Interview mit Wolf X Down

11.11.2013
 

 

Spätestens mit dem Erscheinen ihres ersten Longplayers „Stray From The Path“ haben WolfXDown ein lautes und wütendes Ausrufezeichen in der europäischen Hardcore Szene gesetzt.
WolfXDown haben nicht nur ein absolutes Hardcore Brett hingelegt, sondern wer sich das Interview durchliest, wird feststellen, dass die Band auch jede Menge zu sagen hat und sich nicht davor scheut diese Meinung Kund zu tun und dafür einzustehen. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal an Tobi für das Beantworten der Fragen.


„Stray From The Path“ ist nun gut ¼ Jahr draußen, wie seid ihr selbst nach einigen Wochen und Monaten Abstand zur Entstehung und dem Release damit zufrieden?

Es war ein neues Gefühl für mich zu sehen, wie Musik, die zum Teil meiner Hand entstammt, auf Platte gepresst wird und Leuten Freude bereiten bzw. sogar inspirieren kann. Aber da haben wir natürlich alle unseren Teil geleistet und sind echt zufrieden. Allgemein war der Entstehungsprozess des Albums etwas stressig, da wir uns einen sehr engen Zeitrahmen bis zum Studiotermin gesetzt hatten, so dass wir gegen Ende der Songwriting-Phase echt in Hektik geraten sind. Dafür kann sich das Ergebnis aber meiner Meinung nach echt sehen lassen. Songwriting „aus dem Bauch heraus“ kann wohl manchmal auch schlicht und einfach besser und authentischer sein, als einen Song tausendmal zu überschreiben und irgendwann vor lauter Verbesserungen einfach einen Tunnelblick bzw. Tunnelgehör zu bekommen und den Song dadurch irgendwie „kaputtverbessern“. Nach der ganzen Studiozeit geht es denke ich den meisten Musiker_Innen so, dass sie ihre eigene Platte für eine ganze Weile nicht mehr hören können und daher schlecht ein eigenes Urteil fällen können. Neulich habe ich mit mittlerweile genug zeitlichem Abstand wieder einmal reingehört und war fast ein wenig stolz. Ich denke, der Fortschritt seit den EPs ist deutlich erkennbar und wir wissen jetzt, welche Richtung wir in Zukunft einschlagen werden. Es wird auf jeden Fall härter, schwerer, dunkler und fieser werden (haha).

Wie waren die Reaktionen?

Die Reaktionen der Leute waren sehr erfreulich. Kommentare, Mails und Booking-Anfragen sprechen für sich - es fühlt sich echt gut an. Am meisten freut mich persönlich, wenn Leute auf uns zukommen und uns berichten, sie hätten unsere Musik zum Anstoß genommen, ihr Leben in irgendeiner Weise umzustellen – ob das nun der Schritt zum Vegetarismus/Veganismus, eine Bestärkung zum nüchternen Leben oder ein erweitertes politisches Bewusstsein ist. Aber auch auf musikalischer Ebene haben wir einiges an Lob bekommen. Hater gibt es natürlich immer, aber davon lassen wir uns nicht beeindrucken. Diese Leute werden immer irgendetwas zu meckern haben. Viele sehen wohl ihre hegemoniale Männlichkeit bedroht, wenn eine Band Erfolg hat, deren Frontfrau auf die Bühne geht und klare Ansagen macht. Andere haben wohl Angst, es werde ihnen von uns das Recht auf „politische Unkorrektheit“ abgesprochen, welche oft eh nur Produkt latenter Ressentiments ist. Wiederum andere sind wohl einfach nur neidisch. Wir sehen das gelassen.

Wie kam es zu dem Cover Layout ?

Die Arbeiten von Jon MacNair fanden wir schon länger ziemlich cool und dachten uns daher, dass er das unseren Wünschen entsprechend meistern würde. Da wir ja einen gewissen politischen Anspruch haben und daher kein nichtssagendes Cover verwenden wollten, waren wir auf der Suche nach etwas, das unseren Überzeugungen Ausdruck verleiht, zum Albumtitel passt und darüber hinaus noch gut umsetzbar wäre. Nach endlosen Diskussionen über den Albumtitel und zahlreichen Vorschlägen, z.B. „Unity Of Oppression“, was letztendlich als zu theoretisch-politisch verworfen wurde, haben wir uns schließlich auf „Stray From The Path“ geeinigt, was zugleich dem klassischen „Out Of Step“-Motiv huldigt und sich gleichzeitig gut auf unsere Überzeugungen anwenden lässt, die ja zum Teil leider doch noch die von Minderheiten sind. Eine Idee war also, die Gesellschaft als eine Art Labyrinth darzustellen, welches uns durch Verlockungen, Machtmechanismen und andere Zwänge gefangen hält und überwacht (siehe Augen in den Wänden) und uns irgendwie in einer Weise auch selbst zu Monstern macht. Ziel ist es also, sich selbst und Andere zu befreien und aus den Mauern dieses Labyrinths auszubrechen (siehe Schaufel). Dass es auch in gesellschaftlichen Gegenentwürfen wie des linken Spektrums oder auch Subkulturen wie der Hardcore-Szene, also auch außerhalb des Labyrinths noch allerlei Mist gibt, zeigt das coole Loch Ness-Monster, das sich außerhalb der Mauern aufhält. Über das Ergebnis sind wir jedoch geteilter Meinung und haben schon viel Lob, aber auch viel Kritik gehört. Ist wohl Geschmackssache. Meine Oma fands cool.

Das Album soll noch auf CD erscheinen, ist aber bisher, wie auch eure beiden EPs nur als Vinyl bzw. Download erschienen. Wie kommt das? Entscheidung des Labels oder mögt ihr keine CDs?

Der Grund, wieso die CD bisher noch nicht erschienen ist, liegt darin, dass wir beschlossen haben, das komplett in die eigene Hand zu nehmen. Nach den arbeitsreichen Monaten bis zur Veröffentlichung der Platte haben wir uns erst mal eine Pause gegönnt, die dann aufgrund privater Probleme ein wenig länger geworden ist, als geplant. Damit haben wir uns ein bisschen ins eigene Fleisch geschnitten, da eine zeitnahe Veröffentlichung bestimmt mehr eingeschlagen hätte. Letztendlich können wir aber daran nichts mehr ändern. Die CD ist mittlerweile bestellt und dürfte in wenigen Wochen erhältlich sein. Wir arbeiten mit unseren Labels auf einer Ebene - einen Knebelvertrag mit einem Label zu unterschreiben, das dann die Entscheidungsgewalt über solche Fragen hätte, wäre wohl das Letzte, was wir machen würden.

Wie bist du zu WolfXDown gekommen? Wie funktioniert das mit der Entfernung zwischen Ruhrpott und Augsburg? Proben ist da doch kaum möglich, selbst am Wochenende 2-3 Shows zu spielen wird doch logistisch nicht einfach sein? Kann das auf Dauer gut gehen?

Wir haben uns auf HC-Flirt kennengelernt. Nein Scherz, wir haben 2012 zusammen am Edge Day in Karlsruhe gespielt, als ich noch Mitglied in meiner alten Band aus München war. Ich habe dann nach kurzen Gesprächen ein wenig Kontakt zu Larissa aufgenommen, da ich damals eigentlich ein Interview für mein Zine machen wollte (Welches im Übrigen immer noch nicht erschienen ist – shame on me. Ich arbeite daran, versprochen). Wir haben uns gut verstanden und aufgrund der wohl komplementären Interessen wurde ich schließlich gefragt, ob ich nicht mal zur Probe kommen wolle. Die anfänglichen Ängste, dass es persönlich eventuell doch nicht so passt, sind wohl normal, wenn man in neue Zusammenhänge mit noch fremden Personen reinrutscht. Diese haben sich dann aber schnell zerstreut und wir sind alle gute Freunde geworden. Ich bin sehr glücklich, dass es nicht nur eine Zweckgemeinschaft ist, sondern freue mich jedes Mal aufs Neue, mit ihnen unterwegs zu sein und auch privat abzuhängen.
Das mit dem Proben ist natürlich etwas erschwert, aber wir kriegen das den Umständen entsprechend gut hin. Vor oder nach Auftritten nehmen wir uns halt ein paar Tage Zeit um zu Proben oder neue Songs zu schreiben. Da ich Student bin, lässt sich das mit ein paar Abstrichen auf Seiten der Uni schon machen. Die einmalige Möglichkeit, mit guten Leuten auf dem Planeten herumzureisen, Musik zu machen und alles was damit verbunden ist, ergreifen wir gerne und nehmen dafür auch in Kauf, dass unser Lebenslauf vielleicht ein wenig darunter leidet.

Seid ihr aktuell noch ohne festen Bassisten?

Derzeit haben wir noch keinen festen Bassisten, nein. Die letzten Monate haben Lukas von Gone To Waste, Sandro von Demonwomb und Pascal von Sundowning bei uns ausgeholfen, was mit ein paar logistischen Schwierigkeiten auch geklappt hat und auf Tour immer eine sehr gute Zeit war. Danke an dieser Stelle an die drei. Da wir gewisse Ansprüche stellen, was unsere bandinternen Werte betrifft, hatten wir bisher noch kein Glück mit Leuten, die ernsthaft in Frage kämen. WolfXDown ist eine politische Vegan Straight Edge Band und soll es auch bleiben.

Bisher seid ihr bei keiner der größeren Bookingagenturen. Wollt ihr das bewusst nicht, um alles selbst in der Hand zu haben und evtl. nicht permanent auf Shows mit Eintritt 15-20€ zu spielen? Ist es denn möglich die nächsten Schritte als Band im Bekanntheitsgrad zu machen ohne Bookingagentur im Rücken?

Wir würden keinen Deal annehmen, der uns in unserer Freiheit einschränkt. Solange wir selbst die Wahl haben, gegebenenfalls auf größere Touren aufzuspringen, aber auch mal eine Tour wieder komplett DIY zu buchen, ist alles cool. Viele Leute erliegen da einem großen Missverständnis, was diese ganze DIY-Sache betrifft und haben oftmals nicht die geringste Ahnung, was es bedeutet, als Hardcore-Band zu touren. Teilweise bekommen wir Mails, in denen wir als Band mit „Rockstar Attitude“ bezeichnet werden, weil wir einen Betrag verlangen, der unverzichtbar ist, um nicht Miese zu machen. Van-Miete und Sprit kosten mehr, als man vielleicht denkt und so kommen wir bei unseren Touren größtenteils gerade mal so auf Null raus - manchmal machen wir Verlust, manchmal etwas Gewinn, aber insgesamt hält sich das in etwa die Waage. Mal abgesehen davon, dass ich denke, dass Hardcore immer für Jede_n bezahlbar sein und niemand wegen finanzieller Probleme ausgeschlossen werden sollte, sehe ich nichts Verwerfliches darin, sich Hilfe bei Touren zu holen, solange man nicht sprichwörtlich „seine Seele verkauft“. Viele, die da am lautesten schreien, wenn es um dieses Ganze „DIY-Stay-True“-Ding geht, haben niemals so viel Arbeit und Zeit in etwas investiert. Neben „sweat, blood and tears“ stecken wir nämlich auch private Kohle und Zeit rein, die wir mit Geldverdienen verbringen könnten. Obwohl wir wie schon gesagt, nie privat von der Band profitieren, geschweige denn unser Taschengeld damit aufbessern, muss man das denke ich schon differenzierter sehen, als bei jeder Gelegenheit Bands mit mahnendem Zeigefinger vorzuwerfen, nicht mehr „true“ zu sein. Als Band muss man irgendwann auch abwägen, ob man im kleinen auserwählten Hardcore-Kosmos bleiben und damit letztendlich nur Wiederkäuerei politischer Inhalte vor AZ-Publikum betreiben will, das diese ja eh schon verinnerlicht hat (oder verinnerlicht haben sollte) – oder eben versuchen will, nach außen zu greifen, um ein Publikum zu erreichen, das von „unserer“ Hardcore-Kultur eventuell noch lernen könnte. Wie man entscheidet, muss aber im Einzelfall geklärt werden, da eine generelle Aussage darüber ja auch beinhalten könnte, in Nazikneipen zu spielen, um einen Denkanstoß zu geben. Das wäre wohl ein Schritt zu weit. Bei sogenanntem „Mainstream“-Hardcore-Publikum lässt sich meiner Meinung nach darüber reden.

Für dieses Jahr ist noch eine Tour in Spanien/Portugal geplant, nächstes Jahr sollen Asien und Südamerika an der Reihe sein. Wie kommt es dazu?

Diese Touren kommen durch Kontakte zustande, die größtenteils auf Tour geknüpft werden. So wurde in Asien unsere Renegades EP schon durch Learn To Trust Records veröffentlicht und Reconstrux Booking wird uns bei der Tour aushelfen. In Südamerika haben wir mittlerweile Seven Eight Life Recordings an unserer Seite, die auch die Tour übernehmen werden. Anhand der Merchbestellungen und Kommentare können wir uns ein grobes Bild davon machen, wie gut wir an welchem Fleck der Erde ankommen. Ich hoffe, dass wir bald die Möglichkeit haben, auch Australien, Russland (wurde letztes Jahr leider gecancelt), und natürlich die USA zu touren, wobei wir eigentlich sowieso am liebsten die ganze Welt „bespielen“ würden. Wir sind auf jeden Fall sehr dankbar dafür, Aussichten wie eine Asien- bzw. Südamerika-Tour zu haben und freuen uns darauf, diese Erfahrungen machen zu dürfen.

Veganismus und Straight Edge sind ja erstmal sehr persönliche Themen, Entscheidungen und Einstellungen, die jeder für sich selbst trifft. Wie wichtig ist es euch jedoch, dass WolfXDown auch das Label „Vegan Straight Edge“ trägt?

Bei Ersterem will ich ohne überheblich wirken zu wollen, widersprechen. Veganismus wird für mich nie eine Entscheidung sein, die „Jede_r für sich selbst“ treffen sollte, genausowenig, wie es eine persönliche Entscheidung sein sollte, ob man sich nun menschliche Sklaven hält oder nicht. Die Freiheit des Einen endet da, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Und nicht-menschliche Tiere sollten in diesem Modell als die Individuen respektiert werden, die sie sind. Ich bin fest überzeugt, dass man über die Tierbefreiungsbewegung in einigen Jahrzehnten reden wird, wie über die abolitionistische Bewegung. Dies alles bedeutet allerdings nicht, dass wir uns als „bessere Menschen“ sehen. Ein perfektes Leben ist in der kapitalistischen Gesellschaft und wahrscheinlich auch außerhalb nicht möglich. Veganismus ist zwar definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, aber es sollte nicht der letzte sein - Selbstreflexion ist sehr wichtig. Dennoch muss kapitalistische Barbarei, wie sie in diesem Moment in tausenden von Schlachthöfen ihren Ausdruck findet auch als solche bezeichnet und kritisiert werden und nicht unter „persönliche Entscheidungsfreiheit“ eingeordnet werden.
Anders verhält es sich für mich mit dem Label „Straight Edge“ – ich werde niemandem vorschreiben, diesen Schritt ebenfalls zu machen. Die Toleranz endet aber bei allerlei Mist, der eben unter Alkohol- und Drogeneinfluss oftmals geschieht. Ob das nun sexuelle Grenzüberschreitungen, Sexismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen sind oder einfach nur aggressive Pöbelei ist – dort ist Kritik definitiv angebracht. Bei bewusstem Umgang spreche ich Keine_m/r sein/ihr Gläschen Wein oder Bier ab. „Straight Edge“ sehen wir schlicht als ein gutes Mittel zum Zweck im politischen Kampf für Befreiung an und boykottieren damit zusätzlich einen für uns offensichtlichen Unterdrückungsmechanismus in Form des Alkohols. „Brot und Spiele“ könnte eben heute beispielsweise in „Bier und Fußball“ übersetzt werden.
Das Label „Vegan Straight Edge“ ist für uns also ein Gegenentwurf und Statement, der Leuten eine Alternative zu den alltäglichen Scheußlichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft aufzeigen soll. Trotz des identitären Beigeschmacks soll es nicht elitär und ausgrenzend wirken, sondern für Jede_n zugänglich sein. Und wenn es ein Label ist/werden sollte, mit dem sich die „cool kids“ schmücken, so nehme ich das gerne hin, solange die jugendliche Identifikationssuche nicht an etwas anderes verschwendet wird.

Sowohl der Titelsong des aktuellen Albums, als auch "Loving Embrace" haben sehr sozial kritische Texte bzw. beinhalten den Aufruf nicht nur mit der Masse mitzuschwimmen, sondern seine Meinung zu vertreten und dafür einzustehen. Welche Themen bewegen euch persönlich aktuell am meisten?

Entlang der aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen fallen mir da so einige Themen ein, die uns beschäftigen. So wird ja beispielsweise das Flüchtlings- und Asylthema gerade ziemlich hitzig diskutiert. In Hellersdorf, Greiz, Schneeberg, Duisburg und vielen anderen Städten hat sich in den letzten Wochen und Monaten die hässliche Fratze des nationalen Bürgertums in Form von rassistischen Mobs gezeigt, die gegen zufluchtssuchende Menschen hetzen und persönliche Probleme auf diese vermeintliche Feindesgruppe projizieren. Solidarität an dieser Stelle an die Lampedusa-Gruppe in Hamburg und alle anderen Flüchtlinge und ihre Unterstützer_Innen. Parallel zu diesem Spektakel will sich die Festung Europa um jeden Preis vor Flüchtlingen schützen, die sie zum Teil durch Kolonialismus und westlichen Imperialismus selbst zu verantworten hat und nimmt dabei auch den Tod von Menschen in Kauf, solange sie eben nicht in den Stadtzentren vor den Augen der Bürger_Innen, sondern an den Außengrenzen verrecken. Erst Vorfälle wie das Drama von Lampedusa mit dem Tod von über 200 Menschen scheinen dann genug Aufmerksamkeit zu erregen, um das Problem ernsthaft zu diskutieren. Vergessen wird dabei aber, dass das neoliberale Projekt EU zwar uneingeschränkte Gesetztestreue von seinen Bürger_Innen fordert, diese aber beizeiten ohne Probleme brechen kann, was natürlich das Bild des sogenannten Rechtsstaats ordentlich ins Wanken bringt: Ob die Würde des Menschen antastbar ist, oder nicht, entscheidet der Eintrag im vorhandenen oder nichtvorhandenen Pass. Neben dem „Refugee Struggle“, beschäftigen uns aber noch viele andere Kämpfe: Unter anderem die drohende Räumung der Roten Flora, einem alternativen Projekt in Hamburg (Flora bleibt!), sowie der Kampf aller Menschen, die sich nicht in unser System der Zweigeschlechtlichkeit einordnen lassen und wollen, bei dem kürzlich schon kleine Erfolge erzielt wurden. Darüber hinaus natürlich alle Kämpfe, die sich gegen Kapitalismus und Nationalstaat, sowie den damit verbundenen Unterdrückungsmechanismen wie Sexismus, Homophobie, Rassismus und Tierausbeutung, richten. No one is free, until all are free.

Seid ihr selbst politisch aktiv?

Wir sind alle mehr oder weniger politisch aktiv.

Gibt es bei den jungen Hardcore Kids deiner Meinung nach noch ein politisches Bewusstsein, welches auch ein Stück weit mit der Hardcore Szene verbunden ist? Oder geht es da eher um coole Shirts und Tattoos?

Meine Meinung zu diesem Thema ist ziemlich zwiegespalten. Wenn ich auf Tour war und in anderen Städten und Ländern Leute kennengelernt habe, die mir in politischen Ansichten und auch darüber hinaus sehr ähnlich sind, habe ich im Hinterkopf, dass es in der Hardcore-Szene solche Leute wohl
über den ganzen Planeten verteilt gibt, was immer noch ein kleines Fünkchen Hoffnung in die Hardcore-Szene in mir aufflammen lässt. Festivals wie das Fluff Fest oder das Ieperfest empfinde ich schon als Versammlung größtenteils Gleichgesinnter. Wenn ich allerdings meinen Fokus wieder mal auf politische Zusammenhänge richte und dadurch die Hardcore-Szene mit etwas kritischem Abstand sehe, werde ich meistens enttäuscht. Ich empfinde es als „zu wenig“, Hardcore nur als Selbstzweck zu begreifen. Von Show zu Show zu leben, immer die neuesten Shirts zu haben ist mir als Lebensinhalt zu trivial. Aber vielleicht war Hardcore auch nie so politisch, wie ich das durch meine romantische Brille sehen will. Die Zeiten, in denen Hardcore meiner Meinung nach politisch gesehen am offensivsten war, nämlich die 90er mitsamt ihrer Vegan Straight Edge Kultur, haben mit Hardline und dem ganzen Pro-Life Kram auch einige Scheußlichkeiten hervorgebracht. Zwar stand Direct Action in direktem Bezug zu Bands, die Leute dazu inspiriert haben, andererseits wurden Leute aufgrund ihrer Sexualität verurteilt. Ich denke aber, man kann aus jeder Strömung des Hardcore etwas lernen. Aus dem DC-Hardcore wie Minor Threat und 7 Seconds ziehe ich einen positiven Individualismus und das generelle Hinterfragen gesellschaftlicher Normen, aus dem Youth Crew à la DYS den Solidaritätsgedanken einer Gruppe und aus dem eben erwähnten 90s Metalcore wie beispielsweise Chokehold eine tiefe Gesellschaftskritik, die sich notwendigerweise in Aktivismus äußern muss. Zweifellos gibt es an jeder dieser Strömungen Kritikpunkte - ich wünsche mir allerdings, dass sich junge Hardcore-Kids die besten Elemente heraussuchen und sich daraus ein Weltbild bauen. In diesem Sinne sehe ich im Hardcore auch Potenzial. Ein gewisser Grundkonsens, wie zum Beispiel, dass Nazis in dieser Szene nichts zu suchen haben, ist mit ein paar wenigen Ausnahmen schon vorhanden, denke ich. Schön wäre es, wenn junge Leute sich durch den Hardcore auch mehr für tiefergreifende Politik begeistern könnten. Ich empfehle an dieser Stelle die Bücher von Gabriel Kuhn, der sich u.a. mit Hardcore und anarchistischer Praxis auseinandersetzt. Konsequenz ist: Bildet euch – bildet Banden! Mittags mit den Genoss_Innen den Autoritäten oder Nazis kräftig in den Arsch zu treten und abends zusammen auf einer Show abzufeiern - klingt für mich perfekt. Und auch für das Aftershow-Programm hat man noch so einige Gestaltungsmöglichkeiten…

Wie schwer hat es Larissa mit euch vier Jungs auf Tour? Oder genießt sie das?

Ich verstehe die Frage ehrlich gesagt nicht. Wir sind fünf Menschen, die zusammen auf Tour eine gute Zeit haben – das hat für mich nichts mit der Einordnung in das vermeintlich in Stein gemeißelte System der Zweigeschlechtlichkeit zu tun. Ich denke auf Tour sind wir alle hin und wieder mal motzig und zickig, aber insgesamt: Klar genießt sie das – das tun wir alle!

Letzte Worte? Welche Bands sollte man auschecken? Wo kann man sich deiner Meinung nach gute politische Infos einholen?

Ich denke, ich habe in diesem Interview schon genug gesagt, daher werde ich mir ein episch-pathetisches Schlusswort sparen. Shoutouts gehen raus an Gone To Waste, Demonwomb, Schmutzstaffel, Empowerment, Holy, This Routine Is Hell und Left In Ruins.
Auf Facebook kann man mit Publikative.org bestens auf dem Laufenden bleiben, auf Indymedia (natürlich nur mit verschlüsseltem Tor-Server) gibt’s antifaschistische Nachrichten, auf refugeestruggle.org kriegt ihr einen Überblick, was im Kampf der Flüchtlinge abgeht und auf
theanarchistlibrary.org und anarchismus.at gibt’s großartige Textsammlungen zu anarchistischer Theorie und darüber hinaus.
Zum Schluss möchte ich noch auf unsere nächsten Shows hinweisen: Am 7.12 spielen wir auf dem Burning Ice Festival in Mönchengladbach, am 28.12 auf dem For The Kids Festival in Leipzig und vom 4. bis 19.Januar sind wir mit Benchpress aus den USA auf Euro-Tour! Kommt rum, hängt mit uns ab und geht steil.
Danke fürs Interview und an alle Leser_Innen, die es bis hierhin geschafft haben! Venceremos!