30.03.2016: At the Drive-In, Le Butcherettes - Palladium - Köln

13.04.2016
 

 

Dass man AT THE DRIVE-IN aus El Paso nochmal live zu sehen bekommt, die Band mit den Tourdates dann auch gleich neues Studiomaterial ankündigt, das haben sicherlich nicht Viele erwartet. Gerade weil Antemasque, ein weiteres Cedric/Omar-Projekt noch sehr grün hinter den Ohren sind, lag die Vermutung nahe, die beiden würden sich erstmal ihrem neuen Baby widmen. Doch falsch gedacht: Kurz vor der Europa-Tour kündigen AT THE DRIVE-IN allerdings noch den Austritt von Gitarrist Jim Ward an, was viele Anhänger enttäuscht oder aufregt.

 

Vielleicht könnte das einer der Gründe dafür sein, dass das Palladium in Köln heute wider Erwarten nicht ausverkauft ist. Vor der Halle warten Dutzende Ticketverkäufer geduldig auf Kunden. Nach einiger Zeit sind sie jedoch so verzweifelt, dass sie ihre Tickets während der Vorband schon verschenken würden. Und selbst das scheint nicht zu klappen. Paradox.

 

Im Inneren des Palladiums jedenfalls steht mit LE BUTCHERETTES die Vorband auf der Bühne, die wahrscheinlich nicht jedem ein Begriff ist. Dabei gehört das mexikanische Duo um Teri Gender Bender (welch ein Künstlername), das live auch durch einen Bass verstärkt wird, sozusagen zum Inventar des Dunstkreises von At the Drive-In: Die letzten Europatourneen von The Mars Volta und Antemasque wurden von LE BUTCHERETTES eröffnet, doch die Zusammenarbeit hat bereits eine längere Vorgeschichte: Omar Rodriguez-Lopez entdeckte die Band aus Guadalajara, nahm sie mit seinem Label unter Vertrag, war zwischenzeitlich sogar Mitglied der Band und ist zusammen mit Koryphäen wie John Frusciante und Iggy Pop auf dem neuen Album „A Raw Youth“ zu hören. Auf Papier liest sich das also ganz gut, doch wie kommt es live an? Das Palladium hat sich bereits amtlich gefüllt und das im Durchschnitt recht alte Publikum (für mich mit meinen 26 Jahren kommt es mir selten so vor, als läge ich darunter) trinkt sich am Mittwochabend mit ein paar Bierchen in Feierabendlaune. Viele lassen sich auch von LE BUTCHERETTES bereits mitreissen. Optisch und aufgrund des Duo-Charakters erinnert die Band durchaus an die White Stripes. Musikalisch lassen sich bis auf das grobe gemeinsame Genre Garage Rock große Unterschiede feststellen: So ist die Musik der BUTCHERETTES weniger straight forward und groovy, dafür aber viel ausgeschmückter und dynamischer, man könnte sie gar avantgardistisch nennen. Eine perfekte Opener-Band für At the Drive-In also. Teri Gender Bender sieht man an, dass sie vor solch großem Publikum nicht zum ersten Mal spielt. Sie hält mit ihrer energetischen Performance den Laden bei der Stange und so wundert man sich wenig, als das Kölner Publikum nach dem letzten Song „Henry Don’t Got Love“ euphorisch jubelt und Gender Bender sich horizontal auf den Boden sinken lässt.

 

Eine gehörige Umbaupause muss für eine Band des Kalibers AT THE DRIVE-IN natürlich sein, was die Zuschauer zum Bierholen und Toilettengehen nutzen. Einige Glückliche schaffen es auch, sich sozusagen einen Logenplatz auf der Empore zu ergattern. Wer zu spät kommt, wird leider enttäuscht und sieht von dort aus nichts mehr. Cedric, Omar und Co. lassen zwar ordentlich auf sich warten, doch als sie dann die Bühne des Palladiums betreten, ist der Beifall ohrenbetäubend laut. Zunächst kann man lediglich den Rauch hinter Omars Amp emporsteigen sehen und die Silhouette von Cedric Bixler-Zavala erahnen, doch als dann die ersten Töne von „Arcarsenal“ anklingen, kommen die Fans in Bewegung. Leider bemerkt man gleich zu Beginn des Sets Soundeinschränkungen, die sich für den Rest des Konzerts auch nicht mehr legen sollen: Vor allem die Gesänge sind zu leise, auch Omar’s Gitarre könnte einen Ticken mehr vertragen. Lediglich das Schlagzeug kann man sehr gut hören – vielleicht zu gut, vielleicht verschluckt es ein wenig den Rest der Band. Dem Abriss vor und auf der Bühne tut das jedoch keinen Abbruch: Omar und Cedric springen und tanzen noch ähnlich herum wie noch vor 15 Jahren, vermutlich schmeissen sie jedoch vorher weniger ein, sodass der Unberechenbarkeitsfaktor etwas gesunken ist. Spektakulär sehen die Tanzeinlagen und Kletterkünste von Bixler-Zavala jedoch nach wie vor aus, Rodriguez-Lopez nimmt ohnehin die Hälfte der riesigen Bühne für sich ein, während seine restlichen Bandkollegen in ihrer eigenen kleinen Ecke deutlich unspektakulärer daherkommen. Mit „Pattern Against User“ geht die wilde Sause weiter – für viele Konzertbesucher sicherlich der erste Pogo seit Jahren und für mich als Hardcore-Konzertgänger eine willkommene Abwechslung zu Crowdkill und Mosh-Karate. Der gute alte Schweinepogo. Mit Biervergießen. Nach drei Nummern von „Relationship of Command“ sind mit „300 MHz“ und „Proxima Centauri“ dann auch mal die älteren Songs dran, die zwar eine etwas schlechtere, aber immer noch eine gute Figur machen. Hier und da nehmen sich AT THE DRIVE-IN Zeit für improvisierte Jam-Passagen, die so zumindest nicht auf den Alben zuhören sind, beispielsweise zwei Wah-Wah-Soli von Omar (eines davon perfekt untergebracht am Ende von „Invalid Litter Dept.“). Während des gesamten Auftrittes bricht die Stimmung und die Bewegungslust der Leute nicht wirklich ein. Zeit für ausschweifende Ansagen wird sich selten genommen, allerdings versäumt es Cedric nicht, Deutschland ob seiner Gastfreundlichkeit und der Mentalität der Landsleute in den Himmel zu loben. Wir wären von Anfang an für die Band da gewesen, hätten sie mit ungekanntem Zuvorkommen in Empfang genommen und dafür sind AT THE DRIVE-IN uns scheinbar nach wie vor dankbar. Auch erwähnt er, dass die Deutschen im Gegensatz zu amerikanischen Konzertbesuchern im Moment leben und das Konzert richtig genießen. Na, wenn das mal so stimmt. Heute jedenfalls ist die „ich mache Handyvideos die sich nie wieder jemand angucken wird“-Rate geringer als man angesichts der Reunion hätte vermuten können, die Stimmung im Palladium ist trotz der vielen tausend Fans irgendwie familiär. Mit „Napoleon Solo“ und natürlich „One Armed Scissor“ setzen AT THE DRIVE-IN dann den Schlussstrich unter ein nicht zu langes und nicht zu kurzes Comeback-Konzert, das definitiv Lust auf das neue Material macht. Die Band ist alles andere als über die Jahre eingerostet.