Interview mit Undertow

05.02.2010
 

 

Hallo UNDERTOW! Mit wem haben wir das Vergnügen?

Clement, mein Held, hier ist der Tom, pleased to meet you, you don’t have to guess my name!









Was macht ihr drei neben UNDERTOW?

Sehr schön formuliert… die meisten Leute würden wohl andersherum fragen! Unser Sänger/Gitarrist Joschi ist Fachpfleger auf ner Psychiatriestation in nem Krankenhaus, unser Drummer ist Hauptschullehrer an ner so genannten Brennpunktschule und ich leite die Stadtbücherei und Volkshochschule in ner kleinen Stadt und mach „nebenher“ noch etwas Journalismus.


Im derzeitigen Metalzirkus sticht euer neues Album „Don’t Pray To The Ashes“ deutlich heraus. Zunächst aber eine Frage zum Titel: Was steckt dahinter?

„Vielen Dank für die Blumen, vielen Dank – wie lieb von Dir!“ Der Titel beruht auf einem Gustav Mahler-Zitat, das dieser Tage glaub ich auch in irgendner Fernsehwerbung verbraten wird. Wenn ich irgendwo was Interessantes höre/lese/sehe, dann schreib ich mir das gerne auf. Als es dann um den Albumtitel ging, hab ich etwas in den Notizen gegraben und da fiel mir das Mahler-Zitat wieder in die Hände. Das lautete in etwa „Tradition ist nicht die Verehrung/Anbetung der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“. Traditionelles um seiner selbst willen und alles Konservative sind uns per se suspekt. Und gerade in der Metalszene gibt’s da ja schon Anzeichen, ich sag nur mal True Metal.


Ihr könnt auf einen stattlichen Backkatalog von sechs Alben zurückgreifen, seid aber dennoch, wenn es um deutsche Metalbands geht, relativ unbekannt. Habt ihr euch eigentlich Gedanken gemacht, dass diese Stellung mit der Veröffentlichung des neuen Albums vorbei ist?

Tja, eigentlich wollten wir ja immer im Underground bleiben und unsere Mucke für einen elitären Kreis von einer Handvoll Conaisseuren machen – und dann schreibst DU son Review, Mann!! Nee, da haben wir natürlich nie drüber nachgedacht!







Habt ihr beim Komponieren das Gefühl gehabt, ein herausragendes Album kreiert zu haben oder fühlte sich der Prozess wie immer an?

Also beim Schreiben der Songs, was sich ja über Jahre hinzog, kommen solche Gedanken eher nicht auf. Mir geht’s dann beim Aufnehmen im Studio oft so, dass ich, wenn die Songs langsam Gestalt annehmen, denke „Wow, der Track ist aber wirklich fett geworden!“. Das war aber schon bei den letzten drei Alben immer so, also nix neues bei „Don’t Pray To The Ashes“ und an sich alles wie immer..


Könnt ihr kurz für Außerirdische den Unterschied zwischen „Don’t Pray To The Ashes“ und euren anderen Veröffentlichungen erklären?

Jetzt sind wir gerade dabei im deutschsprachigen Bereich halbwegs bekannt zu werden und der Mensch spricht von Außerirdischen!!! Der nächste Schritt, wäre doch eher Undertow ein paar anderen, halbwegs benachbarten Nationen nahezubringen – was wir mit dem Album auch definitiv vorhaben. Mal angenommen, dass sich Außerirdische überhaupt für unsere Mucke interessieren und nicht behaupten, dass sie in Frieden kommen und uns im Anschluss direkt zu rösten (für den Fall haben wir ja immer noch cheesy Countrymusik als ultimative Waffe in der Hinterhand!), dann wäre der offensichtlichste Unterschied, der erneut deutlich verbesserte Sound. Unser Produzent Roger Grüninger feilt ständig an seinem Equipment und gerade das Schlagzeug war uns dieses Mal sehr wichtig. Auf vielen aktuellen Metalalben klingt das Schlagzeug weniger nach einem Instrument aus Metall und Holz, sondern eher nach George Lucas-Laserkanonen. Auch wenn mir ein Vergleich zwischen unseren Alben imemr schwer fällt, weil da einfach die Objektivität fehlt, ist es zudem wohl so, dass es seither wohl das schnellste Album von uns ist.


Neben der Aggressivität und der Härte überzeugt ihr auch mit enormen Einfühlungsvermögen und anbetungswürdigen Melodiebögen. Dabei wirkt alles homogen und fließend. Woher nehmt ihr die Inspiration und die Ideen, ein solches Album zu schreiben?

Anbetungswürdig… wow, was ein Wort in Verbindung mit Undertow! Clement, bist Du eigentlich verheiratet? Das Ding mit Undertow war schon immer und ist es auch anch wie vor, dass wir das machen, weil wir Spaß an dieser Musik und dem Miteinander haben, sonst hätten wir das wohl auch schwerlich über 16 Jahre am Laufen halten können, es war jedenfalls nicht der Ruhm, die Drogen und die Millionen seither. Wir sind abseits der Musik auch gar keine Trauerklöße, sondern eher ständig grundlos gut gelaunt, textliche Inspiration kommt bei Joschi viel von beruflicher Seite, bei mir von überallher (wir teilen uns die Textarbeit etwa 50:50), aber viel der Musik, die uns berührt hat eben ne melancholische Komponente.


Wir wissen, dass euch die CROWBAR Vergleiche total auf die Nüsse gehen. Dennoch sind Parallelen vorhanden und diese zähfließende, wie Lava bröckelnde Riffgewalt beherrschen halt nur wenige. Welche Bands stehen bei euch bezüglich der Beeinflussung Pate? Vielleicht ein wenig DEFTONES aufgrund der Erhabenheit in den Refrains? Oder auch Hardcore Bands?

Ach, total auf die Nüsse gehen ist übertrieben. Was nervt, ist dass für viele Leute seit ein paar Jahren eben die Gleichung Undertow=die deutschen Crowbar gilt. Das C-Wort muss anscheinend per se in jedem Review über Alben von uns auftauchen und ich hab den starken Verdacht, dass diese Vergleiche schon geschrieben werden, bevor der erste Song überhaupt durchgelaufen ist. Natürlich haben wir auf „Don’t Pray To The Ashes“ wieder Material, das an Kirk&Co. erinnert, wir schätzen die Band, waren mehrfach mit ihnen auf Tour und Kirk hat sogar mal auf nem Album von usn gesungen. Bei „Still Waiting“ hab ich direkt als wir in der Probe angefangen haben auf dem Riff rumzukauen gewusst, dass da wieder die Vergleiche kommen werden, aber geschenkt, der Song ist einfach zu geil! Deftones ist auf jeden Fall eine Band, die wir verehren und die auch meist am Start ist, wenn wir längere Autofahrten bestreiten. Hardcore ist auf jeden Fall ein Einfluss in Bezug auf die straighte Herangehensweise und die schiere Kraft der Mucke. Wir haben Grunge ja damals voll mitbekommen, genauso wie ne Menge bewusst anderer Metalbands wie beispielsweise Prong und Helmet, das findet man denke ich auch ab und an wieder, genauso wie etwa Postcore und in Sachen Intensität/Melancholie/Musikalität fahren wir total auf Katatonia ab.


Ihr habt euch in allen UNDERTOWschen Facetten (sei es Gesang oder Gitarrenarbeit) weiterentwickelt, seid gereift und einfach besser geworden. Wie viel Zeit investiert ihr in die Band?

Wenn man sich ansieht, was wir so „neben der Musik her“ treiben, dann ist es an sich ein Wunder, dass wir überhaupt Zeit für die Band freischaufeln können. Wir proben im Bestfall einmal die Woche, meist so für ca. drei Stunden.


Ihr klingt nach euch und habt Charakter. Trifft das auch auf die Personen hinter UNDERTOW zu oder seid ihr mehr Normalos?

Ich hab mal gelesen, dass sich 80% der Autofahrer für überdurchschnittlich gute Fahrer halten… Hält sich wirklich irgendjemand selbst für nen Normalo? Schwer zu beantworten das, sollen doch lieber andere entscheiden!


Als Trio gibt es sicherlich ab und zu Frontenbildungen. Wie löst ihr Konflikte/Probleme innerhalb der Band? Wer ist das kreative Moment?

Das ist doch das tolle an ner Triobesetzung: IMMER eindeutige demokratische Entscheidungen (und im Schnitt mehr Bier für alle!), aber es ist eh seltenst so, dass wir wirklich Konflikte ausfechten. Das kreative musikalische Moment ist auf jeden Fall Joschi. Der kommt mit Ideen in den Proberaum, spielt uns die vor und wir nagen dann gemeinsam dran rum, bis wir denken, dass man das mal vorzeigen kann. Dann probieren wir die Songs auch gerne mal live aus und überdenken dann vielleicht noch mal das ein oder andere. Abseits der musikalischen Essenz mach ich mir viel Gedanken um Artwork, Texte und das ganze Drumherum.


Habt ihr eine Mainmessage bei „Don’t Pray To The Ashes“?

Nein, an sich nicht. Aber der abschließende Satz des einleitenden Filmsamples „My point is that destiny is what you make it“ ist ne ganz gute Ansage. Eben nicht in dieser ständigen Opferhaltung verharren, sondern Arsch hochkriegen und selbst was machen!


Gebt unseren Lesern bitte ein paar Album/Buch/Film-Empfehlungen.

Boah, da könnt ich Dir jetzt Seiten füllen, mein Job ist mein Traumjob, aber ich versuch mal in aller gebotenen Kürze ein paar Sachen zu nennen:

Album: neue Katatonia, Raised Fist und Alice In Chains läuft oft, Rainer hat mir von Russian Circles „Geneva“ zum Geburtstag geschenkt und das ist wirklich fantastisch, Baroness, Fear My Thoughts, Long Distance Calling, Thrice, Converge und Carcass läuft auch immer wieder, genauso wie das Aereogramme Nachfolgeprojekt The Unwinding Hours und die neue Callejon „Videodrom“, ansonsten abseits des Gitarrensounds das Livealbum von Peter Fox und das Debut von Frank Ramond (unfassbar gute, deutsche Texte!).
Joschi hängt dieser Tage mal wieder bei Exodus fest, die Riffs Mann, die Riffs! Rainer hab ich die Soloalben von Jerry Cantrell aufs Auge gedrückt und die gefallen ihm wohl sehr gut!

Buch: Zuletzt gelesen hab ich von John Niven „Coma“, sehr cooles, schräges und oft brüllend komisches Buch in dem es hauptsächlich um Golf geht. Golfen find ich zwar relativ doof, aber das Buch rockt. Im Moment lese ich von Sibylle Berg „Die Fahrt“, die Frau Berg ist zwar etwas schräg in ihrem Auftreten, aber das Buch ist toll. Autoren die ich nur jedem ans Herz legen kann: Paul Auster, Cormac McCarthy („Die Straße“, das schwärzeste, was ich je gelesen habe), Selim Özdogan, Tad Williams, Karen Duve, Neil Gaiman, John Irving, Nick Hornby, Noam Chomsky und natürlich Chuck Palahniuk.

Film: letzter Film, den ich im Kino gesehen habe, war „Soul Kitchen“ von Fatih Akin und der war wirklich sehr cool, der Mann kann tatsächlich auch Komödie – alle anderen Filme von ihm, die ich gesehen habe, waren auch sehr gut. Ansonsten hab ich mich dieser Tage über die limited DVD-Edition von „Inglourious Basterds“ gefreut, die mir die Postbotin ins Haus getragen hat, Tarantino und Waltz auf ihrem Zenith! Und „A Serious Man“ würde ich dieser Tage natürlich gerne sehen, die Coens hatten seither an sich auch nur einen Ausfall, der dürfte also rocken.


Ich danke euch für die Worte und gebe die letzten Zeilen für einen letzten Kommentar eurerseits frei:

Nach all den Jahren ein Interview im Allschools, Clement, willst Du uns heiraten? Da geht doch bestimmt was in Dänemark… Abseits davon: Danke! Hoffe man sieht sich mal bei ner Show oder auf nem Festival.