29.04.2012: Parkway Drive, Silverstein, Gallows, The Dillinger Escape Plan, For Today, Veil Of Maya, Heights, Born From Pain, TRC - Stuttgart - LKA Longhorn

29.04.2012
 

 


Pirate Satellite Festival Day 2: Was für ein Festival – Musik von 12 Uhr mittags bis 12 Uhr nachts nonstop auf die Ohren. Dabei die aktuellen Szenegrößen, welche gerade durch Europa touren. Ein Konzept mit Luft nach Oben.

Es ist schon Wahnsinn, wenn man sich das Plakat des Pirate Satellite Festivals in Stuttgart ansieht, denn das Lineup von insgesamt 15 Bands würde ohne Probleme für mindestens vier abendliche Clubshows ausreichen. Aber das Konzept des Festivals sieht ohne Zweifel eine Jahrmarktatmosphäre mit allerlei Buden und Ständen vor und einem musikalischen Rahmenprogramm bereits ab 12:00 Uhr (wir reden hier vom offiziellen Beginn, nicht den Doors!). Und Rahmenprogramm trifft es in den ersten paar Stunden der Veranstaltung eigentlich ganz gut, denn zum allgemeinen Warmup werden zunächst die kleinen Bands, welche mit den eingekauften Headlinerbands auf Tour sind, an das noch recht lichte Publikum verfüttert.

Um hier niemandem einen Roman vorzusetzen, beginne ich meine Aufzeichnungen mit dem ersten „größeren“ Liveact: TRC. Die Jungs aus London versprühen ihren einzigartigen englischen Proll-Charme und sind trotz der frühen Spielzeit um 15:00 Uhr schon extrem gut gelaunt. Langsam zieht es Leute in die Halle und es bietet sich ein schon recht respektabler Pit zu dieser Stunde. Das Sextett auf der Bühne hat eindeutig seinen Spaß, was ansteckt. Sie spielen ein abwechslungsreiches und gutes Set, das wirklich Lust auf mehr macht. Klasse Show, super sympathisch – und irgendwie kriege ich den Vergleich der „Beastie Boys auf Hardcore“ nicht mehr aus meinem Kopf.

Bei der nächsten Band leert sich die Halle wieder und leider auch zu Recht. BORN FROM PAIN aus den Niederlanden sind die achte Band an diesem Tag und sie legen ehrlich gesagt eine recht enttäuschende Show hin. Der ganze Auftritt wirkt matt und leblos und obwohl sich die Band Mühe gibt, will der Funke nicht überspringen – man hat sogar Gefühl, noch nicht einmal die Musiker sind wirklich begeistert. Nach endlosen Besetzungswechseln, bei der am Ende niemand von den Gründungsmitgliedern übrig blieb, scheint das nun die Quittung. Schade, aber die im Moment Label-lose Band kann an diesem Tag leider nicht überzeugen.

Als nächstes dürfen die jungen Britheads von HEIGHTS ihr Glück versuchen. Und wow, die fünf Jungs, die absolut als Jungs von Nebenan durchgehen würden, haben es verdient, dass sie im Moment so gehyped werden. Mit komplett wutverzerrten, beinahe Grimassen artigen Gesichtern singen und spielen sie sich die Seele aus dem Leib. Dabei transportieren sie eine Energie und Rage, wie man sie schon lange nicht mehr, noch nicht einmal bei Szeneurgesteinen, gesehen hat. Und trotz dieser gewaltigen Emotionen spielen sie ihre Songs doch einwandfrei. So muss das sein!

Weiter geht’s mit VEIL OF MAYA. Um jede Splittergruppe der Hardcore-/Metalszene zu bedienen, bedröhnt einen jetzt das Quartett als Chicago mit ihren metal-lastigen Tunes. Geboten wird eine souverän gute Show, auch wenn die Bühnendarbietung von Sänger Brandon Butler zeitweise sehr an Mitch Lucker erinnert. Dan Houser auf seinem 7-Saitigen Bass (sehr gute Performance!!) liefert den genremäßig geliebten Haarventilator, auch wenn man davon teilweiße fast Garnichts sieht, weil es die Lichtmischer mit den Lichtblitzen aus den „Blinders“ ein wenig zu gut meinen. Und wirklich, spätestens bei VEIL OF MAYA beginnt man sich zu fragen, welcher Praktikant da am Lichtpult sitzt, denn hier ist das Licht zum ersten Mal so richtig mies. Schließlich wird eine gute Show auch von gutem Licht ausgemacht, aber bisher war es immer nur lieblos, entweder zu dunkel oder viel zu hell und steht der Musiker am vorderen Rand der Bühne sieht man ihn nur im Schatten. Abgesehen davon spielt die Band ein tolles Set und durch eine gekonnte Auswahl von alten und neuen Songs können die Fans nach Möglichkeit mitgröhlen.

Vor genau einem Jahr waren FOR TODAY schon einmal in Europa und spielten ihre erste Eurotour in Clubs von noch recht überschaubarer Größe. Dass sie hier als fünfter Headliner auftreten ist schon so etwas wie ein kleiner Ritterschlag. Aber scheinbar haben sie es vielen mit ihrem massiven Sound angetan und viele Besucher antworteten auf die Frage wegen wem sie hier seien, mit FOR TODAY. Und die legen so richtig los: Zum ersten Mal ist die Halle des LKA gut gefüllt und der Pit tobt schon ab dem ersten Lied. Mit unzähligen Bassdrops, dem hämmernden Schlagzeug und der schieren Gewalt in der Stimme von Sänger Mattie Montgomery scheint es, als würde ein entfesselter Sound-Sturm auf der Bühne stehen. Ich glaube, „einfach geil“ beschreibt ihren Auftritt am kürzesten und präzisesten. Die Band wird von den Kids frenetisch abgefeiert, bis Sänger Mattie mit einer mutigen Aussage über den Grund ihres Hierseins und ihren Glauben (aber hier muss man wirklich unterstreichen, dass er nur seine Beweggründe angibt und keine Missionierung startet, das ist ein deutlicher Unterschied!) die ersten Buhrufe erntet. Aber kaum hält er den Mund und singt wieder, scheint die Welt für die Buh rufenden Fans wieder in Ordnung. Sehr verdreht, bedenkt man, dass die Songtexte teilweise wirklich missionarischen Inhalt haben. Mit „Devastator“ gibt’s noch einen letzten großen Bums auf die Ohren, dann ist die Show vorbei.

Weiter geht’s mit THE DILLINGER ESCAPE PLAN und hiermit nähern wir uns den „groß gedruckten“ Headlinern. Dass die Band für ihre abgedrehte Bühnenshow berüchtigt ist, hat sich herumgesprochen, trotzdem finde ich wirkt ihr Auftreten im Vergleich zu Bands wie THE CHARIOT fast schon zivilisiert. Zwischen technisch perfiden Herumgefrickel auf ihren Instrumenten und ruhigeren Songpassagen wechseln die Musiker zwischen totalem Chaos und Zuckungen und beinahe schon Apathie. Vielen Zuschauern wird dieser Krieg in den Ohren schnell zu viel und schon nach zwei Songs hat sich die Halle um ein gutes Stück geleert. Dass Sänger Greg Puciato dann mal eben auf die Bühne gekotzt hat, ist vielen wohl entgangen.

GALLOWS leiten langsam aber sicher die Zielgerade des Festivals ein. Gewohnt assi und schlecht gelaunt erscheint die englische Kombo auf der Bühne. Irgendwas scheint den Herren über die Leber gelaufen zu sein, denn sie spielen ihr Set wirklich ein wenig schlecht gelaunt und etwas leidenschaftslos, so wie wenn sie bemüht wären ihre Arbeit gut zu machen, aber eigentlich keine Lust hätten. Als dann Crowdsurfer noch das Mikro des Sängers kaputt machen, scheinen sie wirklich pissed zu sein. Aber gut, die negative Energie wird in die gewünschte Zerstörungswut umgewandelt, so dass die Leute im Moshpit mal wieder Auslauf bekommen. Passable Show, lediglich die Spielzeit von beinahe 50 Minuten ist überdimensioniert.

Bei der nächsten Band darf sich jeder nochmal jung fühlen und die Sprunggelenke für den Pogo ölen, denn jetzt ist die Zeit von SILVERSTEIN: Ähnlich wie andere Alt-Emo-Helden – ALESANA z.B. – präsentieren sich die Kanadier mit zivilen Frisuren und gut gepflegten Bierbäuchlein. Sympathisch, aber auch etwas routiniert präsentieren sie ein Set aus alten, sehr alten und neuen Songs. Besonders zu Beginn sitzen noch nicht alle Töne des Sängers Shane Told, trotzdem ist man im Verlauf ihres Auftritts von seiner variablen Stimme überrascht, die (meistens) genau wie auf den Alben klingt. Da sich schon die anderen Bandmitglieder selten zu einem Lächeln durchringen können, dafür aber gut spielen, hüpft Shane andauernd als Gute Laune Macher Flummi über die Bühne. Ganz groß: Wenn sogar Leute in den letzten Reihen bei Songs wie „Smile in Your Sleep“ lächeln und den Text mitmurmeln. Quasi eine Instant-Verjüngungskur.

PARKWAY DRIVE könnten sich langsam einen Zweitwohnsitz im kalten Europa anschaffen, so häufig wie sie hier spielen. Und auch wenn sie ein Großteil des Publikums schon mehrfach gesehen hat, ist es doch beeindruckend, wie heiß die Leute immer noch auf sie sind. Rockstar-mäßig wird zig Mal der Bandname skandiert, als sie noch nicht auf der Bühne sind. Aber dann ist es wie eine Eruption als die australischen Surferboys auf die Bühne kommen und „Unrest“ anstimmen. Die Show – wie immer – einfach richtig gut. Mit der Songauswahl halten sie es wie SILVERSTEIN zuvor und spielen altes und neues Liedgut, von „Idols and Anchors“ zu „Sleepwalker“. Besonders liebenswert ist Sänger Winston, der permanent ungläubig lächelnd über die große Fanbase über die Bühne taumelt. Generell strahlt die Band den Charme zu groß gewordener Jungs aus, die eine wahnsinnige Freude an dem haben, was sie machen. Nach gut eine Stunde ist Schluss, die Band verlässt die Bühne. Nach Zugabe-Rufen lassen sie sich aber doch erweichen und spielen noch ihren Evergreen „Carrion“ (ein Blick auf eine später gefundene Setlist zeigt, dass das eingeplant war) und jeder im Publikum darf sich so zum Ende des Abends noch einmal heiser brüllen.

Das Pirate Satellite Festival scheint im Nachhinein ein recht erfolgreiches Erstlingskonzept. Mit dem Split auf zwei Tage, am ersten eher Alternative/Rock und am zweiten Hardcore ist eine gute Aufteilung gelungen. Trotzdem wäre für das nächste Mal wohl ein etwas ausgedünnteres Lineup sinnvoll, wirkte die Ansammlung an Bands doch teilweise überladen. Auch verzichten könnte man wohl auf die leicht unbeholfenen Anmoderationen von Michael Setzer, zumal sie im Publikum schlicht kein Gehör fanden. Mit einigen kleinen Verbesserungen könnte aus dem Pirate Satellite noch etwas recht großes werden.