Interview mit Caliban

19.05.2007
 

 

Love It Or Hate It! Das ist wahrscheinlich der Leitspruch, der CALIBAN seit mehreren Jahren nun verfolgt. Viele mögen sie, viele hassen sie. Warum das so ist kann sich Sänger Andy Dörner im Interivew auch nicht so recht erklären, aber dafür kann er viel besser erläutern warum das neue Album mehr Rotz innehat und warum Weiß nicht nur die Farbe der Unschuld ist. Viel Spaß beim lesen:

Na, wie läuft der Interviewmarathon?

Ähm, dass erste hatten wir um Zwölf, also geht es noch. Noch sind wir recht frisch dabei. Heute geht es wohl bis Fünf, also haben wir noch einiges vor uns heute.

Und immer die gleichen Fragen?

Paar sind ja immer gleich, aber bis jetzt war alles noch ganz okay.

Okay, dann fangen wir mal an! Mich würde als erstes interessieren wie du über euer neues Album „The Awakening“ denkst und wie du rückblickend den Aufnahmeprozess bewertest!

Also, ich finde natürlich unser neues Album gut! Meiner Meinung nach ist es sogar das beste Material was wir bis dato aufgenommen haben. Wir haben versucht das Beste aus den letzten beiden Platten zu ziehen. Die Produktion ist auch wirklich sehr gut geworden. Der ganze Entstehungsprozess war aber diesmal sehr stressig, weil wir immer auf Tour waren und uns selbst ein sehr enges Zeitfenster gesteckt haben. Wir hatten gerade einmal anderthalb Monate Zeit die Platte zu schreiben und einmal aufzunehmen, um dann letztendlich noch mal für drei Wochen ins Studio zu gehen um nun mit „The Awakening“ hier zu stehen. Insgesamt war es eine echt kurze Zeit in der das Album entstand. Wir haben aber erneut gemerkt, dass wir eine Band sind die unter Druck am besten arbeiten kann. Angesichts der Umstände sind wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis, wenn es nicht so wäre hätten wir die Platte natürlich nicht veröffentlicht. Vor allem der Mix denn uns Adam D. geliefert hat, ist wirklich der Hammer.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Adam D. das Album abgemischt hat?

Wir hatten natürlich erst unseren alten Produzenten gefragt, da er ja zwei wirklich gute Alben gemixt hat, aber er war diesmal etwas busy da er gerade an einem anderen Album gearbeitet hat. Eigentlich wollte er unser Album gerne produzieren, aber wir wollten das nicht so richtig…

Gab es dafür einen Grund?

Ich glaube für uns persönlich klangen unsere letzte Alben ein wenig zu clean. Vor allem Marc, unser Songwriter, empfand das so. Letztendlich ist es aber auch an der Zeit gescheitert. Wir haben dann geschaut wer sich noch so anbietet und dann sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass Adam eine gute Wahl darstellen würde. Man muss ja auch immer ein wenig schauen, wen man bezahlen kann. Es gibt natürlich einen Haufen guter Mischer, aber die haben dann auch gewisse Hausnummern. Adam ist halt ein verdammt guter Typ und liefert einfach richtig gute Ergebnisse ab, was nicht verwunderlich ist. Rückblickend betrachtet ist das noch mal eine Ecke besser als das was unser alter Produzent gemacht hat, da ein wenig mehr Rotz drin geblieben ist.

Ich würde dir auch zustimmen, dass die neue Platte wesentlich mehr nach vorne geht. Insgesamt ist euch auch das Wechselspiel zwischen cleanen und geschrieenen Vocals wesentlich besser gelungen. Wir erklärst du dir das?

Wir haben versucht den Anteil an Melodien ein wenig zu drosseln, aber dafür die vorhandenen viel breiter produzieren zu lassen. Wir haben wesentlich mehr Zeit darin investiert die melodischen Anteile auszuarbeiten. Dafür haben wir uns im Gegenzug entschlossen eben wesentlich weniger davon einzubauen. Wir haben uns dazu entschlossen den Chorus-Anteil auf die geschrieenen Parts zu legen, um so ihre richtige Wirkung entfalten. Im Prinzip gab es so was bei uns noch nicht.

Inwiefern habt ihr an dem cleanen Gesang gearbeitet? Die Stimme von Dennis ist ja bis jetzt immer ein wenig untergegangen bei euren Konzerten.

Dennis ist durchgehend dabei seine Stimme mit Hilfe von Gesangsunterricht zu trainieren und natürlich ist es klar, dass er oft nicht hingehen kann wenn wir auf Tour sind. Aber er gibt sich Mühe sooft zu üben, wie es nur geht.

Wie haben denn die Fans auf euer neues Material reagiert? Ihr habt ja auf der letzten Tour auch mal einen neuen Song zum Besten gegeben.

Wir haben unsere aktuelle Single gespielt, "I Will Never Let You Down". Als wir damals auf Tour waren wussten wir noch nicht genau das gerade dieser Song die Single werden würde, aber er war in unsere Auswahlliste drinnen. Wir haben uns dann gedacht das dieser Song bestimmt ganz gut ankommen könnte und die Reaktionen haben uns durchaus Recht gegeben. Natürlich habe ich die Leute vollgequatscht, dass sie sich doch bitte bewegen sollen und so tun sollen als könnten sie den Text mitsingen, wobei die meisten das ja eh so machen. Die Reaktionen waren echt super, auch wenn alles ein wenig verhaltener rübergekommen ist. Nach den Auftritten kamen auch ein paar Leute an und haben sich wirklich über den Song gefreut.

Was macht ihr das eigentlich mit den Keyboards, die man in euren neuen Songs hören kann, wenn ihr live spielt?

Wir lassen das einfach vom Band laufen, da es wirklich sehr wenige Elemente sind und diese nicht so prägnant sind. Bei "My Time Has Come" kann man sehr stark die neuen Elemente hören, aber bei den anderen Songs sind die neuen Elemente eher im Hintergrund zu hören. Wenn wir sie dennoch weglassen würden, würde man jedoch merken das was fehlt.

Wie war eigentlich die Tour mit Bleeding Through, All That Perish und I Killed The Prom Queen? War die ganze Tour so etwas wie eine Tour unter Freunden?

Joa, Bleeding Through kennen wir jetzt schon etwas länger, da wir in den Staaten mit denen zusammen sehr oft auf Festivals und einzelnen Konzerten gespielt haben. Auf dem Pressure-Festival vor ein paar Jahren hat Brandon auch einen Song zusammen mit mir gesungen. Also man kennt sich schon länger und wenn wir zum Beispiel in Kalifornien eine Show spielen, kommt meistens einer der Band auch mal rum. Meistens sind es halt Brandon und Marta. Die beiden anderen Bands kennen wir auch von diversen Festivals. I Killed The Prom Queen kennen wir zum Beispiel durch diverse gemeinsame Auftritte. Wir wollten mit denen auch mal auf Tour durch Australien gehen. (Anmerk. des Verf.: Zu dem Zeitpunkt des Interviews haben sich I Killed The Prom Queen noch nicht aufgelöst). Insgesamt war es schon eine schöne Zeit die wir mit den Bands hatten.

Ich hätte jetzt noch eine Frage zu dem aktuellen Album oder eher ein amüsantes Statement aus dem Caliban-Fan-Forum, dass zu der Tracklist des Albums abgegeben wurde. Dieses besagt nämlich, dass eure Tracklist vermuten lässt "Caliban macht einen auf Emo". Was denkst du darüber?

(lacht)Also, ich bin ja ein verkappter Emo, davon nehme ich mich ja nicht aus. Ich höre ja auch "Schwuli-Wulli" Musik. Metal ist das was ich gerne mache und zwischendrin mal gerne höre, aber zuhause höre ich dann doch lieber mal ruhigere Musik, oder auch Emo, wie auch immer man das nennen möchte. Meine Texte sind natürlich auch sehr Emo, auch wenn ich mal meine Aussetzer habe, wo ich irgendwelche Menschen zerstückele…

Muss ja auch mal sein…

(lacht) Ja klar, aber im Ernst, ich steh dazu, dass wir schon einen gewissen emotionalen Aspekt in unsere Musik nicht von der Hand weisen können. Dementsprechend habe ich gar nicht so das Problem mit dieser Aussage.

Eure Texte pendeln ja diesmal sehr stark zwischen einer Mischung aus purer Hoffnungslosigkeit und Optimismus. Euer Artwork ist ja auch eher konträr demgegenüber, was man sonst von euch so kennt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Die Platte heißt ja auch "The Awakening" und es war auch unsere Intention einen Wandel darzustellen. Textlich und musikalisch gesehen, wollten wir uns in eine neue Richtung entwickeln. Es sollte alles ein bisschen positiver wirken, deswegen auch das weiße Artwork und die neue Erscheinungsweise. Es ist halt wie eine Art Erwachen, was ja auch das Konzept des Albumtitels impliziert. Raus aus dem Negativen und mit dem Blick nach vorne. Wir wollen auch zukünftig unser Album mit unserem Bühnenoutfit verbinden. Es ist halt generell eine gute Zeit einen Wechsel einzuschlagen.

Wie soll das dann genau aussehen?

Du kennst doch bestimmt das weiße T-Shirt, das Mark immer an hat. Das mit den Blutflecken. So soll es sich dann entwickeln und immer ans Artwork angelehnt. Alles soll einheitlich wirken und rüberkommen.

Interessanter Wandel!

Man muss ja auch beachten, dass wir jetzt zehn Jahre in schwarz rumrennen. Also wir haben nichts gegen die Farbe schwarz, es ist sogar meine Lieblingsfarbe, aber: Mut zur anderen ‚Nicht-Farbe’ weiß. (lacht) Ich glaube, weiß ist auch gerade echt im kommen. Ich selber trage seit einiger Zeit sehr gerne weiße T-Shirts. Natürlich werden wieder irgendwelche Leute ankomme und sich beschweren, aber im Grunde kann uns das auch egal sein. Es ist Zeit für einen frischen Wind.

Geht Es dir eigentlich noch auf die Nerven, dass ihr gewissermaßen eine "Love It Or Hate It"-Band seid?

Das war ja auch schon vor unserem Wechsel zu Roadrunner Records der Fall, vor allem als unser drittes Album „Shadow Hearts“ veröffentlicht wurde. Das war ja auch das erste Album, bei dem wir cleane Vocals eingesetzt haben und eine gute Produktion hatten. Das war natürlich dann total verschrieen, vor allem dann als wir mehr als 1000 Platten verkauft haben. Das war anscheinend der Untergang für die meisten Leute und für uns war das sehr krass. Mittlerweile geht es rein und raus, ich mache die Musik für mich und nicht für die Leute. Natürlich freut man sich wenn es Leuten gefällt, was man produziert. Und der Fakt, dass es den meisten Leuten gefällt, ist sehr schön. Ich würde niemals unseren Stil ändern, nur damit es anderen Leuten besser gefällt. Andererseits würde das auch keine Rolle mehr spielen. Die, die uns nicht mögen, werden uns mit einem anderen Stil auch nicht anfangen zu mögen. Wenn die Leute denken, dass Caliban scheiße ist, ist das okay für die. Mir ist das echt egal. Es gibt halt immer noch genug Leute die es gut finden. Man kann nicht jedem gefallen, das ist ja auch nicht Sinn der Sache. Man muss einfach mit dem glücklich sein was man macht. Wenn man das dann mag, finden wir es super und wer es nicht mag, ja das ist dann das Problem der jeweiligen Person. Die Leute sollten sich ihre Luft sparen, dann leben sie ein paar Minuten länger und gut ist. Im Grunde bestärkt das auch einen, umso mehr Neider es gibt und Leute die dich scheiße finden.

Ich denke auch, dass da sehr viel Neid dabei ist.

Ja klar, der Markt ist sehr groß und es gibt einen Haufen Bands, die versuchen auf den Zug aufzuspringen. Die, die es dann schaffen sind dann natürlich die Buhmänner.

Interessant ist auch die Tatsache, dass Heaven Shall Burn sich solche Vorwürfe gar nicht anhören müssen. Die Leute haben sich anscheinend komplett auf euch eingeschossen. Wie erklärst du dir das?

Bei Heaven Shall Burn verhält sich die Sache auch ein wenig anders. Die Jungs haben nie ihren musikalischen Stil so sehr geändert. Zwar sind sie nicht mehr so Metal wie auf den ersten zwei Alben, aber die Band hatte nie so den großen Bruch mit ihren Fans und das war ja bei uns eindeutig der Fall. Bei uns war das auch eher ein schleichender Übergang. Vielleicht ist es auch einfach so, dass die Leute im Osten Deutschlands mehr hinter ihren Bands stehen. Natürlich kann es auch eine Rolle spielen, dass Heaven Shall Burn mehr in politischer Hinsicht gemacht haben, oder sich in dem ganzen Animal Liberation Kram eingesetzt haben. Das wirkt natürlich nach außen wesentlich besser. Ich kann mir das aber an sich nicht erklären. Wir haben zur gleichen Zeit angefangen und sind trotz der scheiße, die man durchgemacht hat, immer noch die besten Freunde. Wir spielen immer noch zusammen Konzerte und versuchen immer eine Release-Show, oder eine Tour mit Heaven Shall Burn zusammen zu spielen.

Das macht die Sache auch wesentlich sympathischer und netter. Besser als wenn die ganzen Bands aneinander vorbeilaufen würden.

Ja soll es ja auch sein. Wir gehören zu Hardcore-Szene und da ist ja ein Miteinander doch wesentlich netter, als ein gegeneinander.

Du hast gerade das Thema Release-Show angesprochen! Wird es zu "The Awakening" eine Show geben, wie die letztjährige in Oberhausen?

Es wird wohl eine geben, aber wir wollten diesmal eher was kleines machen, was gemütliches. Wir haben uns überlegt was zu machen, wo die Leute Tickets gewinnen können. Es ist halt angeplant, deswegen kann ich noch nicht so genaue Infos geben. Es steht noch alles ein wenig in den Sternen und bevor es nachher heißt: „Du hast doch gesagt!“, halte ich mich ein wenig zurück. Wir wollte auf jeden Fall nicht so dick auftragen, wie bei der letzten Release-Show. Wir waren ja jetzt auch erst vor kurzem auf Tour und so ein kleines Special-Ding wäre genau das was uns vorschwebt. Mal sehen, ob das so funktioniert.

Du hast ja gerade gesagt, dass ihr Lust hättet mal wieder ne kleine, intime Show zu spielen! Wie ist es den für euch so? Vermisst ihr die kleinen Clubs in Deutschland?

Im Pott, können wir das gar nicht mehr machen, dann würden sich die Leute auch beschweren. Wir sind echt zu groß dafür geworden. Außerhalb vom Pott, oder außerhalb von Deutschland, spielen wir schon noch kleinere und familiäre Shows, auch wenn wir mittlerweile auch sehr weitläufig bekannt sind. Aber diese kleinen Shows sind immer ein guter Ausgleich zu den ganzen großen Shows, die wir sehr oft spielen.

Das waren meine Fragen und vielleicht hast du noch ein letztes Statement an unsere Leser?

Zunächst: Danke für das Interview! An die Leser: Danke für das lesen und die Zeit, die ihr darin investiert habt und vergesst nicht: Am 24.05.2007 kommt unser neues Album „The Awakening“.