLOGGING MOLLY mit „What’s Left of the Flag“ nach einem sehr ereignisreichen und lohnenswerten Freitag ins Zelt entlassen – es sei denn man dreht noch eine Runde auf dem Campingplatz um sich mit Leuten aus aller Herren Länder zu betrinken.


SAMSTAG

Es ist zwar erst 12.15, aber der Groezrock ist schon längst wach. Bei der Hitze im Zelt kein Wunder. Aber fit sind die meisten Leute trotz der kurzen Nacht auch. Zumindest diejenigen, die sich zu CRUEL HAND vor der etnies-Stage austoben. Die Band aus Portland, Maine hat sich durch ewiges Touren auch in Europa längst etabliert und so kann man trotz des frühen Slots durchaus überzeugen. Nachdem lange Zeit mit einer Gitarre ausgekommen werden musste, ist Nate (der zwischenzeitlich gedrumt hatte) nun wieder zurück an seiner Klampfe und die Band wieder zu fünft. Und der Unterschied macht sich natürlich auch im Sound bemerkbar. Endlich kann man die anspruchsvollen Gitarrensoli, die auf dem neuen Album „Lock & Key“ zu finden sind, auch mal live umsetzen. Fans der Cro-Mags, aber auch von Madball und älteren Metallica sollten wie man weiß bei CRUEL HAND voll auf ihre Kosten kommen. Das rotzige, energetische Gemisch wirkt auch im Moshpit sehr gut – viel Side-to-Side-Action und der geneigte Violent Dancer kann theoretisch auch 35 Minuten lang seine Show abziehen. Alle 3 Alben sind gut in der Setlist vertreten, alte Songs wie „Trust Me“ werden dabei ähnlich gut angenommen wie das neue Material („One Cold Face“, „Cruel Hand“). Der letzte Song „Dead Weight“ sorgt noch mal für ordentlich Bewegung vor der Bühne und unterstreicht eine gewohnt gute Live-Show. Da CRUEL HAND zurzeit alleine in Europa auf Tour sind bleibt zu hoffen, dass die Konzerte gut besucht werden. Verdient hätte es die aus ehemaligen Outbreak-Mitgliedern entstandene Band.

Wie jedes Jahr haben die Veranstalter des Groezrock wieder versucht, auch einige Ska-Bands in ihr Line-Up zu integrieren. Zwar tritt man diesbezüglich 2011 etwas kürzer, aber STREETLIGHT MANIFESTO aus New Jersey sind definitiv etwas für alle Tanzwütigen. Entstanden aus den beiden Bands Catch22 (2009 auf dem Groezrock gewesen) und One Cool Guy weilt die siebenköpfige Kapelle nun auch fast 10 Jahre im Musikgeschäft. Dass man daher auf der Hauptbühne spielt und das Zelt am Samstagmittag schon zu mehr als der Hälfte füllt ist kein Wunder. Genau so wenig ist es ein Wunder, dass man ausschließlich Songs der beiden Alben „Everything Goes Numb“ und „Somewhere in the Between“ spielt, denn neben diesen hat man lediglich ein Demo, ein Catch22-Coveralbum und 2010 ein weiteres Coveralbum veröffentlicht, auf denen man zum Beispiel Songs von NOFX, Radio und The Postal Service finden kann. Es ist dennoch sicher zu sagen, dass STREETLIGHT MANIFESTO mit diesen 2 Platten die Ska-Welt revolutioniert und einen sehr eigenen Sound entwickelt haben, der sich durch die enorme Instrumentierung sehr facettenreich gestaltet. Parallelen zu Catch22 sind durch Tomas Kalnoky, welcher übrigens heute durch seine enorme Präzision und seine unverkennbar gute Stimme überzeugt, selbstverständlich gegeben. Hit folgt auf Hit, so zum Beispiel „A Better Place, A Better Time“, „Down to Mephistos Cafe“ oder “We Will Fall Together”. Ein willkommener Kontrast zu den sonst eher härteren Bands, die auf dem Groezrock aufspielen.

GRAVE MAKER sind zurzeit auf der Through the Noise Tour mit ihren kanadischen Kollegen von Comeback Kid, mit The Ghost Inside, Kvelertak (die seltsamerweise nicht auf dem Groezrock Festival spielen) und Social Suicide unterwegs. Die 4 Jungs aus Vancouver waren aber auch zuvor ausgiebig in Europa auf Tour und so verwundert es sicherlich, dass vor der etnies-Stage kaum etwas los ist. Im direkten Vergleich mit Cruel Hand ziehen GRAVE MAKER heute also definitiv den kürzeren. Die Band jedoch macht sich nicht wirklich etwas draus und zieht ihr Set mit ungefähr einem dutzend textsicherer Fans routiniert durch. Der Auftritt wird mal wieder durch den ziemlich durchwachsenen Sound auf der dritten Bühne etwas geschmälert. „Drop the Torch“, „Dusk to Dawn“ und so weiter kennt man von der Platte her stärker. Dennoch wirk die Band energisch und auch sehr sympathisch, wobei es unglaublich nervt dass der Gitarrist während der Ansagen generell die Rückkopplung laufen lässt. Das ist nicht nur schlecht für die Ohren der Zuschauer, man kann sich so auch einfach die Ansagen sparen, weil eh nichts ankommt. Trotzdem wird natürlich obligatorisch applaudiert. Jon McRae hätte wahrscheinlich auch einfach einen Vortrag über Grießbrei halten können und niemand hätte es gemerkt. Auch Songs vom neuen Album „Ghosts Among Men“ werden gespielt, so zum Beispiel der Titeltrack, „Stronghold“ oder „Hell Followed“. Die Band verschiesst ihr Pulver dann aber erst mit „Time Heals Nothing“, dem GRAVE MAKER-Übersong.

Bodenständig und schnörkellos gehen auch DEAR LANDLORD ihr Set an. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken auf der dritten Bühne des Groezrock. Hatte ich mich im Vorfeld noch nicht all zu sehr mit den Herren beschäftigt, überzeugt mich das was ich sehe total. Als eine der wenigen Bands hält sie die Flagge hoch für den guten alten Punkrock, die Stimmung ist bombe und es wird gestagedivet und sich in den Armen gelegen, während man vor allem Songs vom Album „Dream Homes“ mitsingt. DEAR LANDLORD nehmen sich zwischen den Liedern auch genug Zeit, um ein paar Witzchen zu machen, unter anderem auch mit einem Stagediver im Chicago-Bulls-Trikot, der als Michael „Air“ Jordan bezeichnet wird, aber dann aufgrund seiner Körperproportionen glanzlos in den Leuten untergeht wie ein sterbender Schwan.

Mit GOLDFINGER steht dann am Nachmittag die zweite Ska-Band auf der Bühne und beschallt eine relativ große Menge vor der Hauptbühne. Ich bin sicher nicht der Einzige, der die Band damals durch die Tony-Hawks-Pro-Skater-Reihe entdeckt und zu lieben gelernt hat. Die Erinnerungen sind jedoch sehr verschwommen und so auch die Textsicherheit verschwunden. So ist dieser Auftritt zwar ein netter Leckerbissen für zwischendurch, aber nichts wirklich Notwendiges. Die Herren sind ins Alter gekommen, mir fehlt allerdings der Vergleich, ob sie früher mal agiler waren. Man hebt sich klugerweise das Beste für den Schluss auf und so kommt im riesigen Hauptbühnenzelt nochmal richtig Stimmung auf, als man mit „Miles Away“, dem Knaller „Superman“ und dem Nena-Cover „99 Red Balloons“ abschließt. Mitsingen kann hier natürlich jeder.

Zu einer regelrechten Festivalband emanzipiert haben sich COMEBACK KID aus Winnipeg. Hatte ich mich eine Woche zuvor in der Kölner Essigfabrik noch über die scheinbare Antriebslosigkeit gewundert, werde ich heute eines besseren belehrt. COMEBACK KID sind einfach nicht mehr die süße kleine Hardcore-Band von nebenan. Anscheinend gehören sie jetzt auf solche Bühnen wie die Eastpak Stage auf dem Groezrock. Denn was man heute geboten bekommt, ist wirklich großartig. Zwar hat man erhebliche Technikprobleme am Bass, sodass gut und gerne fünf bis acht Minuten Spielzeit verloren gehen. Aber dennoch gelingt es, das vollgepackte Zelt mit einem Kracher nach dem anderen zu bedienen. Dabei wirkt die Performance mal wieder sehr ausgeklügelt, wie man das vom Live-Album kennt mit vielen Übergängen und natürlich allen Hits. „Partners in Crime“, „Talk is Cheap“ und „Broadcasting“ lassen sich da sicher als Höhepunkte nennen. Es werden jedoch auch sehr alte („All in a Year“, „Changing Face“, „Step Ahead“) und sehr neue („Do Yourself a Favor“, „G.M., Vincent and I“) Songs rausgehauen. Da das neue Album ja auch wieder ein eindeutiger Schritt in Richtung Mainstream war, darf man gespannt sein ob COMEBACK KID wirklich noch weiter auf der Karriereleiter nach oben klettern. Die Band sah auf dem Area4-Festival letztes Jahr ziemlich verloren aus und macht auch auf einem Festival wie dem Southside nicht die beste Figur, aber auf das Groezrock passt die Modern-Hardcore-Speerspitze sicher bestens. Das beschert Andrew Neufeld und co. nach eigener Aussage sogar den bisjetzt größten Gig, den die Band je gespielt hat. Klasse Show!

Ebenfalls auf dem aufsteigenden Ast (aber das ist ein deutlich steilerer) befinden sich die Tourkollegen THE GHOST INSIDE, die sich die etnies-Bühne ausgesucht haben und deshalb sogar noch eine Stunde später ran dürfen als Comeback Kid. Diese Wahl entpuppt sich als ziemlich mutig, denn neben H2O und Morning Again dürften THE GHOST INSIDE einen der bestbesuchtesten Gigs auf dieser Stage hingelegt haben. „I’ve got something here worth fighting for!“ – mit den ersten Worten brechen gleich die ersten Stagedives los und das komplette Zelt steht Kopf. Auffällig ist hierbei, dass sich sehr viele Mädchen in den ersten Reihen versammelt haben und Sänger Jonathan Vigil die Texte entgegen brüllen. Neben den Surferboys von Parkway Drive schwimmen THE GHOST INSIDE auf der Metalcore-Welle zurzeit definitiv ganz oben und das haben sie sich auch absolut verdient. Entgegen der aktuellen Trends wird hier auf tellergroße Plugs, von Mutti finanzierte Ganzkörpertattoos und Rumgekrabbe verzichtet und man wirkt einfach authentisch und trotz der harten Mucke äußerst positiv. Ein erfrischender Wind in einer Szene, die sich selbst viel viel zu ernst nimmt und die einfach überflutet ist mit unnötigen Bands (das zeigt sich übrigens auch streckenweise im Groezrock Lineup..). Bei THE GHOST INSIDE passt heute einfach alles, nette Songs wie „The Brave“ und „Between the Lines“ werden sehr gut dargeboten und machen so live nochmal mehr Spaß. Beide Alben fließen etwa zu gleichen Teilen in die Setlist ein, bis dann mit „Faith or Forgiveness“ grandios abgeschlossen wird. Zu meiner Überraschung betont Vigil auch, welche Ehre es für ihn ist, mit NOFX auf demselben Festival zu spielen, denn es handele sich um eine seiner All-Time-Favorite-Bands. Der Mann hat Geschmack.

Schnell zur zweiten Stage gesprintet um festzustellen: 2011 stört kein Vulkan SNAPCASE an ihrer Reise nach Meerhout und so kann der geplante Auftritt von letztem Jahr nun nachgeholt werden. Die älteren Herrschaften freut das natürlich. Es klaffen jedoch riesengroße Löcher vor der Bühne und auch der Moshpit ist überschaulich klein. „Mehr Platz für mich!“ werden sich die Anhänger der Band wohl denken. Die jüngere Generation ist sich natürlich dem erheblichen Einfluss, den die Band auf die komplette Hardcore-Szene hatte, nicht bewusst. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass sich deutlich mehr Leute über die Reunion freuen. SNAPCASE bringen ihre 50 Minuten relativ unspektakulär über die Bühne, wirken ziemlich steif und müde, machen aber trotzdem einen dankbaren Eindruck.

In 4 Jahren nur 2 neue Songs zu schreiben, ist schon eine beachtenswerte Leistung. NO TRIGGER ist das jedoch keinesfalls peinlich. Aber warum auch? Mit „Canyoneer“ hat die Band 2006 einen Batzen hingelegt, der im melodischen Hardcore beziehungsweise modernen Punkrock seinesgleichen sucht – da geht wirklich nur noch A Wilhelm Scream drüber. Die Masse ist sehr gut gelaunt und mitsingfreudig, ich kann mir nicht vorstellen dass das auf dem Groezrock 2008 auch so rosig für NO TRIGGER aussah. Nachdem man 3 Jahre dann gar nicht in Europa gespielt hat, kann man heute sogar mit links die Tatsache kompensieren, dass man parallel zu Madball spielt. Eine neue 7 Inch namens „Be Honest“ hat man auch im Gepäck und so kann man mit „Earthtones“ dann auch einen sehr neuen Song präsentieren. Ansonsten stützt sich das Set auf Songs wie „Neon National Park“ oder „The Honshu Underground“, die sich durch ein unglaubliches Songwriting auszeichnen: Schnell, abwechslungsreich und an der Lead-Gitarre einfach bombastisch gut. Zu „My Woods“ erklärt man, dass man zwar inzwischen 27 Jahre alt ist, aber im Kopf immer noch ein Kind. So mancher Groezrock-Dauerbesucher kann diese Ansicht wohl teilen und so streichen NO TRIGGER Sympathien ohne Ende ein. Punkrock nähert sich zwar vielleicht dem Tod, aber es gibt immer noch ein-zwei Hände voll aktueller Bands, die einen einfach vom Hocker hauen.

Eine der erfreulichsten Nachrichten 2010 war sicherlich, dass BOYSETSFIRE zurück sind. Auch in Belgien hat man sehnsüchtig darauf gewartet, unsere Zeltnachbarn aus Österreich betonen sogar, ausschließlich deshalb nach Meerhout gefahren zu sein. Dass man mit „The Misery Index“ 2006 sein Meisterwerk hingelegt hat, steht für mich total außer Frage. Aber auch auf den Vorgänger-Alben befinden sich unvergessene Lieder, die einen in der Jugend begleitet haben. Ein tolles Gefühl daher, Songs wie „My Life in the Knife Trade“ oder „Rookie“ vier Jahre nach der Abschieds-Tour auch wieder live erleben zu können. Nathan Gray stellt einmal mehr unter Beweis, dass er ein sehr charismatischer und stimmsicherer Frontmann ist und rundet so den guten Sound von BOYSETSFIRE ab. Wer heute allerdings seine Chance verpasst hat, hat 2011 noch ausreichend Gelegenheiten die Band live zu sehen: Neben etlichen Festivalauftritten im Sommer steht nämlich auch eine Clubtour mit Letlive an. Der Auftritt auf dem Groezrock beweist jedenfalls, dass BOYSETSFIRE immer noch die alten sind.

Nach langer Zeit der Inaktivität wieder ähnlich am durchstarten wie boysetsfire sind auch BLOOD FOR BLOOD - zur Freude eines fast jeden Hardcore-Jüngers. Um die Band aus Massachusetts lässt sich einfach kein Bogen machen, wenn man sich ein bisschen mit der Geschichte des Genres beschäftigt. So sind einem Klassiker wie „Some Kind of Hate“ oder „Soulless“ natürlich im Gedächtnis geblieben. Einziges Manko ist, dass Rob Lind nicht an Bord ist und durch Biohazard-Sänger Billy Graziadei ersetzt wird. Dieser gibt sich zwar Mühe und wirkt erprobt, Linds unverkennbare Stimme lässt sich jedoch nicht so leicht imitieren. Buddha’s Säuferstimme ist bei den Ansagen sehr dünn und schwach, aber die Songs performt er wie aus dem Lehrbuch. Ähnlich wie auch schon auf der Persistence Tour entsteht zwar ein riesiger Pit und die Menge reagiert großzügig auf BLOOD FOR BLOOD, aber irgendwie hatte ich meine Erwartungen an die Band wohl zu hoch gesteckt. Denn so wunderbar wie ich mir das immer ausgemalt hatte ist das Ganze dann doch nicht.

Milo goes to Groezrock! Ähnlich grau geworden wie Dave King von Flogging Molly geben sich die Herren DESCENDENTS auf dem 20jährigen Groezrock-Geburtstag noch mal die Ehre. So richtig wahrhaben kann man das natürlich erst, als man es dann am Samstagabend mit eigenen Augen sieht. Exklusiv für den Groezrock hat man sogar T-Shirts anfertigen lassen. Und ja: Zwar wirkt man nicht mehr ganz so authentisch beim Singen dieser postpubertären Texte, doch trotzdem beweist man, dass man nicht zwangsweise angewurzelt am Fleck stehen muss, wie in den vorangegangenen Jahren zum Beispiel No Fun At All und Bad Religion. Milo Aukerman springt herum und verfügt noch über sein spritziges Stimmchen, Stephen Egerton fühlt sich wohl beim posen an der Gitarre, Karl Alvarez und Bill Stevenson bilden mit ihren ausgeprägten Fähigkeiten an Bass-Gitarre und Schlagzeug dabei natürlich das solide Grundgerüst dieser Punkrock-Legende. Die Band gibt es nun seit 1978, da kann man bezüglich des Groezrock-Jubiläums wahrscheinlich nur nüchtern schmunzeln. Trotzdem wirken legendäre Punkrock-Klassiker wie „Everything Sucks“ oder „I’m the One“ 2011 alles andere als fehl am Platze.

Co-Headliner auf der Mainstage sind heute die DROPKICK MURPHYS - wer kennt sie nicht? Schnell den Kilt und den Dudelsack rausgeholt und los geht die wilde Party. Demjenigen, an denen allerdings vorbei ging, dass die Band vor kurzem ein neues Album namens „Going Out in Style“ (in Deutschland zeitweise veröffentlicht hat, wird es ähnlich gehen wie mir: Es stellt sich relativ schnell Enttäuschung ein. Denn das Murphys-Set konzentriert sich eindeutig auf dieses neue Output und so wartet man vergebens auf eine Reihe von Hits. Ich langweile mich ob der Unkenntnis der Lieder recht schnell und stelle die Position der Band ein wenig in Frage. Der Auftritt wird trotzdem recht gut abgefeiert und Songs wie „I’m Shipping Up to Boston“ und „The Wild Rover“ sind dann wenigstens ein paar Trostpflaster. Im Vorfeld waren die DROPKICK MURPHYS für mich einer der Hauptgründe, das Groezrock 2011 zu besuchen. Wie sich herausgestellt hat, hätte ich nichts erwarten sollen. Schade. Da könnte man sich wirklich selbst in den Arsch treten, dass man nicht lieber H2O angeguckt hat. Es steht außer Frage, dass diese wie auch schon 2010 die etnies-Stage zerlegt haben.

Nichts kann eine solche Enttäuschung besser wieder gut machen als eine Stunde NOFX, die beste und lustigste Band der Welt. Böse Zungen behaupten, es handele sich um eine schlechte Live-Band, was brutaler Schwachsinn ist. Es gibt massig Bands, die bemüht versuchen ihre Performance mit ein bisschen Humor aufzupeppen, aber keine schafft das so natürlich und so kompromisslos wie NOFX. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, werden zunächst mal wieder die Belgier als Pädophile verrufen, danach verhöhnt man dann gleich das ganze Publikum als picklige Pissblagen. Musikalisch weiß das Ganze auch zu überzeugen: Nachdem man mit „Dinosaurs Will Die“ eröffnet, werden einem die Hits nur so um die Ohren gefeuert: „The Brews“, „Linoleum“, „Murder the Government“, „Fuck the Kids“, „Champs Elysees“, „Don’t Call Me White“ und so weiter und so fort. Wer hier nicht mitsingen kann, der hat definitiv was verpasst in seinem bisherigen Leben. Um dem ganzen dann die Krone aufzusetzen, spielen NOFX das betont stinklangweilige „Theme from a NOFX album“ als letzten Song, danach spielt Eric Melvin eine gefühlte halbe Stunde auf dem Akkordeon weiter, während das Equipment schon abgebaut wird. Letztendlich wird er dann (ob inszeniert oder nicht) von Offiziellen von der Bühne entfernt. Sowas kann sich wohl wirklich nur diese Band erlauben. So marschiere ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht wieder in Richtung Campingplatz und bin froh, ein schönes und sonniges Wochenende in Meerhout verlebt zu haben.