27.10.2010: Sharks, The Gaslight Anthem, Chuck Ragan - Große Freiheit 36, Hamburg

27.10.2010
 

 

Okay, verlieren wir mal kurz ein paar einleitende Worte zum Wetter: typisch hamburgisch. Feinster Nieselregen, waagerecht von der Seite und kalt. Eigentlich will man keinen Hund vor die Tür jagen, doch für DAS Line Up des Abends ist man sich für nichts zu schade. Die Erwartungen hängen dementsprechend hoch. Die Große Freiheit ist ausverkauft.

Weil das Wetter aber eben doch so scheiße ist, stolpert man „erst“ eine dreiviertel Stunde nach Einlassbeginn in die kleine Halle und da spielen auch schon SHARKS. Sie sehen so aus, wie sie klingen: mager, dürr. Soundvolumen vok- und instrumental scheint ihnen ein Fremdwort zu sein. Irgendwie will man so klingen wie der Hauptact des Abends, aber das geht in diesem Moment NOCH nicht. Man wirft den Haien in Gedanken ein paar anständige Häppchen auf die Bühne und da ist es auch schon vorbei.

Zack! Zack! Eine Runde in den Biergürtel und wieder raus und schon steht CHUCK RAGAN auf der Bühne. Selbstredend mit Akkustikgitarre und Mundharmonika, beides um einen Hals. Der Mann kann den Hals aber auch nicht vollkriegen, raus kommt was und das nicht zu schwach. „For Brocken Ears“ direkt als Opener in die Ohren gezimmert, mit voller Wucht. Dass das so einfach geht. Schon zum zweiten Stück steht JON GAUNT an der Fiedel daneben, dabei und es geht weiter. CHUCK powert sich durch die Songs, brennt alles weg und weiß im Zweifelsfalle auch, warum da Stroh liegt. „California Burritos“ und das Tanzbein pfeift. Aus der Mundharmonika braust es rechts und links im Scheinwerferlicht heraus. Sabber oder Feueratem? Die Frage braucht man nicht zu stellen. “Rotterdam“ geht aber auch ganz sanft runter, ohne dass er danach nicht wüsste, wo er weitermachen müsste. „The Trench“ weiter nach oben. Man misst keine weiteren Bandmitgleider, keine Zweitstimme, keine Verstärkung. Die beiden Kerle machen das schon ziemlich sehr sauber, ausgereift und vor allem gemeinsam. Das passt, beide haben Spaß und das zeigen sie auch. Nichts anderes kommt rüber und man bleibt mit einem breiten Grinsen im Gesicht nach einer dreiviertel Stunde übrig.

GASLIGHT ANTHEM lassen sich selbst von AC/DC ankündigen. Aha. „High Lonesome“ als Opener, da ist die Welt noch in Ordnung. Was nun folgt ist aber auch eher so ein Trauerspiel und ich möchte an dieser Stelle der Menge vor der Bühne meinen tiefsten Respekt für ihren Enthusiasmus aussprechen. Mir kam der nämlich ziemlich schnell abhanden. Im Gegensatz zu CHUCK RAGAN und der Fiedel wirken die viert Jungs doch sehr flaumbärtig und schwach. Keine Power in den zugetackerten Ärmchen. Vier Jungs und jeder fährt sein eigenes Programm. Sie spielen ein perfektes Arrangement, der Sound ist ein wenig Basedrumlastig, aber insgesamt... BRIAN FALLON versucht das Stimmvolumen zu liefern, rechts, links und hinter ihm hört die Freude aber absolut auf. Bei „Here´s Looking At You Kid“ geht das noch in Ordnung. Sänger im Fokus. Ansonsten spult die Band ab, keinerlei Kommunikation, absolute, erschreckende Coolness bis lähmende Langeweile. Habt doch mal Spaß da oben! Vier Jungs schaffen nicht das, was ein Viertel HOT WATER MUSIC gerade noch abgeliefert hat. Das Publikum scheint es nicht zu stören. Das tanzt und singt brav mit. Apropos singen: Mehr- und Zweitstimmigen Gesang hätten sie wirklich von vorn herein ausparen sollen. ALEX LEVINE hört man stimmlich gar nicht und ALEX ROSAMILIA traut sich auch nicht so recht, sondern hört sich Takteweise eher wie ne Horde betrunkener Seemänner auf der Hafenstraße an. „American Slang“ auch erst zur Zugabe, damit auch alle bis zum Schluss bleiben. BRIAN FALLON gibt auch bereitwillig zu, dass er mal so stark wie CHUCK RAGAN sein will, wenn er groß sei. Bis dahin muss er aber noch eine Menge Alligatoren in Florida jagen gehen. Ich gehe auch... Den Storm von CHUCK RAGANS „The Boat“ mehr als in den Knochen.

Zu guter Letzt bliebe an dieser Stelle noch die Frage offen, warum Menschen auf ein Konzert gehen, wenn sie doch viel lieber quatschen wollen. SHARKS uns GASLIGHT ANTHEM schafften es zwar, dass Dauergerede dezibeltechnisch zu plätten, doch gerade die ruhigeren Sachen von CHUCK RAGAN drohten fast darin zu ertrinken. Was soll das? Da steht einer auf der Bühne und macht Musik! Der will euch was sagen! Oder habt ihr verlernt zuzuhören und könnt nur noch reden? Schade... und wie unglaublich Respektlos!