Interview mit Joey Cape

09.04.2009
 

 

Allschools (A): Hallo Joey, wie war Dein Dinner?

Joey Cape (JC): Super, die Leute hier sind sehr gastfreundlich und das Essen war spitze.

A: Die Tour läuft nun seit ca. 2 Wochen durch Europa. Ist es ein grosser Unterschied, nicht wie "normal" mit Band auf Tour zu sein?

JC: Ja, allerdings haben wir uns schon daran gewöhnt. Seit Dezember spielen wir nun schon Akustikshows wie diese mit Jon Snodgrass und Chad Rex. Auch zuvor habe ich bereits solo gespielt, daher kenne ich das Prozedere mittlerweile. Allerdings sind die Shows in Europa, gerade in Deutschland, wirklich sehr viel freundlicher und persönlicher als beispielsweise in den USA. Die Leute und Veranstalter in den Clubs, wo wir spielen, sind wirklich sehr entgegenkommend und zeigen grosse Gastfreundschaft. Es gibt Essen und Schlafgelegenheiten. Normal wäre das bei einer US-Tour nicht. 2 Leute in unserem Bus waren noch nie in Europa und sind schlichtweg überwältigt.

A: Siehst Du Dein Album "Bridge" als eine Art Stützpfeiler zwischen Deinem Leben als Musiker auf der einen Seite und als erwachsener Familienvater auf der Anderen, oder musstest Du nur wie jeder Sänger, der heutzutage was auf seine Band hält, ein Solo-Album rausbringen?

JC: (lacht) Nein, es spiegelt schon eine andere Art des Songwritings wieder. Der Titel "Bridge" allerdings kam bei einem Gespräch mit Jesse (Bassist von Lagwagon) heraus, als wir darüber diskutierten, was eben diese Art des Songwriting für eine Wirkung auf Leute hätte, die mich nur durch Lagwagon kennen. Eine bestimmte Absicht oder einen Hintergrund zur Platte gab es aber nicht.

A: Wie ist die generelle Reaktion auf Dein Album? Gibt es gerade bei der jüngeren Altersklasse Kritik?

JC: Bis jetzt gab es eher gemischte Meinungen. Allerdings verbringe ich nicht viel Zeit damit, mich mit Plattenbesprechungen oder Ähnlichem zu beschäftigen. Der Musikgeschmack ist eine eigene Meinung und ich versuche nicht, es jemandem oder einer speziellen Zielgruppe recht zu machen. Als ich aber das Review in der VISIONS las, machte ich mir schon Gedanken. Die Rezension war wirklich schlecht, es gab nicht mal die obligatorischen 7 Punkte, wenn ich mich recht erinnere. Würde ich mich anpassen und versuchen, möglichst viele Kids zu beglücken, sollte ich mich eher bei American Idol bewerben. Ich frage beim Schreiben oft meine Freunde nach Rat. Da ein Grossteil dieser Leute ebenfalls Musiker sind, versuche ich natürlich schon, ihre Meinung zu verstehen und ihre Kritik oder Verbesserungsvorschläge anzunehmen. Oft raube ich den Leuten mit meinen Songideen den letzten Nerv, wenn ich sie tagtäglich mit Liedfetzen zumülle.
Die Reaktion auf die Songs live ist dagegen durchweg gut. Viele Leute kommen natürlich wegen des Lagwagon-Hintergrunds, manche Leute aber auch, weil sie die Solosongs mögen. Ich persönlich fühle mich natürlich geehrt, wenn die Leute meine Texte und meine Musik als eins verstehen.

A: Also sind es nicht grösstenteils Leute, die von Dir erwarten, Lagwagon-Songs zu spielen?

JC: Das ist unterschiedlich. Auf einer Show in den USA warfen ein paar Kids aus Südamerika Flaschen auf die Bühne, Sie hatten offensichtlich mit einer Darbietung anderer Art gerechnet. Vor der Show waren sie höflich und nett - als wir spielten, wurden sie stinksauer. Und das, obwohl wirklich viele Lagwagon-Songs auf meiner Setlist stehen...

A: Wie kam es denn zu der Konstellation der Tour? Warst Du schon vorher mit Jon (Snodgrass) und Chad (Rex) befreundet? Oder hat Suburban Home Records Euch einander bekannt gemacht?

JC: Nicht ganz. Ich kenne Jon und Chad seit ca. 15 Jahren. Daher ist die Atmosphäre auf Tour eine ganz Besondere. Wir haben jeden Tag eine Menge Spass und leider auch viel zu viele Drinks.

A: Also handelt es sich nicht um eine Gastspielreise mit alten Männern, die die Westerngitarre auspacken?

JC: Nein, wir feiern schon recht viel. Es ist einfach zu schwer, nüchtern zu bleiben, wenn Du jeden Abend mit Deinen besten Freunden in neuen Clubs bist, Europa kennenlernst und zusammen in einem Bus wohnst. Gerade der Europateil unserer Tour ist etwas wirklich Besonderes.

A: Dagegen erwartet Dich dann zu Hause eher ein Kontrastprogramm, oder wie verbringst Du dort Tage ohne Shows oder Proben?

JC: Zu Hause bin ich tatsächlich komplett auf meine Familie getrimmt. Jeden Tag verbringe ich soviel Zeit wie möglich mit meiner Tochter und meiner Frau. Meine Tochter Violet bestimmt meist den Tagesablauf - wir versuchen, ihr viel zu bieten. Es ist wirklich ein Kontrastprogramm, aber gleicht sich gut aus. Wenn mir eine Seite - Familie oder Tour - zu anstrengend wird, habe ich als Ausgleich immer die andere. Jetzt allerdings fehlt mir meine Familie sehr.

A: Bist Du in den Staaten auch bei Gelegenheit mit Familie unterwegs? Deine Tochter ist ja noch sehr jung...

JC: Ja, einfach ist das nicht. Wir waren letztes Jahr mit Lagwagon in Japan, da musste ich meine Familie einfach mitnehmen. Aber für ein Kind ist es nicht einfach, ich will meiner Tochter nicht zuviel zumuten. Jemand muss auch auf unsere Haustiere aufpassen, von daher kann ich die beiden mit gutem Gewissen zurücklassen, haha!

A: Dieses Interview wird online zu lesen sein. Nutzt Du die Vorzüge des Internets oder bist Du gar süchtig nach speziellen Seiten?

JC: Nein, da bin ich wirklich eher faul. Ich sehe zu, meine myspace-Seite zu verwalten, erstelle manchmal Blogs und nutze sonst network-Funktionen um Touren oder Aufnahmen zu organisieren - das ist so ziemlich alles. Ich bin ja auch schon älter und bin ohne Internet aufgewachsen. Daher "vermisse" ich nichts und sehe das Internet nicht als Teil meines Alltags an. All die Kids, die nur noch durch myspace etc. kommunizieren, machen wir auch wirklich Angst. Die Werte der Kommunikation gehen verloren, manche von den Kids können nicht mal mehr telefonieren. Sogar meine Tochter ist mit 5 Jahren schon gelegentlich im Netz. Natürlich stehe ich dann aufmerksam hinter ihr. Sie hat mich neulich auch tatsächlich gefragt, ob wir ihr ein Handy kaufen würden. Da fehlten mir die Worte.

A: Verständlich. Denkst Du, das Internet beeinflusst die Musikszene positiv, nehmen wir als Beispiel Deine lokale Szene in San Francisco?

JC: Klar, es gibt viele Vorzüge was Promotion und die Vermarktung Deiner Band angeht. Aber genauso geht auch der menschliche und künstlerische Gedanke verloren. Eine Band, die Kunst die dahinter steht, wird als schnelles Produkt gehandelt, das Angebot ist mehr als sättigend. The romance is sort of gone. Nichts scheint mehr besonders. Man hat ein Riesenangebot direkt vor der Nase. Wir stiegen früher einfach in den Van und tourten, heute wirst Du mit abertausenden Bands verglichen und im Voraus bewertet. Das erschwert die Szene und eben auch die Kunst an sich.

A: Was können wir in naher Zukunft von Dir erwarten? Wird es weitere Kollaborationen geben oder zuerst ein zweites Soloalbum?

JC: Bis jetzt ist eine Splitsingle mit Kevin Seconds geplant. Ausserdem versuche ich, an einem weiteren Projekt mit dem Namen Badloud zu arbeiten. Ich habe mehrere Ideen zwischen unseren Touren aufgenommen, aber bin noch nicht sicher, was Veröffentlichungen angeht. Der Name Badloud wurde mir von meiner Tochter gegeben. "Daddy, wenn Du ein Pirat wärst, wäre Dein Name "Badloud"". Seitdem hat es mir der Name angetan - perfekt für eine Rockband. Eben "bad loud". Aber ich muss darauf achten, nicht zuviele Projekte und Bands parallel zu haben.

A: Neulich las ich von Dexter Holland´s eigener Chilisauce, andere Musiker machen Klamottenfirmen nebenher. Könntest Du Dir einen weiteren Zweig ausser der Musik vorstellen, auf dem Du Dich als Unternehmer versuchst?

JC: Dafür bin ich nicht der Typ. Mir würde kein Produkt einfallen. Ich habe darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben - meine Memoiren. Aber auch die Idee habe ich vorerst verworfen. Ich denke, es würde mir schlicht zu lange dauern und wäre vielleicht überheblich.
Ich mag es eher simpel und bleibe der Musik treu. Wenn Dich einmal die Leidenschaft bei einer Sache gepackt hat, bleib dabei. Life is that simple.

A: Was für perfekte letzte Worte. Vielen Dank für Deine Zeit, Joey!

JC: Danke auch, macht´s gut!

Moppi/Maik

vom 06.04.2009