Interview mit Souls For Sale

20.11.2010
 

 

Hallo SOULS FOR SALE. Eure vor kurzem erschienene EP „All My Favorite Love Songs Are By Cannibal Corpse“, kurz: AMFLSABCC, ist endlich mal ein Lebenszeichen, dass auf Vinyl gebrannt wurde. Warum hat es so lange mit euch gedauert? Seit ihr unentschlossen, Lineup-Probleme geschwängert oder etwa unproduktiv?

Wir pressen jetzt auf Vinyl, weil wir vom CDs-Brennen die Schnauze voll haben ... ;) Tatsächlich war es wirklich ein bisschen so: Wir hatten nach selbstgebastelten, krude aufgenommenen Demo-CDs einfach Lust mal was Vernünftiges zu machen. So'ne Aufnahme die man sich im nachhinein freiwillig und gerne anhören würde quasi.

Die Entstehungssituation von AMFLSABCC war insgesamt auch nicht ganz einfach.

Richie war ziemlich lange out of town und daher war über lange Zeit nicht klar, ob es so überhaupt weiter gehen konnte. Erst durch seine Rückkehr nach Bielefeld wurden die Weichen für eine ernsthafte Weiterführung der Band gestellt. Dann haben wir mit Al Jörgensen im Vorfeld der Aufnahmen noch relativ spontan einen weiteren Gitarristen ins Boot geholt. Hierdurch hat sich der ganze Prozess dann auch noch mal um ein paar Monate nach hinten verschoben.

Die EP ist eine Vinyl-only Veröffentlichung. Ihr liebt Vinyl. Vielleicht lieben eure potentiellen Hörer aber mehr die CD. Warum so engstirnig?

Toleranz zerstört Subkulturen. Nee, Spaß beiseite: Platten sind sozusagen das "schwarze Gold" der Musikgeschichte. Sie haben einfach mehr Seele als eine CD, haben einen coolen Klang und lassen das Artwork mehr wirken. Ein Freund von uns hat sich sogar die Scheibe gerahmt und an die Wand gedengelt, mit einer CD hätte er das sicherlich nicht gemacht.

Als Band sind wir auch nicht in der Position, unser Zeug auf zig verschiedenen Medien anzubieten. Mit dem beiliegenden Download-Code lassen sich bequem MP3-Player bestücken und CDs brennen, wenn man es denn möchte. Außerdem kann sich ja jeder die Scheibe illegal aus dem Netz ziehen. Man sollte sich da als Künstler nichts vormachen. Niemand würde ein Auto ohne vorhergehende Probefahrt kaufen. Wieso sollte also jemand eine Platte kaufen, wenn er die Musik nicht kennt?

Von daher können wir uns kaum vorstellen, dass man viele potenzielle Hörer nicht erreichen wird. Die Entkopplung von Musik und physikalischen Datenträger hilft ja eigentlich gerade kleineren Bands und hat den Erfolg von Bands wie Job For A Cowboy und Co. erst möglich gemacht. Das Netz fungiert heutzutage als weltweiter Distributor und für die Sammler gibt es halt Vinyl. "All My Favorite Love Songs Are By Cannibal Corpse" war Anfang des Monats Platte der Woche bei einer Punk/Hardcore Sendung eines College Radios in Upstate New York. Dieses wäre im Zeitalter der CD vermutlich nie passiert, sondern wurde erst durch MP3 und Co möglich.

AMFLSABCC in eine Schublade zustecken fällt schwer, wenn der Versuch unternommen wird, dann müsste deren Aufschrift folgende Worte tragen:

...ein fettes "CAUTION" und dazu einen Totenkopf-Aufkleber. ;)

Ihr habt zur Untermalung einen sehr live-haftigen Sound gewählt. Die Heimat von SOULS FOR SALE scheint die Bühne zu sein.

Nicht nur der Sound ist live-haftig, das ganze Ding wurde live eingespielt. Im Studio saß mit Hauke Albrecht (Turbostaat, Captain Planet) ein großer Verfechter von Live-Aufnahmen an den Reglern.

Normalerweise wird ja zunächst das Schlagzeug eingeprügelt und danach haben sich die Anderen beim Einspielen an den Schlagzeug-Spuren zu orientieren. Anders ist es bei einer Live-Aufnahme. Hier müssen alle gleichzeitig ran und dementsprechend ist das spätere Ergebnis mehr ein Produkt des Zusammenspielens. Man befähigt sich damit die eigentliche Dynamik der Songs einzufangen. Live-Aufnahmen klingen damit weniger klinisch. Anstattdessen sind sie schön rough und schmutzig. Im Studio macht es die ganze Sache allerdings leider nicht wirklich einfacher. Wenn sich einer verspielt, müssen alle noch mal ran. Ob jetzt live oder nacheinander ist aber letztlich Geschmackssache. Gerade die ganzen Rock-Sachen aus den 70ern und 80ern gewinnen einen Teil ihrer - in heutiger Musik nur noch selten erreichten - Lebendigkeit, aus den kleinen Ungereimtheiten, die damals noch nicht technisch ausgemerzt wurden/werden konnten. So ähnlich hält es sich vielleicht auch mit einer Live-Aufnahme. So rein technisch betrachtet, kann diese wohl nur in den seltensten Fällen die Qualität des nacheinander Einspielens erreichen. Aber Musik ist teilweise mehr als technische Perfektion. Es geht nicht nur darum, ob etwas super sauber eingezockt ist, sondern vor allem darum, ob es beim Hörer Emotionen auslösen kann. Ein Ansatz um dieses Ziel zu erreichen kann eine Live-Aufnahme sein.

Wie fühlt es sich an, mit AMFLSABCC im Rücken zu rocken?

... vielleicht als würde man mit einem getunten Bulldozer direkt und ohne Rücksicht auf Verluste in eine Discoveranstaltung reinbrettern.

FUCKED UP Attitüde, dicke Cruste drum herum, Hardcore, Punk; Rock und melodische Gitarren: Habt ihr eigentlich alle eure musikalischen Vorlieben in euren ersten Erguss gebündelt? Habt ihr sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner in die Tracks kanalisiert?

Vielleicht schon, aber nicht unbedingt bewusst: Bei Souls For Sale geht es viel um Spaß, nicht so sehr um Kalkül. Auch wenn wir eine grobe Vorstellung davon haben, wie das Ganze klingen bzw. wirken soll, schreiben wir die songs letztlich einfach so, dass sie uns gefallen.

Musik ist heute häufig sehr verkopft und die Bands liefern professionell einen bestimmten Sound ab, während wir eher Wert auf unser Bauchgefühl legen, wenn wir Musik machen. Wenn man es mit Getränken vergleicht, sind wir eben nicht einfach Bier, Schnaps oder Bananensaft, sondern eher ein Cocktail aus dem allen, der dann ziemlich reinhaut.

Zacken (Waterdown-Sänger) sagte vor einigen Jahren mal zu mir, dass sich eine richtig gute Platte wie ein Sampler anhören muss. Refused haben dieses beispielsweise mit "The Shape Of Punk To Come" geschafft. Wenn eine Scheibe vielseitig ist und trotzdem noch konsistent klingt, so hat man aus meiner Sicht als Band einiges richtig gemacht. Wir finden das "AMFLSABCC" Sinn macht. Wenn andere das anders sehen, ist das nicht unser Problem. Wir sind nicht in der Position einer gesignten Band, die verkaufen muss. Bands die "Genre-Platten" abliefern, gibt es eigentlich auch schon genug. Beim Songs schreiben sind es bei uns häufig auch gerade jene Momente, in denen vermeintliche Konventionen gebrochen werden, die zu grinsenden Gesichtern im Raum führen. Wir können auch jetzt schon verraten, dass sich auf der nächsten Scheibe eine Doom/Sludge Nummer finden lassen wird. Das würde man nach dem Hören von "AMFLSABCC" vielleicht auch nur bedingt erwarten.

Inhaltlich drückt das Covertartwork so einiges über euren Gemütszustand aus. Sänger Denn schreibt über Dinge, die ihn "interessieren/bewegen oder auf die er einfach nur Bock hat". Seht ihr die Texte mehr als Ventil oder auch als Inspiration, sich damit zu beschäftigen?

Wir sind insgesamt mehr eine Partyband. Das bedeutet aber nicht, dass die Texte nachrangig sind. Im Insert der Platte befinden sich zu Einigen Erklärungen. Hierdurch dürfte deren Stellenwert eigentlich schon deutlich werden. Letztlich haben wir einfach keinen Bock mehr auf "preaching the preached" und das durchschaubare, pseudopolitsche Gehabe einiger Bands macht deren Musik auch nur begrenzt interessanter.

Die Texte sind wohl mal mehr Ventil und mal mehr Inspiration. Vernünftige Texte zustande bringen fällt leichter, wenn man über Dinge schreibt, die einen emotional oder anderweitig bewegen. Man muss für eine Textidee brennen. Wofür man gerade brennt, kann man wiederum nur begrenzt beeinflussen. Dementsprechend ergibt es für uns momentan wenig Sinn sich auf bestimmte Themen festzulegen. Sollten wir irgendwann in nicht absehbarer Zeit für ein Konzeptalbum brennen, mag das wiederum was anderes sein.

Bielefeld ist Heimat von 4/5 der Band. Die Stadt ist eurer Meinung nach unterbewertet . Warum das denn? Die kennt doch kaum einer...

Die Stadt ist eigentlich nicht unterbewertet. Wir leben hier halt, könnten aber genauso gut in einer anderen Stadt wohnen. Wenn man Naturfan ist, kann man ganz gut um Bielefeld rum durch den Teuto spazieren ... Auch die Kulturinfrastruktur hat Einiges zu bieten. Und dann wäre natürlich noch das gute Wetter. Dank der Vorteilhaften Lage hinter dem Teuto profitiert die Stadt von übermäßig viel Regen.

Erst gestern war ich im Wahrzeichen der Stadt: Dem Tierpark Olderdissen! Die Frage, welche Schauspielerin aussieht, wie sich eure Platte anhört, wurde zugunsten der Antwort "wohl eher ein Mann" umgangen. Daher die logische Fortsetzung: Welches Tier aus dem Tierpark verkörpert AMFLSABCC?

Ein diabolischer schwarzer Ziegenbock ... in durchgeknallter Partylaune.

Wann kommt der Schritt vom AJZ über den Falkendom hin zur Stadthalle? Mit anderen Worten: Wohin geht euer Weg?

Direkt nach WACKEN!!! ... Aber eigentlich ist eher der Weg das Ziel: Wir wollen einfach möglichst viel Spaß mit SFS haben, coole Songs schreiben und bei unseren Konzerten mit den Leuten feiern. Alles andere ist erstmal nachrangig ... Wo wir sind, ist Wacken! ;)

Das ist noch zu sagen:

Wir wollen in Dein Jugendzentrum, Deine Bar, Dein Wohnzimmer und Deine Diskothek. Dann wir Krach!