Interview mit Narziss

14.03.2009
 

 


Die neue CD von Narziss istd veröffentlicht. Was liegt also näher, als den Jungs mal ein paar Fragen zu stellen? Mit einem gut gelaunten Johannes plaudere ich über „Echo“, wie man es schafft, neben Arbeit und Familie noch in einer erfolgreichen Band zu spielen und viele Dinge mehr.

Hallo Johannes. Zuerst einmal Glückwunsch zur neuen CD, ist wirklich super geworden. Aber bevor wir darauf eingehen noch mal zu „Solang das Herz schlägt“. Rückblickend betrachtet, was hat sich durch eure letzte CD alles verändert, was hat es euch gebracht?

Na was denkst du denn darüber? Wie ist dein Gefühl als Außenstehender?

Also ich hab schon das Gefühl, dass sie euch größer gemacht hat. Gerüchten zufolge, wobei ich nicht weiß, ob was dran ist, hat sich „Solang das Herz schlägt“ ja auch ähnlich gut verkauft wie die letzte Maroonplatte.

Also ich kenne Maroons Verkaufszahlen nicht, aber wir haben das Doppelte, ich würde sogar sagen fast das Dreifache der „Neue Welt“ verkauft, also es ging schon ziemlich gut weg. Auch was in Hinblick auf die Shows so ging und immer noch geht zeigt ja, dass die ganze Sache weiter gewachsen ist. Aber ich habe das Gefühl, dass wir etwas Basis im Osten verloren haben. Also in den großen Städten wie Leipzig, Chemnitz oder Berlin geht das schon, aber wo wir früher viel gespielt haben, sind wir heute leider weniger zu Gast.

Und was denkst du, woran das liegen könnte?

Kann ich nicht wirklich sagen, zumal die Eigenwahrnehmung ja auch immer eine andere als die Fremdwahrnehmung ist. Vielleicht zu viel Melodien... - Nun ja, die Scheibe hat uns bis nach Wacken gebracht, wobei ich mich anfangs gefragt habe, was wir in Wacken wollen, haha. Aber im Nachhinein ist mir dann klar geworden, was wir dort sollten…

Was denn?

…in erster Linie ein Konzert spielen, haha. Nee, aber es war ja erfolgreich. Der Stagemanager meinte dann, es wären wohl 15.000 Leute vor der Bühne gewesen, also es sah zumindest voll aus, haha.
Also ich denke mal, auf alle Fälle hat uns die Platte nach vorne gebracht. Auch durch das Label, bei dem ja mehr Leute arbeiten, als auf unserem eigenen, und das ganze so nach vorne geschoben haben. Dadurch kamen ganz andere Verbindungen zustande, die dann bei dem neuen Album zum tragen gekommen sind, wie das Kennenlernen von Patrick Schmitz, usw...

Ihr seid ja nun auch schon eine ganze Weile dabei und habt schon einige Platten veröffentlicht. Ist man da immer noch ein wenig aufgeregt und gespannt, wie die Leute so reagieren werden oder seid ihr da mittlerweile so abgebrüht, dass man sagt, naja okay, schön wenn’s jemanden gefällt, aber Hauptsache wir mögen die Scheibe?

Da man ja als Mensch, und davon kann ich mich nicht ausnehmen, grundsätzlich nach Bewertung strebt, guckt man schon mit einem Auge danach, was über die eigene Arbeit gesagt und geschrieben wird. Und man freut sich auf jeden Fall, wenn sie gut ankommt und es irgendwie honoriert wird, was man da zusammengeschrieben hat. Es rennt zwar keiner mehr täglich zum Briefkasten und schaut, ob die frisch gepresste CD endlich vom Label geschickt wurde, oder das Layout endlich da ist - das sind schon Sachen, die ein Stück weit Normalität geworden sind. Wir machen ein neues Album, die Arbeit und Organisation dafür muss gemacht werden, dann kommen die Ergebnisse. Man kann sich alles ziemlich gut vorstellen, weil einfach die Erfahrung da ist. Interessant ist für mich das Ende der Studioarbeit. Klingen die Lieder tatsächlich so, wie wir uns das vorgestellt haben? Trotzdem ist es aber auch Arbeit, die erledigt werden muss, um die Songs, an denen wir lange gearbeitet haben, endlich selber im Auto hören zu können. Klar macht Studioarbeit auch Spaß, weil’s einfach witzig ist mal rumzuhängen, Zeit mit der Band zu verbringen, usw. , aber Zeit ist bei uns einfach kostbarer geworden. Beim Studieren, da ging das noch alles, aber jetzt ist die Zeit begrenzt. Schätzungsweise ist das der Grund, warum wir doch eine Weile gebraucht haben.

Und habt ihr eure begrenzte Zeit wenigstens auch gut genutzt? Also wie gut ist die CD denn geworden, mal abgesehen von dem üblichen „es ist die beste CD, die wir je gemacht haben“-Gerede.

Was mich nach wie vor bei allen Alben, die wir gemacht haben ärgert, ist, dass man Vieles erst hört, wenn die ganze Sache fertig ist, und man alles eine ganze Weile angehört hat. Dann wäre es eigentlich an der Zeit zu sagen, man geht noch mal ins Studio und korrigiert. Und solche Stellen gibt es immer, auch bei „Echo“, wo man sagt, ich würde hier was anders machen, da eine andere Linie spielen, ich würde ein anderes Instrument mehr hervor heben oder etwas anderes ist vielleicht doch ein wenig zu leise geworden. Und da müsste man erneut ins Studio gehen und das nacharbeiten. Allerdings kostet das Geld und wertvolle Arbeitszeit, und hier musst du abwiegen, ist das wirklich so dramatisch oder fällt das nur dir selbst auf, wie wichtig ist das wirklich? Vielleicht einfach nur ein Egoproblem? Ich persönlich habe noch viele andere Baustellen, auf denen ich zu tun habe, und so kann ich nur mit Kompromissen leben. Aber klar bin ich zufrieden. Ich höre es auch gern, denn die Musik haben wir ja auch für uns gemacht. (Der Satz hätte vielleicht gereicht, oder?)

Und wie kam es dann zur Zusammenarbeit mit dem Filmkomponisten Patrick Schmitz?

Das war ein reiner Zufall. Unser Management ist auf einen Typen Namens Nico Mecklenburg gestoßen, der bei PIAS arbeitete und später zu Sony gewechselt ist. Patrick ist ein Kumpel von eben diesem Nico. Beide mochten die „Neue Welt“ sehr. Mit den Samples der „Solang das Herz schlägt“ waren die beiden unzufrieden. Bis dato hatte ich die Streicher immer mit dem Cello selber eingespielt, was auf der „Solang das Herz schlägt“ aus Zeitgründen nicht möglich war. Patrick meinte, wenn wir mal wieder was machen würden, sollten wir ihm doch mal schreiben und er würde uns das dann programmieren, aber 1000mal besser, weil er ganz einfach eine bessere Library hat. Und darüber war dann der Kontakt hergestellt. Ich hab ihn dann auf dem Wacken das erste Mal getroffen. Irgendwann haben wir damit begonnen, einen Song zusammen zu machen, was dann mit der Zeit einfach eine Eigendynamik gewann. Ich bin nach München gefahren, dort haben wir zusammen arrangiert, dann war der hier und wir haben zusammen gemischt und so weiter.

Aber gerade wenn man sehr präsente Streicher oder Klavierparts auf dem Album hat, wie plant ihr das dann live umzusetzen?

Das wird dann eingespielt, also vom Band.

Also macht ihr es nicht so, dass ihr sagt, ihr schreibt die jeweiligen Lieder für die Liveshows um, so dass ihr auf die entsprechenden Parts verzichten könnt und es live passt?

Bei „Ita est“ würde das vielleicht funktionieren. Da wir uns aber nun einmal die Mühe machen, die Streicher bei Maskerade live umzusetzen, so können wir das bei „Ita est“ dann auch problemlos auf die Bühne bringen.

Die Texte sind ja wieder sehr poetisch ausgefallen. Was hat euch dieses Mal inhaltlich beschäftigt?

Das witzige ist, dass wir beim machen der neuen Platte festgestellt haben, dass eine Vielzahl der Themen, die manchen Hörer interessieren, uns einfach nicht mehr zusagen, dass man einfach andere Sorgen hast. Du sorgst dich, wie es deinen Kindern geht, ob die in der Schule auch keine Probleme haben oder was weiß ich, wie geht’s auf meiner Baustelle voran und so was, haha. Aber darüber ein Lied zu machen, würde, so glaube ich, wohl auch keiner verstehen - es würde wohl auch keinen Sinn machen. So schreibe ich selber meistens über zwischenmenschliche Beziehungen, denn da gibt es ja gerade in einem halbwegs normalen Leben viel zu analysieren. Ich suche mit letztendlich irgendwelche Ecken und Kanten von Freunden aus und beschreibe die in einem Lied mit fiktiven Gestalten oder mit mir selbst oder so, während der Alex vielmehr sich selbst beschreibt. Ich persönliche suche auch häufig direkt nach „Schreib-Stoff“. Manchmal werde ich dann auch quasi bei den Kollegen fündig – wie zum Beispiel beim Album „Neue Welt“. Der Song „Die phantastischen Vier“, den hatte ich für Maroon geschrieben, weil die hatten in irgendeinem Text die Stelle „The four riders coming down“, oder ähnlich. Ich dachte mir, Angst, das ist eigentlich ein geniales Herrschaftsinstrument, aber wenn man genau hinschaut, eben Betrug. Und darüber hab ich dann dieses Lied geschrieben. Oder „Verloren“ vom letzten Album war über Alex. Und „Ita est“ ist übrigens über mich, haha.

Aber die Frage ist ja, nimmt man mal „83@ebaydotcom“ vom Album „Neue Welt“, wo der Text ja eben die Politikverdrossenheit innerhalb der Hardcoreszene behandelt und so weiter, wie politisch ist denn dann noch Narziss anno 2009?

Also das kommt drauf an, woran du politisch sein fest machst. Ich denke wir waren nie die Band, die politische Zusammenhänge plakativ in einem Text angesprochen hat. „Ebay“ war da eine Ausnahme. Mich hat da einfach etwas wirklich angekotzt. Und in dem Sinne ist „ebay“ eigentlich ein Lied, was du in diesem Zusammenhang sehen solltest. Grundsätzlich sind wir alles andere als politikverdrossen. Wenn man die Texte ankuckt, dann sind die Wünsche und die Hoffnungen, die darin formuliert sind, immer auf einen Idealzustand hin ausgerichtet, und der schließt solche Sachen wie Krieg, Rassismus oder Nationalismus von vornherein aus. Und damit sind wir dann auch politisch.

Wie kam der Wechsel zu Redfield zustande?

Naja, mit Alveran hat es in gewisser Hinsicht kommunikationstechnisch nicht funktioniert. Also ich denke, der Job, den sie zu der Platte gemacht hatten war in Ordnung, aber wenn die Kommunikation am Ende nicht funktioniert, dann muss man da was ändern, und das ist ja in dem Sinne getan. Und Redfield ist ein Label, wo wir ohne Probleme weiter machen können wie bisher. Wir haben manchmal die Priorität auf Narziss gelegt, manchmal aber auch eher auf unsere persönlichen Belange. Schließlich sind wir keine Sklaven der Musikindustrie. Redfield verstehen dass, lassen uns gewähren, treten uns aber auch mal zur rechten Zeit in den Hintern ...

Wie du schon sagtest hast du verschiedene Prioritäten, du bist ja auch Lehrer an einer Schule. Wie ist das da mit den Kids? Du hast dich ja auch bei denen im Booklet bedankt, also nehme ich mal an, die Wissen, was ihr Lehrer da so im Privaten noch treibt.

Also ich bin ja jetzt seit 1 1/2 Jahren in Erfurt an der Schule. Ich hatte nichts gesagt, aber irgendwann kommt das eben raus. Die meisten Schüler wissen inzwischen, wie man sich im Netz kundig macht. Manches Mal macht mir dieser Umstand, ein Mitglied von Narziss zu sein, einiges im Unterricht leichter, manches aber auch schwerer, weil damit eine gewisse Erwartungshaltung auf mich projiziert wird. Viele erwarten, dass ich einfach lässig wäre, oder cool, oder wie man das auch immer schimpft, aber auch ich muss mich zunächst mit den gleiche Inhalten wie andere Lehrer auch beschäftigen. Um ein guter Lehrer zu sein, muss man nicht in einer Rockband spielen. Positiv ist, dass ich dadurch einige Schnittstellen mehr, als andere Lehrer habe, die mich mit der Welt der Schüler verbinden, weil es eben auch meine eigene ist. Ich muss mich nicht anbiedern oder aufgesetzt locker wirken. Dennoch kann man, wie gesagt, dass auch alles ohne Band sein und haben.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass es Probleme geben könnte, wenn du einerseits in der Schule eine Autoritätsperson bist, andererseits aber bei einer Show der Musiker auf der Bühne bist, und wenn dann einer deiner Schüler im Pit ist und man sich dann noch vielleicht nach der Show unterhält, dass es schon Probleme geben könnte, auf welcher Ebene man denn nun kommuniziert.

Eine Autorität ist für mich jemand, der Erfahrung hat, aber das nicht permanent nach außen kehrt. Ich hoffe, dass meine Schüler mich anerkennen, weil ich ihnen etwas aufzeigen kann, weil sich von mir Hilfe erhalten können, und nicht weil ich ein Arsenal an Druckmitteln besitze, welche über ihre Zukunft entscheiden könnten. Eindeutigkeit ist dabei wichtig. Wenn ich die Band dazu nutzen würde, um zu zeigen, dass ich cool und locker bin, es dann aber im Unterricht selber nicht bin, weil ich ja auch unter einem gewissen Erfolgsdruck stehe, dann kann ich einpacken. Ich bin unglaubwürdig. Wenn ich mit meinen Schülern über Bands rede, dann versuche ich ihnen den Schleier von den Augen wegzunehmen und zu zeigen, dass Musik neben Inspiration auch harte Arbeit ist, dass es zwar cool sein kann, auf der Bühne zu stehen, dass es sich aber nur selten lohnt, für einen Traum seine Zukunft wegzuwerfen. Dazu fällt mir immer ein Zitat von Terry Pratchett ein: „Wenn du dir selbst vertraust, und an deine Träume glaubst, und deinem Stern folgst, dann wirst du trotzdem von Leuten übertroffen, die ihre Zeit damit verbringen, hart zu arbeiten und zu lernen und nicht so faul zu sein.“ So ist es überall.
Kurz um – den Johannes Müller, den man auf der Bühne sieht, ist kein anderer, der in der Schule vor der Klasse steht. Ich bin nicht der Typ für ein Doppelleben.

Es gibt ja auch diese Seiten, auf denen man seinen Lehrer bewerten kann…

…da kuck ich nicht hin, haha.

Aus Angst oder kein Interesse?

Hehe, gute Frage.

Ich meine es könnte ja sein, dass du denkst, es läuft gut und hinter deinem Rücken heißt es, „ach der Müller, der denkt, er ist auf per du mit uns und in Wahrheit“…

Also du musst halt akzeptieren, es gibt Grenzen, die sind Schüler und du bist Lehrer, und diese Grenze wird nicht überschritten. Es gibt Lehrer, die lassen sich duzen von Schülern, das mache ich nicht. Die Grenze bleibt bestehen. Auch wenn wir uns jetzt auf Konzerten treffen würden, was durchaus vorkommt, überschreite ich diese Grenze nicht. Das ist vielleicht eine Kommunikationsbremse, aber gut, so ist das halt.
Und nun noch ein Wort vom Lehrer über ungenannte, aber gemeinte Seiten im Netz. Diese haben meiner Meinung nach das Problem, dass die Bewertung öffentlich ist. Ich aber setze auch keine Schülernoten ins Internet, damit dann jeder sich in der Schule drüber beeiern kann, dass der oder die schon wieder ne Sechs hat. Es ist durchaus wichtig, dass auch Lehrer bewertet werden. Und es gibt Lehrer, ich mach so was auch, die geben Umfragebögen aus, aber die Frage ist, wie ehrlich beantworten die Schüler das tatsächlich. Trauen sie sich das. Viel bekommt man im Gespräch mit. Dafür musst du aber Vertrauen schaffen. Und ich kuck nicht auf diese Seiten, sicherlich würde es mich auch verletzen, wenn da steht, der ist total schlecht oder so, aber grundsätzlich ist es eben für mich so, was ich nicht weiß macht mich nicht heiß. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch wenn ich einen Tag richtig schlecht war, ich am nächsten Tag bei den Schülern eine neue Chance bekomme. Das ist doch Bewertung genug – ich bin noch nicht abgeschrieben...

Aber bei den CD-Kritiken könntest du es ja auch so handhaben, was ich nicht weiß macht mich nicht hei߅

Deswegen les ich nicht jede. Bei der Geschichte ist es aber noch einwenig anders, das ist ja eine künstlerische Leistung. Und eine CD bringst du ja nicht alle Tage raus. Ich halte in der Woche 25 Unterrichtsstunden, im Monat sind das 100, und da kriegst du so eine Routine. Ich bring ja auch nicht 100 CDs im Monat raus, und da kriegst du nebenbei schon mit, wie du so wirkst. Und da hast du eben Stunden dabei, die sind scheisse gelaufen, dann hast du ein paar Stunden dabei, die sind richtig top gewesen, und dann wechselst du eben zwischen diesen Polen hin und her, auch je nachdem, wie viel Zeit du investieren konntest. In dem Sinne bekommst du da permanent ein Feedback. Bei der CD würde ich das Feedback auch dann bekommen, wenn ich vorm Publikum die CD spiele, bzw. nicht mal ein Publikum da ist, weil die CD so scheisse ist. Also das wäre dann sozusagen die Bewertung ohne Review.

Wie ist das eigentlich mit dem live spielen? Ich meine, du baust jetzt ein Haus, was du bei der letzten CD noch nicht gemacht hast, deine Frau und deine Kinder wollen auch was von dir haben, deine Schüler erwarten einen ordentlich vorbereiteten Unterricht, durch die letzte CD bist du mit Narziss noch erfolgreicher, viele Leute wollen, dass ihr in dieser oder jener Stadt spielt. Wie kriegt man das alles unter einen Hut?

Naja, du machst alle Sachen halb und nicht richtig, haha. Also beim Hausbauen lässt du ja bestimmte Arbeiten Baufirmen machen, sofern du es dir leisten kannst und ab einem bestimmten Punkt machst du Sachen selber. So was ist planbar. Shows sind planbar, Familie ist bis zu einem gewissen Grad auch planbar und Arbeit ist auch planbar. Und da arbeite ich derzeit mit einem ziemlich harten Wochenplan, wo Zeiten für bestimmte Dinge eingearbeitet sind und das muss ich stets effektiv ausnutzen. Ich fahre jeden Tag mit dem Zug ne halbe Stunde hin zur Arbeit und eine zurück, macht eine effektive Arbeitsstunde. Wenn ich mit der Band unterwegs bin und vier Stunden im Auto sitze, dann arbeite ich. Dann sitze ich nicht wie die anderen da und lese oder schlafe, sondern ich arbeite. Klingt sicherlich beschissen, geht aber nicht anders. Es geht natürlich auch viel an sozialen Kontakten verloren, das ist auch klar, aber nur so funktioniert es eben. Und wenn du so etwas klar strukturierst, dann kannst du so eine Weile überleben. Lange geht das dann natürlich auch nicht, das ist klar, dann musst du eine Sache abschießen. Und mein Haus ist ja irgendwann auch soweit fertig, dass ich da nicht mehr viel dran machen muss, so dass es nur noch drei große Dinge sind, um die ich mich kümmern muss.

Aber was denkst du, wie lange das noch gut gehen wird? Also planst du noch, mit 40 auf der Bühne zu stehen oder hast du dir da schon eine Obergrenze gesetzt?

Weiß ich nicht, ich kann auch nicht so richtig in die Zukunft schauen. Ist bei der Sache auch schwer. Ich nehme mal an, ich werde irgendwann sagen, wir hören auf, und ich hoffe dass ich den Zeitpunkt erkennen kann, dass wir nicht elend lange rumkrepeln. Vielleicht tun wir das ja schon, weiß ich nicht, haha. Ich habe das Gefühl, dass wir uns noch musikalisch weiterentwickeln, dass es auch dadurch eine Berechtigung gibt, noch weiter zumachen, dass da keine Stagnation eingeleitet ist. Ich meine, es gibt auch Bands, die überholen dich, es ist immer so, dass irgend welche Leute an dir vorbei ziehen im Leben, da musst du halt wissen was du willst und was du kannst. Für uns ist gerade die Frage aktuell, wie das neue Album ankommt. Also nicht nur, wie es sich verkauft, sondern wie gut die Shows besucht sind, wie gut wird die Band gebucht wird, ob sich jemand für uns interessiert, usw. Demnach können wir dann entscheiden, ob wir weitermachen oder aufhören sollten.

Aber mal rumgesponnen, die neue Platte geht so gut ab, dass ihr überlegen müsstet, ob ihr eure Jobs hinschmeißt oder nicht.

Naja, man könnte jetzt sagen theoretisch hängt das einfach nur von der finanziellen Situation ab. Also ich bin fertig mit meiner Ausbildung, ich könnte jederzeit aufhören und wieder anfangen, das musst du auch mal sehen. Ich hänge nicht in irgend nem Studium drin, was zu einem gewissen Punkt fertig sein muss oder wo es vielleicht blöd ist, wenn ich aussetze. Allerdings muss ich auch ordentlich Patte im Monat verdienen, haha. Und wenn man sich das mal zusammen rechnet, wenn jeder von uns samt Familie von der Band leben sollte, dann müssen wir ordentlich was verdienen. Und in diesem Sinne kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Fall je eintreten würde. Und unter dem Niveau würde ich immer sagen, „nein ich mach das nicht.“
Dazu kommt noch, dass ich überhaupt kein Interesse daran habe, fünf oder sechs Wochen von meiner Familie wegzufahren, und ich auch noch gerne als Lehrer arbeite gehe. Und deswegen fokussieren wir diese Dinge wohl auch nicht wirklich. Vielleicht fahren wir auch mit angezogener Handbremse oder so was, aber ich weiß nicht, wie viel Zweck das hat. Du gehst fünf oder sechs Wochen auf Tour, nur was hast du danach? Ein paar schöne Erinnerungen, ein paar Erfahrungen. Falls es passiert, sage ich dir bescheid und du stellst mir die Frage noch einmal.

Also dann die Zukunft von Narziss: The Dome 52, oder wie, haha.

Also wenn, dann ja, haha. Aber solch eine Sache würde ich einfach auf mich zukommen lassen. Ich glaube auch einfach nicht, dass das passiert.

Und bei den Dingen, die ihr planen könnt? Was steht da so an?

Also im März spielen wir eine 10-Tages-Tour. Ich freu mich, dass wir endlich mal wieder ein paar Tage am Stück unterwegs sind. Und dann werden wir sicherlich wieder so ein paar Supportsachen machen und dann weiß ich nicht, ob wir im Herbst noch mal eine kleine Tour spielen. Wir sind halt von unsere deutschen texten auf einen deutschsprachigen Raum beschränkt, und deswegen lässt sich’s auch immer gut wenig Touren. Ansonsten, Jena liegt zentral, wir können überall hin fahren.

Und wie war es dann als deutschsprachige Band auf der hell on Earth Tour in England?

War im Prinzip schlecht besucht, die ganze Hell on Earth Tour, in dem Sinne weiß ich nicht, wie das tatsächlich ist, aber ich glaube das Interesse in England für deutsche und europäische Bands ist gar nicht so hoch, bis auf ein paar Spitzen, als das es sich lohnen würde, dort noch mal hinzufahren. Hinzu kommt der finanzielle Faktor: für eine Show lohnt sich einfach nicht. In Belgien läufts auch gut, die Shows, die wir dort hatten waren auch in Ordnung, da können wir auch wieder hin fahren, ist halt bloß so ein elend weiter Weg.

Und kommen die auf deutsche Texte klar, also Belgier zum Beispiel?

Ja, also da hatte man nicht das Gefühl, das das so problematisch wäre. Man müsste öfters dort spielen und das ist eben auf die Entfernung gesehen schwierig. Man müsste dort zehn Shows im Jahr spielen und das schaffen wir nicht.

Bei „Solang das Herz schlägt“ hattet ihr ja auch eine englische Übersetzung für die deutschen Texte drin, die bei der neuen Scheibe fehlt.

Ja also wir machen nun mal deutsche Texte, und die sind ja in ihrem Wesen schlecht übersetzbar. Man kann den Sinn übersetzen, das haben wir ja auch bis dato gemacht, aber eigentlich so nötig ist das auch nicht mehr. Und wer will, kann ja anfragen. Wir antworten gerne. Interpretationen sollten aber in Eigenleistung gemacht werden!

Da lass uns doch gleich noch mal auf das Artwork zu sprechen kommen. Wie schon bei der letzten Platte ist Paul Barsch dafür verantwortlich. Wie ich finde hat er sich verdammt nah an dem Stil von „Solang das Herz schlägt“ gehalten.

Das war ja auch die Vorgabe. Wir haben festgestellt, auch per Feedback, dass das Artwork sehr gut angekommen ist. Für mich ist es wichtig, dass auch das Artwork Kunst ist, und nicht nur eine billige Collage. Das Artwork der „Solang das Herz schlägt“ fand ich von unseren Platten bisher unübertroffen. So haben wir gesagt, gehen wir doch in eine ähnliche Richtung und knüpfen da wieder an. Und dieses Mal haben wir statt einem männlichen Kopf einen Frauenkopf. Und jetzt haben wir als Story im Booklet das Leben einer Frau, die wir über ihren Lebensweg hin begleiten.

Und ähnlich wie bei dem „Ebenbilder“ ReRelease ist ja um das Booklet so eine Art Butterbrotpapier.

Ja das ist der Effekt, der sich dann eben mit dem Artwork verbindet, das war von Paul angedacht. Wenn man das von vorne ankuckt, dann wirkt das so leicht 3D, dadurch das es einfach verschiedene Schichten sind und es eine eigene Tiefe hat.

Und noch wie üblich irgendwelche letzten Worte?

Kauft unsere CD, kommt zu unseren Shows, ernährt unsere Kinder, haha. Nee, aber im Ernst, letzte Worte, hmm. Macht mehr Kinder, dann habe ich immer Arbeit.