Plattenkritik

Egotronic - Ausflug mit Freunden

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Release Date: 30.04.2010
Datum Review: 10.05.2010

Egotronic - Ausflug mit Freunden

 

 

Mal so ganz unter uns: Hat irgendjemand ernsthaft mal mit Freude ein komplettes EGOTRONIC-Album durchgehört? So ganz ohne Unterbrechung und bei vollster Konzentration? Ja? Glückwunsch. Ich für meinen Teil hatte damit immer so meine Probleme. Nicht, weil ich es nicht zum Teil unglaublich spaßig und erfrischend plakativ finde, was die Berliner da so veranstalten. Vielmehr weil mir die Distanz zwischen diesen unglaublich spaßigen und erfrischend plakativen Stellen immer zu lang und das musikalische Grundgerüst dann doch etwas zu platt war.
Und ohnehin schien nach „Das Lustprinzip“ auch schon wieder die Luft raus zu sein, das Konzept EGOTRONIC gar schon abgenutzt.

„Ausflug mit Freunden“ nun ist bis zu einem gewissen Grad ein Befreiungsschlag. Reduktion auf das Wesentliche bei gleichzeitiger Ausweitung der Kampfzone. 10 Songs, unzählige Gäste und – man höre und staune – kein einziger Lückenfüller. Dabei musikalisch zuweilen erstaunlich stark auf dicke Hose getrimmt und gar mit einem gewissen Hang zum Detail versehen.

Natürlich erfinden sich EGOTRONIC nicht neu. Niemand hatte das erwartet und trotz aller offensichtlichen Schwächen des letzten Albums dürften wohl nur die Verwegensten ernsthaft darauf gehofft haben. Nach wie vor fühlt man sich wohl in der Rolle des Nestbeschmutzers und wendet sich mit nörgelnder Stimme und ausgestrecktem Mittelfinger in Songs wie „Toleranz“ insbesondere gegen die eigenen Reihen. Man nimmt es ihnen ab, den drei Vorzeige-Antideutschen. Früher, wie heute. Das ist aber neu: selbst persönlichere, beziehungsgeschwängerte Themen werden nicht mehr zu Skipkandidaten, sondern fügen sich angenehm in den Albumkontext ein. Daran sind nicht zuletzt die schon angesprochenen Gäste schuld. Bei einem „Ausflug mit Freunden“ dürfen natürlich weder die Größen aus dem Audiolith-Camp, noch Externa wie SAALSCHUTZ fehlen. Dass es bei den Kollaborationen nicht dabei geblieben ist, dass die Beteiligten brav ein paar Sätze gen Mikro schleudern hört man. Noch nie war ein EGOTRONIC-Output musikalisch derart abwechslungsreich. Nach wie vor regiert natürlich die Lust an der tanzbaren Kulturrevolution, nur klang sie bisher nicht so wuchtig. Dass dabei der eine oder andere Song, insbesondere das mit den Cobretti-Jungs von CAPTAIN CAPA entstandene „You“ zuweilen etwas arg in Richtung Bierzelt-Stimmung Marke ATZENMUSIK abdriften: geschenkt. Insgesamt stimmt erstmals auf einem EGOTRONIC-Album das Gesamtbild.

Nein, „Ausflug mit Freunden“ ist musikalisch wahrlich keine Revolution und hat dem Audiolith-Klangkosmos keine wirklich neuen Facetten hinzu zu fügen. Muss es aber auch gar nicht. Die Gefahr, dass sich EGOTRONIC nur noch selbst wiederholen und damit zur Belanglosigkeit degradieren ist mit diesen zehn Songs fürs Erste aus der Welt geschafft. Kein Album für die Ewigkeit, aber dafür ausgesprochen ansprechende Tanzmusik für den Moment, die den Intellekt nicht beleidigt. Schön.


01. „Was Soll's“ (feat. Rüde & Yari)
02. „Ich kanns nicht sagen“ (feat. Midimum)
03. „Die Sonne scheint“
04. „Das Leben ist tödlich“ (vs. Saalschutz)
05. „Tonight“ (feat. Danja Atari)
06. „Toleranz“
07. „You“ (vs. Captain Capa)
08. „Volksküche“ (feat. Plemo)
09. „Ich hab Zeit“ (feat. Phil De Gap)
10. „Mehr Bass“ (vs. JA!KOB)

Autor

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.