26.10.2019: BARONESS, DEMON EYES - Münster - Sputnikhalle

30.10.2019
 

 

BARONESS beenden mit dem Doppelalbum „Gold & Grey“ nach eigener Aussage die Farbbasierung ihrer Albentitel. Im Zuge der Promo für das schwer verdauliche erste Album mit der neuen Gitarristin Gina Gleason spielt das Quartett neben einer Supporttour für VOLBEAT glücklicherweise auch einige Headline-Shows.

Rotterdam, Saabrücken und Münster – eine sehr seltsame Konstellation an Städten. Vermutlich lässt sich das dadurch erklären, dass man mit VOLBEAT und DANKO JONES die europäischen Metropolen abklappern wird. Münster jedenfalls steht am selben Abend kurz vor dem Ausverkauf, nur noch wenige Restkarten sind verfügbar, um in der Sputnikhalle auf dem Hawerkamp der Show beizuwohnen.

Supportband auf allen drei Shows sind DEMON EYES aus Amsterdam und Den Haag. Die scheinen nicht einfach beim ersten Tourstop in den Niederlangen aufgegabelt worden zu sein, sondern irgendetwas gewaltig richtig zu machen. Gerade einmal 420 Likes auf Facebook aber schon mehrere hochkarätige Supportslots am Start. Denn nicht nur für BARONESS eröffnet das Trio, sondern im November auch für TRIBULATION im Rahmen einer Headlineshow auf deren Tour mit GHOST. Wenn da bei DEMON EYES mal nicht Leute am Werk sind, die wissen, wie der Hase läuft. Und tatsächlich, die Bandmitglieder kennt man eventuell von ihren anderen Projekten VITAMIN X, THE DEAF oder VANDERBUYST. Der Sound von DEMON EYES hat jedoch mit diesen Projekten eher wenig am Hut, selbst nennt die Kapelle auf Facebook ihren Sound „High Energy Rock“. Das HANK VAN HELL-Gedenk-Makeup, das die Musiker bei ihren Auftritten tragen, passt zu dieser Schublade auf jeden Fall bestens. Musikalisch geht es tatsächlich sehr oldschool-rockig zu. Hier und da hört man ein bisschen SABBATH raus, hier und da ein bisschen Einflüsse aus dem klassischen Punk der 70er und 80er. Der Auftritt von DEMON EYES ist sehr kurzweilig, die Niederländer ernten saftigen Applaus. Das Publikum von BARONESS stellt man sich zurecht vielschichtig und offen vor, genau wie die Band selbst es eben auch ist.

BARONESS eröffnen ihr Set dann mit einem Song von der „Blue“, nämlich „A Horse Called Golgotha“. Ist die Band damit auf der sicheren Seite oder eben gerade nicht? Schwierig einzuschätzen, ob neudazugewonnene oder alteingesessene Fans der Band heute überwiegen. Der Reaktion des Publikums nach zu urteilen freut sich Münster jedoch über diese Wahl als Konzerteröffnung. Im direkten Anschluss gibt es mit „March to the Sea“ allerdings einen absoluten Fan-Favoriten von „Yellow and Green“, dem Doppelalbum, das beide Welten zweifelsohne am besten miteinander zu verbinden weiß. Oder hat „Gold and Grey“ daran etwas verändert? Das neue Album von BARONESS ist faszinierend uneingängig. Nach „Purple“ hätte sicherlich der Großteil der Fans etwas ganz anderes erwartet. Auf Youtube kann man den Schaffensprozess des neuen Doppelalbums gut nachvollziehen, denn Baizley und seine drei Mitmusiker beziehen ausführlich Stellung zu kleinen Details und dem großen Ganzen. „Gold and Grey“ sein eine Reaktion auf die teilweise simplifizierte Hitstruktur von „Purple“, „Purple“ selbst 2015 eine Reaktion auf das ausufernde erste Doppelalbum von BARONESS gewesen. Es ist verzückend mit anzusehen, mit wie viel Liebe zum Detail, Reflektiertheit und mit welch kindlichem Enthusiasmus vor allem Baizley und Gina Gleason, das neue Puzzlestück in der Band, an das Songwriting herangegangen sind. Auch, und das möchte ich betonen, wenn einem das Endprodukt nicht gefällt. Denn mit „Gold and Grey“ bin ich nach wie vor nicht warm geworden, eher rangiert es momentan bei mir unter der Rubrik „Enttäuschende Platten des Jahres 2019“. Auch die Live-Versionen von „Borderlines“, „Seasons“ und weiteren Songs ändern daran nichts. Wobei „Throw Me An Anchor“ und „Front Toward Enemy“ trotz ihrer Sperrigkeit inzwischen einigermaßen in meinem Gehörgang haften geblieben sind. Für mich, der die Band erst mit „Yellow and Green“ kennenlernte und daher die große Liebe der frühen Fans für „Blue“ und „Red“ nur bedingt und vorgefiltert nachvollziehen kann, sind es ganz klar die „Purple“-Songs, auf die ich mich am meisten freue. Und ich bekomme leider weder „Kerosene“ noch „Chlorine & Wine“, wobei ich für ersteres etwas und für zweiteres überhaupt kein Verständnis aufbringen kann (insert sad emoji). Neben dem eindeutigen Fokus auf dem neusten BARONESS-Album werden allerdings wenigstens die Ballade „If I Have to Wake Up“ und den wohl poppigsten Song „Shock Me“ zum Besten gegeben. Und auch wenn manche die Hoffnung vielleicht schon aufgegeben hatten, dass „Red“ komplett unter den Tisch fällt, gibt es das vermutlich gerade von den Schlagzeugern im Publikum bisher schmerzlich vermisste „Isak“ dann doch noch. „Rays on Pinion“ aber leider nicht. Luxusprobleme: BARONESS sind eine dieser Bands, die einfach zu viel gute Songs geschrieben hat und sich in ihrer gesamten Diskographie noch keinen Patzer erlaubt hat. Und, ähnlich wie eben auch beim Songwriting, auch bezüglich der Setlist a) schwer hervorzusagen und b) etwas, lasst uns „eigen“ sagen. Mit „Take My Bones Away“ endet das Konzert jedenfalls nochmal wie sich das gehört – auf einem Höhepunkt. Man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist (und eben nicht noch „Chlorine and Wine“ dran hängen, offensichtlich…). Ein besserer Sound hätte dem Konzert in der Münsteraner Sputnikhalle heute gut gestanden, sofern das irgendwem überhaupt vorzuwerfen ist. Die Halle hat sehr hohe Decken, und gerade eine Band wie BARONESS mit all ihren Nuancen ist auf einen sehr guten Sound und eine gnädige Akustik vor Ort angewiesen. Es scheint, als würden sich einiger dieser Nuancen heute irgendwo unter der meterhohen Decke verlieren. Wettgemacht wird das allerdings locker durch die beeindruckende Spielfreude von Baizley und Co. – und, so simpel sich das lesen mag, durch das schiere, unverkennbar eigenartige Songwriting von BARONESS.