NORMA JEAN und THE CHARIOT auf einer Tour – dass man das noch erleben darf! Aber warum auch nicht? Schließlich hatte Joshs Abgang nach der ersten NORMA-JEAN-Platte und die darauffolgende Gründung von THE CHARIOT (zumindest von offizieller Seite) nichts mit irgendwelchen Feindschaften, sondern dem Bedürfnis nach etwas Neuen zu tun. Und gibt es etwas schöneres? Mit der alten Band im reinen? Mit ihr auf einer Bühne, zu sehen das sie es auch ohne einen weit – ja sicherlich weiter als er es sich je hätte erträumen können – gebracht hat, begleitet von der eigenen Band, die es ja mittlerweile ebenfalls zu einer Menge gebracht hat? Man merkte es Josh auf jeden Fall an, dass er mit sich und der Welt gut steht, dass er Spaß auf dieser Tour hatte. Eine Harmonie auf der Bühne, die dafür sorgte, dass man gerne auch spontane Gastauftritte andere Bandmitglieder bei so ziemlich jeder Band an diesem Abend hatte. Hier mal der Bassist von THE CHARIOT, der bei STRAY FROM THE PATH mit ins Mikro gröhlt, da NORMA-JEAN-Bandmitglieder bei THE CHARIOT, die mit ein paar extra Bassdrums für extra Lärm sorgen.
Aber was ist eigentlich mit den vergleichsweise unbekannten Vorbands, die bei so einer Tour immer nur den nervigen Anhängsel spielen, den die meisten eh am liebsten skippen (wollen würden)? Bei der letzten THE-CHARIOT-Headlinertour waren sie – bis auf die großartigen LISTENER – ja tatsächlich mehr so ein Klotz am Bein des Abends. Stilistisch schon noch vergleichbar mit der Hauptband, aber ohne dessen spezielle Magie. In weiser (?) Voraussicht bzw. Erinnerung an diese oder andere Touren haben sich dann auch viele mit dem Eintrudeln Zeit gelassen. Überschaubar leer war die Halle, nur einzelne Grüppchen standen hier und da mit einem Getränk in der Ecke, ansonsten viel viel Raum. Ein Umstand, der sich übrigens in Hinblick auf den Rest des Abends leider nur marginal ändern sollte: Zwar füllte sich die Kölner Essigfabrik durchaus noch ein ganzes Stück, wirklich voll wurde es allerdings zu keiner Zeit – zumindest nicht einer Tour wie dieser würdig. Doch zurück zu den Vorbands: Sowohl ADMIRAL ARMS als auch DEAD AND DIVINE machten es einen schwer, eben jenen vorausschauend etwas später gekommenden nicht wiedermal Recht zu geben – wenn auch nicht vollends. ADMIRAL ARMS beispielsweise waren durchaus nicht schlecht: Metalcore, aber nicht zu eng an die bösen Konventionen des Genres gekettet, hier mal etwas aufgelockert und da mal etwas atmosphärischer, zudem überraschend sympathisch von den Bandmitgliedern verkörpert. Aber auch: ohne den Kick einer Band wie MISERY SIGNALS, ohne Momente die wirklich unter die Haut gehen. Ähnliches bei DEAD AND DIVINE: Keineswegs schlecht, sogar eine schöne Brücke zwischen klassischen Hardcore-Elementen und einer Priese DILLINGER – doch mich wollt's an diesem Abend nicht so hundertprozentig mitreißen. Woran auch das eigentlich ganz nette DEFTONES-Cover zu „Lotion“ nichts ändern konnte.
Aber geschenkt, ging es hier – so bezeichnend das auch klingen mag – doch sowieso von Anfang an nur um zwei Bands. Und natürlich: THE CHARIOT - da braucht man sich keine Sorgen zu machen - sind ein absolut sicheres Pferd. Chaos spielen kann jeder, doch welche Band bringt es wirklich derartig eindrucksvoll auf die Bühne? Außer THE DILLINGER ESCAPE PLAN wohl kaum keine. Wiedermal gab es Revolution, in der Luft fliegende Instrumente (wo tatsächlich auch mal eines davon aus beachtlicher Höhe nicht mehr gefangen werden konnte), rumkletternde Musiker, ausufernde Singalongs und jede Menge ehrliche Energie. Vor allem Bassist Jon Kindler (sinnvoll eingekleidet in Winterjacke und Shorts in Hotpants-Länge) darf hier wiedermal als Oberchaot hervorgehoben werden – selten sieht man so viel Leidenschaft und so wenig Achtung vor seinem Instrument vereint auf einer Bühne. Abgerundet wurde das Ganze von einem herrlich chaotisch neuaufgelegten und perfekt ins irre Set passenden Cover des THE-WHO-Klassikers „My Generation“.
Und NORMA JEAN? Die boten in erster Linie Songs: Von der „Anti Mother“, von der aktuellen, sogar von der „O' God The Aftermath“ oder „Bless The Martyr And Kiss The Child“ - wenn auch weniger überraschend mit Nummern wie „Mempthis Will Be Laid To Waste“ oder „Robots 3 Humans 0“. Ansonsten? Ansonsten nicht viel. Zu den wenigen Besonderheiten gehört neben der Tatsache, dass Drummer Chris Raines das Fell seiner Bassdrum mit voller Wucht aufgespießt hat z.B. ein Gastauftritt von Josh bei einem der älteren Songs. Allerdings war das irgendwie auch Ehrensache und im Spektrum dessen was man von der Band an diesem Abend erwartet hat, vielleicht sogar ein bisschen mehr als nur so ein kurzes Feature, vielleicht auch mal etwas im Sinne von „wir tun jetzt einfach mal so als wäre noch 2002, mit der alter Besetzung“ und einem Cory Putman, der die Zeit nutzt um am Rande der Bühne sich eine Flasche Wasser und Luft zu schnappen. Auch das Publikum spielte nicht so ganz mit, agierte eher halbherzig – auch zum sichtbaren Ärgernis von Cory. Ansonsten noch: Ein Metalcore-typisch verstärkter Bass an einigen Stellen, den eine Band wie NORMA JEAN eigentlich nicht nötig haben sollte und der offensichtliche – aber ebenfalls etwas halbherzige – Versuch, in Sachen Live-Spektakel es den (immerhin ausreichend gelobten) Kollegen von THE CHARIOT gleichzutun. War also alles ein riesen Reinfall? Nein, keineswegs: NORMA JEAN boten ein solides Set mit ordentlichen, wenn auch vielleicht nicht immer den spannendsten Songs aus dem eigenen Backkatalog. Vielleicht bin ich auch bedingt durch meine Erwartungshaltung ein wenig zu kritisch. Unterm Strich geschah mir leider allerdings einfach zu wenig außerhalb des üblichen Rahmens - es wurde einfach nicht dem gerecht was man von so einer Tour und vor allem der letzten Show so einer Tour sich so im Vorfeld erhofft hat. Kein schlechtes Konzert – aber eher ein netter Zeitvertreib an einem gewöhnlichen Samstagabend als eine wirklich monumentale Show, an die man sich noch lange erinnern wird.