23.01.2012: The Intersphere, Pin.Head, A Kew´s Tag - Bei Chez Heinz, Hannover

23.01.2012
 

 




Genau 390 Sekunden. 390. Nicht 395. Und erst recht nicht 383. Stünde dieser herbstliche Montagabend nicht im Zeichen des soeben veröffentlichten dritten LP-Opus „Hold On, Liberty!“, sondern in jenem eines weichgekochten Eis, das Drama wäre perfekt, das Chaos kaum auszumalen. A KEW´S TAG pflücken noch die letzten, ju(n)gendlich avantgardistischen Halbakustikpop-Früchte vom Baum während der hauptberufliche Bandmanager Papa (imaginär oder wahrhaftig) bereits mit erhobenem Zeigefinger neben der Bühne wartet. „Verbeugt Euch artig und wischt Euren Schweiß von den teuren Instrumenten, Kinder!“ „Ja, Papa.“


Mit einem bitteren Löffel rühren dann hingegen die frisch formierten PIN.HEAD durch die Hölle, wo Metalprisen, Progrock und Pfund auf das wunderbar authentische „Jazz Ist Scheiße“-Shirt des versierten Gitarristen treffen und mit wandelbaren Vocals zwischen Endzeitkreischen und Weltallsphäre aufhorchen lassen. Wo zuvor in THE HIRSCH EFFEKT oder KADOSH gefrühsportet wurde, brät das lokale Quartett nun unter neuem Namen teils brachiale Partkikel abseits von 4/4-Takt und Radioformat zu einem stattlichen Bastard aus ebenen Bassläufen und wirren Gitarren-Klangwelten zusammen. Nebenbei werden (die heute nur begrenzt vorhandenen) Sympathiepunkte gestreut, denn „Scheiß Demos auf Scheiß Facebook“ sind wahrlich nur kalter Kaffee, wenn brillante handwerkliche und kreative Fähigkeiten lieber Zeit fürs Ausdenken von neuen PIN.HEAD-Licks lassen. Graziöse Livepremiere – oder kurz: PIN.HEAD.


Zufälle, Schicksale und Spontaneitäten bitte ab jetzt mit dem Blick nach unten an der Theke warten – schließlich machen etwaige Fehler oder Ausfälle die eigens angekarrte Technik der deutschen Headliner womöglich noch überflüssig. Was für das sonst bodenständige Venue wie eine Neuheitenmesse für betuchte Soundsnerds aussehen mag (oder mischt jemand zu Hause nicht über´s Soundcraft VI1?), schraubt Klang- und Performanceansprüche natürlich automatisch an die Kellerdecke – lange aber fackeln Moritz, Frontmann Christoph, Thomas und Sebastian gar nicht und die ersten warm hallenden Klänge aus „Open End“ und „Masquerade“ fließen in Richtung des gutgefüllten Zuschauerraumes. THE INTERSPHERE aus Mannheim kommen dabei weder plan-, noch missionslos daher, das Set wirkt ab Sekunde 1 todgeprobt, gründlich ausgewogen, sogar nahezu makellos. Ob beim geradlinigen Rocksong „Early Bird“ oder beim mächtigen „Sleeping God“ – die Stadionbühne lässt grüßen. Dauerhaft schaffen es neben den beinahe schon „arrogant“ perfekten Musikern (Bassist Sebastian darf hier beinahe als Einziger ausgenommen werden) auch die nüchternen Technikgötter nicht, dem aufwendigen Spektakel den nötigen Livedruck zu verleihen, der diese Hochzeit zwischen DREDG und BIFFY CLYRO dezent und doch dringlich schmücken könnte. Trotzdem sind sich THE INTERSHPERE sicher: Halblang geht nicht. Das „Klick“ bestimmt die abgestimmte, fast roboterartige Songgeschwindigkeit über Schlagzeuger Moritz und sogar die Justiermomente zum Feineinstellen der Bass-Effektpalette scheinen eiskalt kalkuliert. Tiefergehende Arrangements wie das neue “Parallel Lines“ oder das funkelnde „Interspheres> Ein Konzert in darbietender Perfektion, eine staubkornfreie Show – THE INTERSPHERE retten sich nahezu steril ans Ufer und klettern daher dem Ruf als spannende Liveband davon. Nicht , dass das die Qualitäten von „Hold On, Liberty!“ oder Vorgänger „Interspheres)(Atmospheres“ beeinflussen würde. Manchmal bloß ist es einfach menschlicher und lebendiger, das Ei erst nach 400 Sekunden aus dem Topf zu fischen.